Gibt es beim Übernahmeangebot Unterschiede aufgrund der Marktnotierung?

Frage: Kürzlich haben Sie ausführlich erklärt, wann ein Übernahmeangebot durch einen Großaktionär erfolgen muss, nämlich dann, wenn er mindestens 30 Prozent der Aktien an einem Unternehmen gekauft hat. Mich interessiert nun, ob es wesentlichen Unterschiede gibt, je nachdem ob ein Unternehmen im Freiverkehr oder im so genannten geregelten Markt notiert ist. Wie sehen die Transparenzvorschriften aus? Welche Risiken sind damit verbunden?

Holger M. aus Bad Bentheim

 

 

 

 

Antwort: Die Unterschiede werden besonders deutlich, wenn man sich anschaut, welche Pflichten für die Unternehmen, die im Freiverkehr gehandelt werden, eben nicht gelten: Im Unterschied zum regulierten Markt gibt es nämlich eine ganze Reihe von regulatorischen Erleichterungen. So besteht zunächst einmal keine Pflicht, die Jahresabschlüsse nach den gültigen Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) zu erstellen. Auch Halbjahresfinanzberichte, mit denen sich Investoren ein erstes Bild vom laufenden Geschäftsjahr machen können, müssen in der Regel nicht veröffentlicht werden. Schließlich sind auch die übernahmerechtlichen Vorschriften (vgl. Expertentipp FM 20/2014, S. 61) nicht anzuwenden. Das heißt, dass im Freiverkehr der Übernehmer von 30 Prozent der Aktien kein Übernahmeangebot an alle anderen Aktionäre unterbreiten muss. Ebenso wenig gibt es für diese Unternehmen die Pflicht, Directors Dealings, also Geschäfte ihrer Führungsebenen mit Aktien der AG, zu melden. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen über die so genannten ad-hoc-Mitteilungen ist hier ebenfalls nicht gegeben. Diese vielen Erleichterungen für die Unternehmen bedeuten aber im Umkehrschluss für den Aktionär: es gibt deutlich weniger Transparenz, daher investieren auch weniger Anleger in diesen ‚unregulierten‘ Markt. Dies hat zur Folge, dass dieses Segment auch eine deutlich geringere Liquidität aufweist, mit allen damit verbundenen Risiken für den Investor.

Jella Benner-Heinacher