Aufsicht leidet unter Mitbestimmung

Zurzeit läuft in Düsseldorf der Mannesmann-Prozess. Von den Medien gerne vollmundig als „größter Wirtschaftsprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte“ bezeichnet. Dabei kommt das eigentlich Interessante in den Berichten überhaupt nicht vor. Und das sind nicht die Diskussionen rund um Abfindungshöhen und Untreuevorwurf. Der ehemalige Boss der mächtigen Gewerkschaft IG-Metall, Klaus Zwickel, plauderte im Saal 111 des Düsseldorfer Landgerichts aus der Schule der deutschen Mitbestimmung. Er sei, so Zwickel, zwei sehr unterschiedlichen Herren verpflichtet gewesen. Auf der einen Seite den Gewerkschaftsmitgliedern, denen Abfindungssummen in dieser Größenordnung kaum zu vermitteln wären, auf der anderen Seite dem Unternehmen Mannesmann und seinen Aktionären. Aus diesem Konflikt heraus sei es üblich, dass Arbeitnehmervertreter sich gerade bei Vergütungsfragen der Stimme enthalten.

Klarer und offener wurde das Dilemma der Mitbestimmung und die Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Kontrollgremiums Aufsichtsrat von einem Gewerkschaftsfunktionär noch nicht dargestellt. Der Webfehler ist einfach: Man kann nicht gleichzeitig solch unterschiedliche Interessen vertreten. Das führt zwangsläufig zu faulen Kompromissen und Fehlentscheidungen. Zudem besteht die Gefahr, gerade wenn es um Fragen der Vorstandsvergütung geht, dass Vorstand und Arbeitnehmervertreter sich gegenseitig gefällig sein wollen. Auch die Funktionsfähigkeit der Kapitalseite  leidet unter der Mitbestimmung. Die paritätische Besetzung des Kontrollgremiums zwingt zur Einstimmigkeit. Das heißt nicht, dass es keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Überdies führen große  Aufsichtsräte zu Indiskretionen, und diese zu Geheimniskrämerei. Darum werden viele Fragen dem Präsidium überlassen, obwohl der Gesamtaufsichtsrat verantwortlich bleibt.

Ulrich Hocker