Wozu dient das verpflichtende Übernahmeangebot?

Frage: In Medienberichten ist häufig vom so genannten Pflichtangebot an freie Aktionäre die Rede, das ein Großaktionär oder Unternehmenskäufer machen soll. Aus welchen Gründen muss denn überhaupt ein Aktionär, der mindestens 30 % der Aktien einer AG hält, ein solches Übernahmeangebot unterbreiten? Welche Historie liegt dieser Regelung zugrunde? 

 

Heinz Z. aus Viersen

 

 

 

 

 

Antwort: Die Idee des verpflichtenden Übernahmeangebotes ist es, die Aktionäre einer Gesellschaft davor zu schützen, dass sie sich plötzlich einem Mehrheitsgesellschafter gegenüber gestellt sieht und dadurch überraschend in die Rolle eines Minderheitsgesellschafters verwiesen werden. Als solche müssten sie eventuell eine Minderung ihrer Einflussnahme auf die Gesellschaft und die Gefahr eines Wertverlustes der Aktie oder bei kleineren Werten auch negative Einflüsse auf die Liquidität der Aktie bis hin zur Austrocknung in Kauf nehmen. Um Nachteile dieser Art auszugleichen, gibt es nach  dem Übernahmegesetz (WpÜG) die Pflicht, bei Erreichen von 30 % der Anteile an einer börsennotierten AG allen anderen Aktionären ein angemessenes Kaufangebot für ihre Anteile zu unterbreiten. Die Quote von 30 % wurde mit Blick auf die üblichen HV-Präsenzzahlen gewählt. Dieses Gesetz ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Zuvor existierte sei 1995 der freiwilliger Übernahmekodex, der sich allerdings als wenig effizient herausstellte. Vor dieser Regelung war es durchaus üblich, dass ein Aktionär, der wesentliche Aktienpakete einer Gesellschaft von einem anderen kaufte, um z.B. eine Sperrminorität zu erlangen, nur diesem Aktionär einen attraktiven Paketzuschlag zahlte, von dem die verbleibenden Minderheitsaktionäre nicht profitieren konnten. Diese Ungleichbehandlung ist dann mit Einführung des Übernahmegesetzes abgeschafft worden.

Jella Benner-Heinacher