Bilanzvorschriften mit Sprengkraft
Die Bilanzierungsvorschriften für deutsche Aktiengesellschaften haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Zeiten der intransparenten Rechnungslegung nach Handelsgesetzbuch (HGB) sind endgültig vorbei. Seit dem 1. Januar 2005 müssen alle an europäischen Handelsplätzen notierten Unternehmen nach den so genannten „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) bilanzieren. Nur Gesellschaften, die an einem Kapitalmarkt außerhalb der EU notiert sind, dürfen andere international anerkannte Rechnungslegungsstandards, wie etwa den US-Standard US-GAAP, nutzen.
Besonders drastisch bemerkbar werden die veränderten Vorschriften bei den Abschreibungsmöglichkeiten sein. Konnten die Gesellschaften nach HGB den Wert einer technischen Anlage oder auch einer Beteiligung ratierlich, also mit immer gleichen Raten über einen gewissen Zeitraum hinweg, in der Bilanz reduzieren. Muss nach IFRS nun regelmäßig die Werthaltigkeit dieser Bilanzposten mit einem so genannten „Impairment Test“ überprüft werden. Sollte der Test eine Wertminderung ergeben, ist die Gesellschaft verpflichtet, das per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen und in der nächsten Bilanz entsprechend zu korrigieren.
Mit der gemütlichen langjährigen Abschreibung nach HGB ist diese Praxis nicht annähernd zu vergleichen. Der Sprengstoff für die Bilanzen ist ungleich höher. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Gros der Unternehmen die Impairment Tests im Laufe des dritten Quartals durchführen werden, der Zeit also, in der auch die Planungen für das kommende Geschäftsjahr laufen. Öffentlichkeitswirksam würde eine festgestellte Wertminderung im vierten Quartal. Die Anleger müssen sich daher darauf gefasst machen, dass gerade in den Monaten Dezember und Januar bei einigen Unternehmen immer wieder unerfreuliche Überraschungen drohen.
Ulrich Hocker