Ruhe bewahren ist oberste Anlegerpflicht

Wer die aktuelle Situation am Aktienmarkt betrachtet, kommt um Weisheiten wie „Die Börse ist eben keine Einbahnstraße“ kaum herum. Über eineinhalb Jahre kannten die Kurse, getrieben vor allem von positiven Unternehmensnachrichten, fast nur eine Richtung: Nach oben. Die Bullen hatten auf dem Parkett eindeutig das Sagen. Hohe Ölpreise, steigende Zinsen, ein schwacher Dollar, wachsende Inflationssorgen waren allenfalls Randnotizen wert, mehr nicht. Dass irgendwann eine Korrektur kommen musste, war zumindest den erfahrenen Marktteilnehmern klar. Die Eine-Million-Dollar-Frage lautet allerdings, wann dies geschehen würde.

Jetzt wissen wir es. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Panik. Doch es scheint, als würde bei einigen Anlegern die Erinnerung an den dramatischen Kursverfall vom Anfang des Jahrtausends noch zu frisch sein. Damals sackten die Aktien schier unaufhaltsam nach unten. Erst bei einem DAX-Stand von gut 2100 war das Ende der Talfahrt erreicht. Der Startpunkt lag bei über 8000 Punkten. Das Börsensegment Neuer Markt, das zu Spitzenzeiten sogar die 9000er-Marke knackte, überlebte den Absturz nicht. Noch heute liegen in einigen Depots ehemalige Börsenstars, die mit Kursverlusten von Minus 90 Prozent oder mehr zu Buche schlagen. Kein Wunder also, dass viele Investoren jetzt überhastet reagierten und ihre Papiere panikartig verkauften.

Dabei ist die Situation von damals mit der heutigen nicht vergleichbar. Während die Kursexplosion Ende der 90er Jahre weit gehend auf Gewinnerwartungen beruhte, die sich im Nachhinein als illusorisch erwiesen, ist die aktuelle Entwicklung durch sehr gute Unternehmensdaten unterfüttert. Die Bewertungen vieler Gesellschaften sind nach wie vor moderat. Wir sind also nicht mehr weit von echten Kaufkursen entfernt.

Ulrich Hocker