Wertpapierleihe

Frage: Sie haben an dieser Stelle bereits einmal über die Probleme bei der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung berichtet. Neben Hindernissen, wie etwa abschreckend hohen Gebühren, gibt es aber ein weiteres wichtiges Thema: Die Wertpapierleihe. Nach meinen Erfahrungen können Fonds ihre Stimmrechte oft gar nicht ausüben, weil die Aktien zum Zeitpunkt der Hauptversammlung verliehen sind.

Richard O. aus Herne

 

Antwort: Die Wertpapierleihe ist tatsächlich eines der großen Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung. Gehen doch die Stimmrechte verliehener Aktien auf den Entleiher über, wenn dieser die Papiere am so genannten „Record Date“ im Depot hat. Denn nur wer an diesem Tag über die Aktien verfügt, kann die mit den Anteilscheinen verbundenen Stimmrechte ausüben.

Wenig bekannt ist, dass das deutsche Investmentrecht in dieser Hinsicht vorbildlich ist. Hier muss der Leihevertrag zwingend vorsehen, dass entliehene Aktien so rechtzeitig zurückgegeben werden, dass die Fondsgesellschaft in der Lage ist, die Stimmrechte auszuüben. Auch das so genannte Dividendenstripping, also der Verleih der Wertpapiere, nur um die Dividende zu kassieren, ist in Deutschland kein Thema. Der Entleiher ist verpflichtet, die Erträge aus den entliehenen Wertpapieren zugunsten des Fondsvermögens abzuführen. So vorbildlich die Regeln in Deutschland auch sein mögen, es sollte nicht vergessen werden, dass es natürlich jedem Fonds unbenommen  ist, seine Wertpapierleihgeschäfte außerhalb Deutschlands durchzuführen und damit den strengen deutschen Regeln zu entgehen. Um das Problem nachhaltig zu lösen, wäre es notwendig, eine europäische Regelung auf Basis des deutschen Gesetzes zu finden.

Jella Benner-Heinacher