Wie kann die deutsche HV vom Ausland lernen?

Frage: In diesem Jahr habe ich erstmals nicht nur deutsche Hauptversammlungen, sondern auch die Aktionärsversammlungen von Shell und Vivendi besucht. Dabei ist mir aufgefallen, dass in Frankreich und den Niederlanden der Vorstand ohne Rückfrage bei Mitarbeitern sofort kurz und knapp antwortet. In Deutschland dagegen ziehen sich die Versammlungen immer mehr in die Länge, wenn der Versammlungsleiter immer wieder erst im so genannten „Backoffice“, also offenbar bei Experten im Hintergrund oder bei seinen Juristen nachfragen muss. Streckenweise wird die Versammlung dann sogar zur Erarbeitung der Antworten unterbrochen. Mir scheint das doch sehr übertrieben zu sein. Gibt es aus ihrer Sicht keine Möglichkeit hier vom Ausland zu lernen, um die HVs auch in Deutschland deutlich attraktiver und kürzer zu gestalten?

Helene W. aus Pinneberg

 

 

 

 

Antwort: Die häufig langwierige Praxis der Beantwortung von Aktionärsfragen in deutschen Hauptversammlungen basiert zum einen auf dem außergewöhnlich umfangreichen Auskunftsrecht, das das deutsche Aktienrecht gewährt. Zum anderen ist es häufig die Angst vor den so genannten „räuberischen Aktionären“ und möglichen Anfechtungsklagen, die dazu führt, dass ein spontaner Dialog mit dem Vorstand, wie Sie ihn beschreiben, hierzulande immer häufiger unterbleibt. Allerdings liegt eine wesentliche Rolle beim Versammlungsleiter. Dieser kann durchaus dafür sorgen, dass die endlosen Fragenkataloge einzelner Aktionäre entweder später schriftlich oder kurz und knapp beantwortet werden. Dabei hilft jetzt auch ein neuer Beschluss des Bundesgerichtshofs zu den Grenzen des Auskunftsrechtes (Beschluss vom 5.11.2013 - II ZB 28/12). Danach ist die Gesellschaft nur dazu verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, die zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Dabei stellt der BGH aber klar, dass der Aktionär kein Recht auf Auskunft zu vertraulichen Vorgängen im Aufsichtsrat hat. Zudem muss der Aktionär nachfragen, wenn er eine aus seiner Sicht unzureichende Pauschalantwort erhält. Diese neue Rechtsprechung könnte dafür sorgen, dass wir unsere Hauptversammlungs-Debatten mittelfristig qualitativ verbessern.

Jella Benner-Heinacher