Dividendenanalyse 2004

Kursperformance und Dividendenhöhe sind nach wie vor das Maß aller Dinge, wenn es darum geht, die Qualität einer Aktiengesellschaft zu beurteilen. Kein Wunder, dass diese beiden Themen auf den Hauptversammlungen in der Regel eine herausragende Stellung einnehmen.

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Klaus Nieding, Landesgeschäftsführer Hessen

Herbert Hansen, Dividendenexperte

Jürgen Kurz, Pressesprecher

Kursperformance und Dividendenhöhe sind nach wie vor das Maß aller Dinge, wenn es darum geht, die Qualität einer Aktiengesellschaft zu beurteilen. Kein Wunder, dass diese beiden Themen auf den Hauptversammlungen in der Regel eine herausragende Stellung einnehmen. In den letzten Jahren war allerdings eine deutliche Verschiebung der Gewichte zu beobachten. Zunächst gab es die Boomphase von 1998 bis 2000 mit stark steigenden Kursen. Vor diesem Hintergrund ist die Dividende fast völlig in Vergessenheit geraten. Teilweise drängte sich der Eindruck auf, dass Gewinnausschüttungen ein Kontra-Indikator für weitere Kurssteigerungen darstellten. Wer, wie die DSW, in dieser Zeit Dividendenzahlungen einforderte, erntete meist nur milden Spott.

Dann folgte bis zum März 2003 eine Zeit fast kontinuierlich fallender Aktienkurse. In dieser Zeit haben die Anleger den Gewinnausschüttungen ebenfalls nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen. Verständlich, konnten die Dividendenzahlungen die erlittenen Kursverluste meist doch nicht annähernd kompensieren. Als Folge vor allem des Börsensegments „Neuer Markt“ wurden zudem große Defizite bei Risikokontrolle, Informationspolitik oder Transparenz offenbar, die in den Hauptversammlungen intensiv diskutiert wurden.

Mittlerweile hat sich die Lage wieder etwas normalisiert. Um das Vertrauen der Privatanleger in die Aktie wieder herzustellen, wurden Themen wie Transparenz, Bilanzkontrolle und Zusammensetzung der Aufsichtsräte, um hier nur drei zu nennen, sowohl vom europäischen als auch von den nationalen Gesetzgebern aufgenommen. In Deutschland wurden zusätzlich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen durch das Soft-Law des Deutschen Corporate Governance Kodex deutlich verschärft. Damit scheint die Zeit gekommen, der Dividende wieder zu der Bedeutung zu verhelfen, die ihr als wichtigem Bestandteil einer Aktie zusteht.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren im Geschäftsjahr 2003 nicht sonderlich günstig. Doch trotz steigender Rohstoffpreise, hohem Eurokurs und anhaltender Konjunkturschwäche haben viele Unternehmen es geschafft, höhere Gewinne zu erwirtschaften. Teilweise gelang dies sogar bei fallenden Umsätzen. Die Aktiengesellschaften haben die schlechten Zeiten offenbar genutzt und erfolgreich umstrukturiert. Die Aktionäre konnten hiervon ebenfalls profitieren. Immerhin überwiesen die deutschen Unternehmen insgesamt 16 Milliarden Euro an ihre Besitzer. Das sind rund 300 Millionen Euro mehr als im Vorjahr.

Ganz zufrieden können wir trotzdem nicht sein, denn das Wachstum der Dividendenzahlungen hat mit dem Zuwachs bei den Gewinnen nicht mitgehalten. Besonders gravierend zeigt sich dieses Missverhältnis im DAX30. Zwar stellt dieses Börsensegment mit Ausschüttungen in Höhe von etwa 10,5 Milliarden Euro den mit Abstand größten Teil der gesamten Dividendenzahlungen. Die Aktionäre mussten sich bei den Gewinnausschüttungen aber mit einem Plus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr begnügen. Dabei sind die Gewinne der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften um immerhin 30 Prozent in die Höhe geschossen.

Damit entfernen wir uns ein weiteres Stück von der DSW-Forderung, dass die Hälfte des operativen Gewinns an die Anteilseigner auszukehren ist. Das Aktiengesetz spricht in diesem Punkt eigentlich eine klare Sprache. Paragraph 58 schreibt vor, dass die Hauptversammlung „über 50 Prozent des operativen Gewinns“ entscheiden soll. Hierunter sind die Gewinne des gesamten Konzerns zu verstehen.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Gruppe der Aktionäre – und damit die Gruppe, die das gesamte Kapitalrisiko trägt – an der Wertschöpfung der einzelnen Unternehmen mit Abstand den geringsten Anteil hat. Bei der Volkswagen AG erhielten von der gesamten Wertschöpfung des Geschäftsjahres 2003 die Arbeitnehmer 77 Prozent, Kreditgeber 12,3 Prozent, der Staat 4,5 Prozent, das Unternehmen in Form von Rücklagen 3,9 Prozent und die Aktionäre 2,3 Prozent.

Ebenfalls nicht erfreulich ist die Tatsache, dass das Gros der Aktiengesellschaften nach wie vor auf eine klare Prognose verzichtet, was die erwartete Entwicklung der Dividende in den kommenden Geschäftsjahren angeht. Hier fordern wir von den Unternehmen ein Umdenken.

Nun aber zur eigentlichen Dividendenanalyse für das Geschäftsjahr 2003. Hierzu übergebe ich das Wort an Herrn Herbert Hansen, der diese Untersuchung durchgeführt hat.

Die DSW hat in einer aktuellen Studie insgesamt 939 Aktiengesellschaften unter die Lupe genommen, die zusammen ein Grundkapital in Höhe von 77,3 Milliarden Euro aufweisen. In die Untersuchung wurden alle Gesellschaften aufgenommen, die bis Anfang Juli ihre Dividendenzahlungen veröffentlicht hatten. Insgesamt schütteten die analysierten Unternehmen 16,0 Milliarden Euro aus, nach 15,7 Milliarden Euro im Vorjahr.

Trotz dieser Steigerung der Dividendensumme ging die Anzahl der Unternehmen, die Gewinne an die Aktionäre auskehrten insgesamt zurück. Blieben im letzten Jahr noch 567 Gesellschaften den Aktionären eine Dividende schuldig, kamen in diesem Jahr 35 weitere AGs hinzu. Prominenteste Beispiele sind hier sicher die beiden DAX-Werte Lufthansa und Commerzbank. Insgesamt blieben damit sage und schreibe 64 Prozent (602) der Gesellschaften ohne Dividende. 9 Prozent (54) dieser Unternehmen sind in den vier Indices DAX, MDax, TecDax und SDax notiert.

Von den 337 Gesellschaften, die für das Geschäftsjahr 2003 Gewinne an ihre Aktionäre ausschütteten, ließen 176 den Dividendensatz unverändert, 84 erhöhten die Gewinnausschüttung, 45 überwiesen den Aktionären weniger als im Vorjahr. 32 Gesellschaften, deren Anteilseigner 2003 noch leer ausgingen, nahmen die Dividendenzahlung wieder auf.

Zwischen den einzelnen Börsensegmenten bestehen erheblichen Unterschiede. Insgesamt zeigen die Zahlen, wie sehr die 30 großen DAX-Unternehmen das Geschehen dominieren. Vom gesamten Grundkapital aller betrachteten Aktiengesellschaften entfiel rund die Hälfte auf diese Gruppe. Mit 10,5 Milliarden Euro wurden sogar zwei Drittel der Dividendensumme von den DAX30-Unternehmen aufgebracht. Damit bekamen die Aktionäre knapp ein Prozent oder 100 Millionen Euro mehr als im Vorjahr überwiesen. Allein die drei größten Dividendenzahler DaimlerChrysler (1,52 Milliarden Euro), Eon (1,35 Milliarden Euro) und Siemens (0,98 Milliarden Euro), zahlten zusammen rund 3,9 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner. Das entspricht 24 Prozent der Dividendensumme aller analysierten Gesellschaften und immerhin noch 37 Prozent der Ausschüttungen der DAX30-Unternehmen.

Trotzdem hatten nicht alle Anleger, die Aktien von Gesellschaften aus dem DAX30 besitzen, Grund zur Freude. Bei immerhin fünf AGs gingen die Anteilseigner leer aus. Neben der Deutschen Telekom ließen HypoVereinsbank, Commerzbank, Deutsche Lufthansa und Infineon die Gewinnausschüttung ausfallen. Von den restlichen 25 Unternehmen konnten 10 Gesellschaften ihre Dividenden erhöhen, während mit Bayer und Volkswagen zwei AGs die Ausschüttung an die Aktionäre kürzen mussten. Die Durchschnittsdividende je Aktie erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr leicht von 0,26 Euro auf 0,27 Euro

Die 50 im MDax gelisteten Unternehmen erreichten für das Geschäftsjahr 2003 mit einer Durchschnittsdividende von 0,26 Euro je Aktie fast das Niveau der DAX30-Gesellschaften. Die Gesamtsumme der gezahlten Gewinnausschüttungen belief sich in diesem Börsensegment auf 2,06 Milliarden Euro, nach 2,01 Milliarden Euro im Vorjahr. Mit 325 Millionen Euro schüttete der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS die höchste Dividende aller MDax-Unternehmen an seine Aktionäre aus.

Bei 19 MDax-Gesellschaften bleib der Dividendensatz unverändert, 15 konnten ihre Ausschüttungen erhöhen. Neun der MDaxler zahlten keine Gewinnbeteiligung an ihre Aktionäre. Besonderen Grund zur Freude gab es für die Anteilseigner der Gesellschaften Comdirect, Fraport und MLP, die nach einem dividendenlosen Jahr wieder in die Gruppe der Dividendenzahler zurückgekehrt sind.

Im SDax konnte die Durchschnittsdividende je Aktie zwar deutlich um 22 Prozent gesteigert werden, sie lag mit 0,11 Euro je Aktie aber trotzdem klar unter den Durchschnittswerten von DAX30 und MDax. 23 der 50 SDax-Unternehmen zahlten keine Dividende. Die restlichen 27 Gesellschaften schütteten zusammen gerade 319 Millionen Euro aus, nach 276 Millionen Euro im Vorjahr.

Dass der TecDax der Index mit der geringsten Gewinnausschüttung war, überrascht nicht sonderlich. Sind hier doch High-Tech-Unternehmen notiert, die den Großteil ihrer Gewinne, so sie denn welche erwirtschaften, in das weitere Wachstum der Gesellschaft investieren. 45 Millionen Euro überwiesen die Gesellschaften ihren Anteilseigner. Damit entsprach die Gewinnausschüttung genau der des Vorjahres. 0,03 Euro je Aktie flossen durchschnittlich an die Aktionäre. Bei 25 erfassten Unternehmen blieben 17 ohne Dividendenzahlung. Nicht berücksichtigt wurden in diesem Segment die vier an ausländischen Börsen notierten Gesellschaften Dialog, Qiagen, Rofin und SCM. Von Elmos Semiconductor lagen zum Stichtag der Untersuchung noch keine Ergebnisse vor.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Aktionäre, die Wert auf eine hohe Ausschüttung legen, um DAX30 und MDax kaum herumkommen. Zudem ist erwähnenswert, dass die Zahl der dividendenlosen Gesellschaften auch in diesem Jahr wieder erschreckend hoch ausgefallen ist.