Hauptversammlungsthemen 2004

In der diesjährigen Hauptversammlungssaison werden sowohl allgemeine wirtschaftliche Themen wie die schlechte Konjunkturlage oder das starke Währungsgefälle diskutiert, als auch Themen, die auf der neueren Gesetzgebung und dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) basieren.

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Klaus Nieding, Landesgeschäftsführer Hessen

Jürgen Kurz, Pressesprecher

In der diesjährigen Hauptversammlungssaison werden sowohl allgemeine wirtschaftliche Themen wie die schlechte Konjunkturlage oder das starke Währungsgefälle diskutiert, als auch Themen, die auf der neueren Gesetzgebung und dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) basieren. Daneben werden die DSW-Vertreter auf den Hauptversammlungen natürlich spezielle Fragen der Bilanzierung ansprechen.

Insgesamt wird die kommende Hauptversammlungssaison vom Thema Transparenz dominiert sein. Dabei wird es insbesondere ums Geld gehen. Genauer gesagt, um die Gehälter der Vorstände. Seit Mitte 2003 ist die individualisierte Veröffentlichung der Vorstandsgehälter eine Soll-Vorschrift im Corporate Governance Kodex. Unternehmen, die sich weigern, müssen in ihrer Entsprechenserklärung Gründe hierfür angeben. Im letzten Jahr veröffentlichten mit Altana, Bayer, Deutsche Bank, Deutsche Börse, SAP und Thyssen-Krupp nur sechs der dreißig großen deutschen AGs die geforderten Informationen. In diesem Jahr kommen bisher Deutsche Telekom, Deutsche Post und RWE hinzu. Commerzbank und Schering weisen immerhin die Gehälter ihrer Vorstandsvorsitzenden extra aus. Das ist immer noch viel zu wenig. Wenn die Einsicht in deutschen Vorstandsetagen nicht größer wird, werden die Unternehmen sich bald mit einem Gesetz zu diesem Thema konfrontiert sehen.

Wirklich gute Argumente haben die Unternehmen, die sich weigern, Transparenz zu schaffen, nicht zu bieten. Genannt wird etwa die mögliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte, oder die Gefahr, dass eine Veröffentlichung der Zahlungen zu einer Nivellierung des Gehaltsniveaus in den Vorstandsetagen führen würde.

Das ist alles nicht sehr stichhaltig. Es ist kaum einzusehen, warum etwa die Metro-Chefetage, die auf die individualisierte Veröffentlichung verzichtet, ein größeres Recht auf Schutz der Persönlichkeit haben sollte, als die Vorstände des Chemiekonzerns Bayer, deren Gehälter jeder im Geschäftsbericht nachlesen kann. Auch die befürchtete Nivellierung der Gehaltsstruktur ist mit der Realität nicht in Einklang zu bringen. In Ländern wie den USA oder Großbritannien, in denen die für hiesige Verhältnisse neue Transparenz längst üblich ist, gibt es nach wie vor deutliche Unterschiede auf den Lohnzetteln der Vorstände.

Während die Vorstände noch über die Offenlegung ihrer Gehälter streiten, ist die Diskussion schon längst einen Schritt weiter. Die Pensionszahlungen stehen als nächstes auf der Agenda. Im Bereich der Altersruhegelder für Vorstände geht die Durchschaubarkeit in Deutschland gegen Null. In den Geschäftsberichten deutscher Aktiengesellschaften findet sich hierzu meist nur eine Gesamtsumme. Angaben zur Zahl der Anspruchsberechtigten sucht man vergeblich. Das kann nicht so bleiben. Schließlich kommen gerade für Manager, die sich länger als eine Amtszeit halten, hier teils erkleckliche Summen zusammen. Nach einer Legislaturperiode liegt die Anwartschaft in der Regel bei 30 Prozent des Fixums. Dieser Betrag wächst auf bis zu 60 Prozent an.

Eine weitere Soll-Vorschrift des Corporate Governance Kodex, deren Erfüllung wir uns in der kommenden Saison genau ansehen werden, ist die Prüfung der Effizienz des Aufsichtsrats. Auch hier gilt: Wer auf die Prüfung verzichtet, muss dies in seiner Entsprechenserklärung veröffentlichen. Nach unserer Erkenntnis hat kein Unternehmen widersprochen. Wir werden daher fragen, wie die Prüfung durchgeführt wurde und welches Ergebnis sie erbracht hat.

Ebenfalls unter der Überschrift Transparenz steht die Frage nach den von der Geschäftsleitung beauftragten Unternehmensberatern. Leider ist es zunehmend üblich, dass Vorstände Aufgaben an externe Beratungsunternehmen delegieren. Ein Problem, das nicht erst seit Herrn Gerster und der Bundesanstalt für Arbeit bekannt ist. Die Hauptversammlungssprecher der DSW werden sehr genau fragen, welche Volumina diese Aufträge bei einzelnen Unternehmen erreichen.

Die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer und die Zusammenarbeit der Prüfer mit dem Aufsichtsrat wird ebenfalls zu beleuchten sein. So werden die Sprecher der DSW wissen wollen, ob der zur Wahl vorgeschlagene Wirtschaftsprüfer eine Unabhängigkeitserklärung abgegeben hat, die im Sinne des Corporate Governance Kodex ist. Auch interessiert uns, wie hoch der Anteil des Beratungshonorars am Gesamthonorar der Prüfungsgesellschaft ist. Zusätzlich werden wir fragen, ob der jeweilige Prüfungsschwerpunkt ausreichend zwischen Aufsichtsratsvorsitzendem und Abschlussprüfer diskutiert wurde.

Neben diesen allgemeinen Fragen werden die Vorstände aber nicht darum herum kommen, sich zu operativen Entscheidungen und deren Folgen, sowie zu den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen ihrer Gesellschaften ausführlich befragen zu lassen. So wird Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke ebenso wie Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler das Fiasko beim Mauteintreiber Toll Collect kommentieren müssen. Bei Schrempp werden wir uns allerdings nicht mit kritischen Fragen begnügen. Wir werden dem DaimlerChrysler Vorstand die Entlastung verweigern. Hintergrund sind die glücklose Liaison mit dem japanischen Autohersteller Mitsubishi und die nach wie vor unbefriedigende Situation von Chrysler. Die Ertragsprognosen des Vorstands wurden über Jahre hinweg verfehlt. Dies spiegelt sich auch in der schlechten Performance des Aktienkurses von DaimlerChrysler wider. Auch wird Schrempp sich Fragen zum Fortschritt des gegen ihn laufenden Verfahrens in den USA gefallen lassen müssen.

Der Aufsichtsrat wird für das vergangene Geschäftsjahr von uns ebenfalls nicht entlastet werden. Ein Grund hierfür ist die Tatsache, dass das Gremium den Vertrag von Vorstandschef Jürgen Schrempp trotz des Scheiterns seiner Strategie vorzeitig verlängert hat. Zudem will sich der Aufsichtsrat variable, vom Aktienkurs abhängige, Vergütungen genehmigen lassen, was mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht in Einklang zu bringen ist (Aktenzeichen II ZR 316/02). (Dieser Tagesordnungspunkt wurde am 23. März um 12:30 Uhr von der Tagesordnung der DaimlerChrysler Hauptversammlung gestrichen.)

 

Mit der Gewinnsituation der deutschen Aktiengesellschaften sind wir im Großen und Ganzen zufrieden. Etliche Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die Kosten wurden gesenkt, die Produktivität gesteigert. Teilweise ist es gelungen, selbst bei sinkenden Umsätzen steigende Gewinne auszuweisen. Die Gewinne der im DAX notierten Unternehmen sind um rund 30 Prozent gestiegen. Leider konnten die Dividendenausschüttungen hier nicht mithalten. Rund 10,5 Milliarden Euro bekommen die Aktionäre der dreißig großen deutschen Aktiengesellschaften. Das bedeutet ein Plus von etwa 6 Prozent. Mit diesem Missverhältnis entfernen wir uns noch ein Stück weiter von dem DSW-Ziel, dass, zumindest in der sogenannten "alten Industrie", 50 Prozent des Gewinns an die Aktionäre fließen sollte.

Trotz der Vielzahl an Themen sind immer weniger der stimmberechtigten Aktien auf den Hauptversammlungen vertreten. Die Präsenz geht kontinuierlich zurück. Im vergangenen Jahr waren auf den Hauptversammlungen der 30 DAX-Gesellschaften noch 49,14 Prozent des Kapitals vertreten. Damit sank der Durchschnitt erstmals unter die 50-Prozent-Marke. Für 2004 rechnen wir mit einem weiteren Rückgang der Durchschnittspräsenz auf 48 Prozent. Wichtigster Grund für diese Entwicklung ist, dass die meisten Sparkassen und Volksbanken die Stimmrechte ihrer Kunden nicht mehr vertreten. Die DSW kann diese Kreditinstitute nur auffordern, aktiv auf alternative, ebenfalls kostenlose Möglichkeiten der Stimmrechtsvertretung hinzuweisen.

Eine weitere Folge des Rückgangs ist, dass Übernahmen einfacher und billiger werden. Nach deutschem Recht muss ein Übernehmer erst dann ein Abfindungsangebot an die Aktionäre machen, wenn er die Besitzschwelle von 30 Prozent des Aktienkapitals überschreitet. Bei vielen Firmen würde indes schon eine sehr viel geringere Beteiligung ausreichen, um die Hauptversammlungsmehrheit zu erlangen und damit die Macht zu übernehmen.

Auch wenn der Gesetzgeber bislang noch keine erkennbaren Anstalten macht, in diesem Punkt einzugreifen, deuten sich auf anderer Ebene kleine Verbesserungen für private Aktionäre an. So sollen Vorstand und Aufsichtsrat künftig stärker als bisher haften. Das sieht der Entwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vor, den Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am 19. Januar vorstellte. Mit dem Entwurf setzt das Ministerium einen weiteren Punkt aus dem 10-Punkte-Katalog der Bundesregierung um. In Kraft treten soll das UMAG voraussichtlich zum Jahresbeginn 2005. Der Wermutstropfen dabei: Es geht nur um die Innenhaftung, also um die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber der Gesellschaft. Aktionärsminderheiten soll es erleichtert werden, Klagen gegen die Organe der Gesellschaft durchzusetzen. Dazu wird das benötigte Minderheitsquorum auf 1 Prozent des Grundkapitals oder 100.000 Euro Börsenwert herabgesetzt. Bisher lagen die Schwellenwerte bei 10 Prozent des Grundkapitals oder Aktien im Nennwert von 1 Millionen Euro.

Eine direkte Haftung der Manager gegenüber den Aktionären soll mit dem UMAG allerdings nicht eingeführt werden. Kommt es tatsächlich aufgrund einer Klage zur Zahlung von Schadenersatz, geht das Geld an die Gesellschaft, nicht an die Aktionäre. Die Außenhaftung, also der direkte Schadenersatzanspruch von Aktionären gegen Vorstände oder Aufsichtsräte, bleibt somit weiter das Sorgenkind deutscher Aktionärsschützer. Wir fordern den Gesetzgeber auf, das Thema endlich aktiv anzugehen und die Organhaftung auszuweiten.