DSW-Dividendenuntersuchung 2008

Seit dem Börsencrash zu Beginn des Jahrzehnts hat die Dividende als verlässlicher Renditebestandteil und als Risikopuffer eine enorme Renaissance erlebt. Unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit schütten heute fast ausnahmslos alle Unternehmen aus dem so genannten Standardwertebereich eine Gewinnbeteiligung aus. Im DAX gibt es mit Infineon nur noch ein Unternehmen, das keine Dividende zahlt.

Teilnehmer:
Herr Ulrich Hocker
, Hauptgeschäftsführer
Herr Herbert Hansen, DSW-Dividendenexperte
Herr Marco Cabras, Pressesprecher


Es gilt das gesprochene Wort

„Gewinne an der Börse sind Schmerzensgeld“, sagte einst der legendäre Investor André Kostolany. Damit trifft er genau ins Schwarze. Denn wer Aktien kauft, wird Miteigentümer eines Unternehmens. Er kauft Anteile einer Aktiengesellschaft mit allen Chancen und Risiken, die damit zusammenhängen.

Auf lange Sicht hat sich zwar gezeigt, dass die Rendite, die man realistischerweise mit Aktien erzielen kann, das Risiko durchaus überwiegt. Zurückgerechnet bis in das Jahr 1948 kommen Anleger auf eine Kapitalverzinsung von 8,8 Prozent – pro Jahr wohlgemerkt. Damit ist die Aktie unter Renditegesichtspunkten sicherlich die Königin der Anlageformen.

Dennoch ist es geradezu eine Selbstverständlichkeit, dass Investoren neben den nicht planbaren Kursgewinnen auch eine verlässliche Art von Ertrag erhalten, die Dividende. Diese jährliche Gewinnausschüttung gehört seit vielen Jahren zu den Standards, die sich an allen Märkten der Welt etabliert haben, so auch in Deutschland.

Für Anleger, die entweder zum ersten Mal Börsenluft schnuppern, und deshalb sehr vorsichtig investieren aber auch für Investoren, die ihre Wertpapiere als Altersvorsorgeinstrument nutzen wollen, ist die Dividende ein unverzichtbares Hilfsmittel. Sie stellt Risiko und Chance in ein ausgewogenes Verhältnis.

Seit dem Börsencrash zu Beginn des Jahrzehnts hat die Dividende als verlässlicher Renditebestandteil und als Risikopuffer eine enorme Renaissance erlebt. Unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit schütten heute fast ausnahmslos alle Unternehmen aus dem so genannten Standardwertebereich eine Gewinnbeteiligung aus. Im DAX gibt es mit Infineon nur noch ein Unternehmen, das keine Dividende zahlt. Die 29 anderen Indexmitglieder geben ihre steigenden Gewinne selbstverständlich an ihre Anteilseigner weiter.

Ähnlich sieht es auch in den anderen Segmenten am deutschen Aktienmarkt aus: Insgesamt schütten die von uns untersuchten Gesellschaften für das Geschäftsjahr 2007 über 40 Milliarden Euro Dividende aus – das ist gegenüber dem Vorjahr noch einmal ein neuer Rekord. Doch bevor ich auf die wirklich erfreulichen Zahlen zu sprechen komme, lassen Sie mich einen kurzen Ausblick auf das wagen, was mit vielen Fragenzeichen versehen ist, die Zukunft der Dividende:

Denn mit der ablaufenden Saison endet die unbeschwerte Zeit für Dividenden-Jäger. Es sind gleich zwei Faktoren, die die Unsicherheit deutlich steigen lassen.

Einerseits zehrt die Finanzkrise an der konjunkturellen Lage und damit auch die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Glaubt man den Strategen der großen Banken, dann werden die Erträge deutscher Aktiengesellschaften in diesem Jahr nicht mehr so stark steigen, wie in den vergangenen Jahren. Analog dürften sich auch die Dividenden entwickeln. Die gesamtwirtschaftliche Lage wird die Ausschüttungsfreude der Unternehmen jedenfalls nicht gerade beflügeln.

Weitaus schwerer wiegt jedoch die unsägliche Abgeltungssteuer, die der Gesetzgeber beschlossen hat. Das neue Regelwerk führt dazu, dass die Dividenden, die nach Steuern übrig bleiben, ab 2009 deutlich geringer ausfallen.

Im Gegenzug fordern wir daher von den Unternehmen, dass sie ihre Dividendenzahlungen vor Steuern deutlich anheben, damit Anleger durch die Abgeltungssteuer nicht allzu stark geschädigt werden.

Möglich ist dies für viele deutsche Aktiengesellschaften durch die Entlastung, die ihnen die Unternehmenssteuerreform gebracht hat. Doch mehr dazu später.

Lassen Sie mich zunächst noch erklären, warum die Abgeltungssteuer insgesamt der Aktienkultur in Deutschland nicht gut tun wird. Am 1. Januar 2009 tritt das neue Regelwerk in Kraft, das ja eigentlich dazu dienen sollte, die Besteuerung von Kapitalerträgen zu vereinheitlichen und vor allem zu vereinfachen.

Doch erreicht hat der Gesetzgeber mit der Abgeltungssteuer genau das Gegenteil. Von einer Vereinfachung kann überhaupt keine Rede mehr sein. Stattdessen hat die Politik das Regelwerk mit derart vielen Ausnahmen ausgestattet, dass man mit Recht sagen kann: „Ziel verfehlt!“

Das allein wäre ja noch kein Drama, besitzt die Bundesrepublik ja ohnehin einen dichten Dschungel an mehr oder weniger guten und notwendigen Steuergesetzen. Ein weiteres Pflänzchen im Regeldickicht wäre da kaum aufgefallen.

Doch die Auswirkungen der neuen Abgeltungssteuer auf die Wertpapieranlagen der Bundesbürger und die Aktienkultur in Deutschland sind dramatisch. Die Liste der Grausamkeiten ist immens lang. Sie reicht von der Abschaffung der Spekulationsfrist bis zur Abkehr vom Nettoprinzip, also der Möglichkeit, Werbungskosten geltend zu machen. Damit verliert die Aktie als Instrument der privaten Altersvorsorge enorm an Attraktivität.

Und das, obwohl der Gesetzgeber jahrelang gefordert hat, dass die Bürger privat für ihren Lebensabend vorsorgen müssen, da die staatlichen Rentensysteme überbeansprucht seien. Und nun streicht der Bund die steuerlichen Vorteile für langfristige Anlagen und ist nicht einmal so gnädig, Investoren einen Inflationsausgleich zuzugestehen. Alles in allem dürfte damit die mögliche Rendite von Aktien auf 4-5 Prozent pro Jahr sinken.

Insbesondere für Dividendenjäger ist die Abgeltungssteuer eine Katastrophe. Die Steuerlast auf die Gewinnausschüttungen wird sich dramatisch erhöhen, weil das bislang gültige Halbeinkünfteverfahren ersatzlos gestrichen wird. Müssen Dividenden doch aktuell nicht voll, sondern nur hälftig besteuert werden. Denn beim Unternehmen hat der Fiskus mit der Körperschaftssteuer ja bereits seinen Anteil kassiert. Anschließend greift auch noch das Finanzamt beim Anleger zu – was de facto eine Doppelbesteuerung ist.

Bisher wurde dies durch das Halbeinkünfteverfahren abgemildert. Doch in Berlin sind alle Hemmungen gefallen. Dividenden werden ab 2009 gegenüber Zinseinkünften noch stärker diskriminiert. Denn Zinsen unterliegen ja keinerlei steuerlicher Vorbelastung. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Abgeltungssteuer bei Dividenden zur höchsten Steuererhöhung aller Zeiten führt. Denn Anleger, deren persönlicher Steuersatz bei 25 Prozent oder darunter liegt, müssen eine Verdopplung der Steuerlast hinnehmen.

 

Dividendenbesteuerung 2008: 

Dividendensumme:

1000,00 Euro

Davon steuerfrei:  500,00 Euro
Zu versteuern:  500,00 Euro
Steuern:   158,30 Euro

(pers. Steuerquote: 30% plus 5,5 % Soli)

Dividendenbesteuerung 2009:

Dividendensumme:

1000,00 Euro

Davon steuerfrei:     0,00 Euro
Zu versteuern:1000,00 Euro
Steuern:   263,75 Euro

(Abgeltungssteuer: 25% plus 5,5 % Soli)

Dass gerade Dividenden-starke Werte dadurch im kommenden Jahr deutlich an Attraktivität verlieren, ist vorgezeichnet.

Unser Appell geht daher in zwei Richtungen. Einerseits muss die Bundesregierung das Regelwerk nachbessern und mit Blick auf die Aktie als Instrument der Altersvorsorge die Steuerlast senken. Vorstellbar wäre ähnlich wie in Frankreich eine zeitliche Staffelung.

Andererseits fordern wir die Unternehmen auf, im nächsten Jahr mehr Geld an die Aktionäre auszuschütten. Möglich ist dies durch Einsparungen, die viele AGs durch die jüngste Unternehmenssteuerreform erzielt haben. So führt diese beispielsweise bei der Postbank zu einem um 9 Prozent gestiegenen Gewinn. Dieses Geld muss vollständig an die Aktionäre weitergereicht werden, um den Schaden durch die Abgeltungssteuer abzumildern.

So wünschenswert diese Anpassung auch wäre. Bisher ist das reine Zukunftsmusik. Fakt ist, dass die Dividendenzahlungen deutscher Aktiengesellschaften in diesem Jahr eine neue Blüte erleben. Für das Geschäftsjahr 2007 schütten die von uns untersuchen 1076 Unternehmen die neue Rekordsumme von 43,815 Milliarden Euro aus. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Dividendensumme damit noch einmal um 12 Prozent oder 4,77 Milliarden Euro erhöht.

Den größten Anteil an dieser Summe tragen natürlich die DAX30-Mitglieder. Aktuell stammen 29,723 Milliarden Euro von den Werten aus dem Leitbarometer. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahlungsbereitschaft der Blue Chips weiter verbessert. 29 Unternehmen zahlen Dividende. TUI hat nach einem Aussetzer im Vorjahr die Gewinnausschüttung jetzt wieder aufgenommen.

Neben dem bereits angesprochenen notwendigen Risikopuffer sorgt auch die veränderte Aktionärsstruktur der großen deutschen Unternehmen für steigende Ausschüttungen. Inzwischen haben internationale Investoren einen Anteil von über 50 Prozent an den DAX30-Firmen. Sie drängen auf höhere Dividendenzahlungen.

Mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von aktuell rund 3,6 Prozent liegt der DAX im guten europäischen Mittelfeld. Allerdings werden Anleger anderswo noch deutlich besser bedient. So kommen die Mitglieder aus Italiens ähnlich zusammengesetztem Leitindex MIB30 auf über 6 Prozent Dividendenrendite. Hier bleibt also noch Platz für Verbesserungen.

Und auch bei der Ausschüttungsquote liegen deutsche Standardwerte hinter dem internationalen Durchschnitt zurück. Rund 40 Prozent des Gewinns schütten die Blue Chips in diesem Jahr aus, in den beiden Vorjahren 2005 und 2006 (Geschäftsjahr) betrug die Quote 36 beziehungsweise 41 Prozent. Die DSW sieht hier durchaus noch Steigerungspotenzial. Wünschenswert wäre, dass die Ausschüttungsquote das international übliche und von der DSW seit langem geforderte Niveau von 50 Prozent erreicht.

Größter Zahler war einmal mehr die Deutsche Telekom, die insgesamt 3,4 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner überwies. In der Rangliste der größten Zahler folgen E.ON (2,6 Milliarden Euro), Allianz (2,5), Deutsche Bank (2,4) und Daimler (2,0).

Die erfreuliche Entwicklung im DAX ist aber leider nicht auf alle Aktiengesellschaften übertragbar. Stattdessen bleiben mehr als 75 Prozent der analysierten AGs ihren Anteilseignern eine Dividende schuldig. Nur jedes vierte Unternehmen schüttet einen Jahresbonus aus. Dies ist bedauerlich.

Nun aber zu den Einzelergebnissen unserer Dividendenuntersuchung 2008. Ich gebe das Wort an Herrn Herbert Hansen weiter, der die Untersuchung durchgeführt hat.
 
Vielen Dank, Herr Hocker,

meine Damen und Herren,

die Hauptversammlungssaison ist noch in vollem Gange. Dennoch konnten für das Geschäftsjahr 2007 insgesamt 1076 Gesellschaften in die Auswertung einbezogen werden. Aus den vier DAX-Indizes fehlen lediglich zwei Unternehmen des TecDax. Hinzu kommen 337 Mitglieder des Prime-Segmentes und 581 Firmen aus dem übrigen regulierten Markt.

Zusammen verfügen diese Unternehmen über ein Grundkapital von 75,13 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Gewinnausschüttung an die Aktionäre betrug 0,58 Euro je Anteilsschein im Nennwert von 1 Euro. Damit wurde der Vorjahreswert von 0,52 Euro noch einmal deutlich übertroffen.

Ausschlaggebend dafür war die gute allgemeine Gewinnentwicklung. Allerdings tragen die DAX30-Werte den Löwenanteil dieser Steigerung. 77 Prozent der Indexmitglieder haben ihre Dividende erneut erhöht. Drei Unternehmen zahlen einen Bonus in unveränderter Höhe. Nur zwei Gesellschaften kürzten ihren Jahresbonus. Bei RWE fiel eine Sonderausschüttung aus dem Vorjahr weg, bei Hypo Real Estate führten Sonderabschreibungen zur Dividendenkürzung.

Dieses positive Bild zieht sich leider nicht durch alle Indizes. Stattdessen ist bereits der Atem der Finanzkrise zu spüren. So haben für das Geschäftsjahr 2007 insgesamt 33 Unternehmen die Dividende senken müssen. Der bedeutendste Ausfall ergibt sich bei der Düsseldorfer IKB, wo im Vorjahr 292 Millionen Euro verteilt worden waren. Für 2007 gingen Aktionäre dagegen komplett leer aus.

Dass die Dividendensumme im MDAX gegenüber dem Vorjahr um knapp 3 Milliarden Euro gesunken ist, liegt allerdings an einem Sonderfaktor. Der Chemiekonzern Altana hatte sich im Geschäftsjahr 2006 von seinem Pharmabereich getrennt und den Erlös mittels Sonderdividende in Höhe von 3 Milliarden Euro ausgeschüttet. Diese Einmalzahlung gab es im Geschäftsjahr 2007 natürlich nicht mehr.

Eine unveränderte Gewinnausschüttung können 100 Unternehmen aufweisen, das entspricht 9,3 Prozent aller erfassten AGs. 10,4 Prozent der analysierten Firmen konnten die Dividende erneut erhöhen. Nicht immer ist dies allerdings auch wünschenswert gewesen, vor allem dann, wenn die Boni aus der Substanz gezahlt wurden. So schüttete der Medienkonzern ProsiebenSat.1 auf Druck seiner Großaktionäre KKR und Permira in diesem Jahr 270 Millionen Euro aus, obwohl der Überschuss nur 90 Millionen Euro betragen hatte.

Der Stellenwert der Dividende nimmt in den Nebenwerte-Segmenten deutlich ab. So überweist im Technologiebarometer TecDax insgesamt nur jedes zweite Unternehmen überhaupt eine Dividende. Gerade in diesem Wachstumssegment fehlt es den oft sehr jungen Firmen an Ertragskraft. Die Dividende ist hier eher ein symbolischer Akt. Das zeigt auch die Dividendenrendite, die mit 0,8 Prozent sehr niedrig ist.

In den anderen Segmenten Prime- und General Standard sind Jahresboni grundsätzlich eher eine Randerscheinung. Von den 918 Unternehmen aus diesen Segmenten können gerade mal 14,5 Prozent eine Zahlung aufweisen. Damit liegt die Ausfallquote hier mit 85,5 Prozent noch deutlich höher als im Durchschnitt unserer Untersuchung mit 75,9 Prozent.

Diese Zahl zeigt eine paradoxe Entwicklung am deutschen Aktienmarkt auf. Auf der einen Seite steigt vor allem dank der DAX-Tanker die Gesamtsumme aller Dividenden. Zugleich legt auch die Höhe der Dividende je Aktie weiter zu. Doch auf der anderen Seite sinkt die Quote der Unternehmen weiter, die eine Ausschüttung vornehmen.

Vor allem im langfristigen Vergleich hat sich das Verhältnis von Dividendenzahlern und Gesellschaften ohne Gewinnausschüttung völlig umgekehrt. Im Jahr 1970 schütteten von den 550 Gesellschaften 76 Prozent einen Gewinnanteil an die Aktionäre aus. Heute ist es bedauerlicherweise genau umgekehrt. Bei 76 Prozent der 1076 AGs gehen Anteilseigner zumindest was den Jahresbonus angeht, leer aus.