Klagen gegen Griechenland

Die DSW stellt Klagemöglichkeiten vor, mit denen sich Anleger gegen die Folgen des Zwangsumtauschs ihrer griechischen Staatsanleihen wehren können.

Teilnehmer seitens der DSW:
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer
Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer
Dr. Dirk Unrau, Landesgeschäftsführer Hamburg / Schleswig-Holstein
Jürgen Kurz, Pressesprecher


Es gilt das gesprochene Wort
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW

Meine Damen und Herren,

zunächst darf auch ich Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz begrüßen.

Heute wollen wir Ihnen die Klagemöglichkeiten vorstellen, mit denen sich Anleger gegen die Folgen des Zwangsumtauschs ihrer griechischen Staatsanleihen wehren können. Es hat – zugebenermaßen – etwas länger gedauert, bis wir Lösungen präsentieren konnten. Dabei sind zahlungsunfähige oder -unwillige Staaten alles andere als neu. Der erste dokumentierte Fall reicht bis ins Jahr 1340 zurück. Damals musste England nach dem ebenso teuren wie gescheiterten Versuch in Frankreich einzufallen, den Schuldendienst gegenüber den italienischen Bankiers einstellen, die den Feldzug finanziert hatten. In Florenz brachen daraufhin selbst große Finanzhäuser zusammen.

Am häufigsten schauten bisher übrigens die Gläubiger Spaniens in die Röhre. Immerhin 13 Mal erklärte das Land sich für zahlungsunfähig. Auch hier waren meist gescheiterte Eroberungszüge der Grund. Die Griechen hatten dagegen bis vor kurzem erst einen dokumentierten Staatsbankrott zu verzeichnen. 1893 brach die Wirtschaft des landwirtschaftlich geprägten Landes wegen des massiven Rückgangs des Weltmarktpreises für Korinthen zusammen – die Folge war eine Staatspleite.

Für den – zumindest bis vor der aktuellen Krise – größten Zahlungsausfall zeichnet Argentinien verantwortlich. Im Jahr 2002 stellte das Land den Schuldendienst ein. Mehr als 100 Milliarden Dollar Anleiheschulden waren betroffen.

Im Zusammenhang mit dem argentinischen Bankrott hat die DSW sich zum ersten Mal intensiv für die Interessen betroffener Privatanleger eingesetzt. Grund war die große Zahl deutscher Geschädigter. Der Erfolg: Erstmals in der langen Geschichte der Staatspleiten wurden Vertreter privater Anleger mit in die Umschuldungsverhandlungen einbezogen. Und erstmals in der Geschichte schnitten Privatanleger bei einem Schuldenschnitt besser ab als institutionelle Investoren.

Gerne wären wir im Fall Griechenland ähnlich verfahren. Doch zum einen gab es keinen offiziellen Staatsbankrott und zum anderen waren an den Verhandlungen lediglich die Politik sowie einige wenige Großbanken beteiligt. Das Ziel dieser Gespräche war zudem schnell klar: Die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands musste mit Blick auf den Euro um jeden Preis vermieden werden. Es galt also einen Weg zu finden, die Schuldenlast auf eine etwas weniger martialische Art zu reduzieren. Der freiwillige Forderungsverzicht war geboren.

Für die Privatanleger klang das zunächst ganz versöhnlich. Erweckte die Formulierung „freiwillig“ doch den Anschein, dass sie bei dem angekündigten Schuldenschnitt außen vor bleiben. Zudem gab die Politik immer wieder zu verstehen, dass Privatanleger nicht zwangsweise in ihren Rechten beschnitten werden könnten. So beruhigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Anleger ausdrücklich mit dem Hinweis, dass eine Beteiligung privater Gläubiger nicht vor 2013 und dann auch nur für neue Bonds gelten könnte. In einem CDU-Papier vom November 2011 wird betont, dass es keine Möglichkeit gebe, private Gläubiger zu einem Verzicht in Sachen Griechenland zu zwingen: Dies sei allein auf freiwilliger Basis möglich.

Im Dezember 2011 wurde dann aber dennoch langsam klar, dass das nicht der Fall sein wird. Auf einmal war von „Collective Action Clause“ die Rede. Diese Regelung ermöglicht es, die Bedingungen etlicher Anleihen mit Mehrheitsbeschluss zu ändern.

Nur wenn die Zustimmungsquote über 90 Prozent liege, würden diejenigen, die nicht „JA“ gesagt hatten, von der Umschuldung ausgenommen bleiben. Sollte das Ergebnis unter 90 Prozent liegen, drohte auf einmal ein Zwangsumtausch aller Anleihen. Dass es dann genauso kam, überrascht nicht.

Interessant dabei: Die Quote soll kurz vor Toresschluss durchaus über 90 Prozent gelegen haben. So wurde etwa in der ARD dazu ein hochrangiger griechischer Regierungsvertreter mit dem Satz zitiert: „Die Quote hat bereits eine Stunde vor Ablauf der Frist 95 Prozent betragen.“ Die Quote sank dann aber doch noch auf 86 Prozent – der „freiwillige Zwangsumtausch“ war damit beschlossene Sache.

Die Privatanleger hatten keine Chance, dieser Entscheidung zu widersprechen. Dabei waren sie weder an Verhandlungen beteiligt, noch hat Griechenland ihnen gegenüber je offiziell die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Hier wurde auf dem Altar der Eurorettung die Rechtssicherheit der Anleger geopfert – und ihr Geld.

Rechtlich gesehen, betreten wir heute Neuland. Einen „freiwilligen Zwangsverzicht“ gegenüber einem Staat hat es bisher noch nicht gegeben. Entsprechend aufwändig gestalteten sich die Prüfungen. Die Tatsache, dass zudem nicht nur deutsches, sondern auch griechisches und europäisches Recht zu prüfen war, hat hierzu ebenfalls seinen Beitrag geleistet.

Bevor ich nun das Wort an Herrn Hechtfischer gebe, noch kurz ein Wort zur Zielgruppe:

Uns geht es nicht darum, Spekulanten zu ihrem Geld zu verhelfen, die Griechenlandanleihen für niedrige Kurse in der Hoffnung eingesammelt haben, dass sie hier auf dem Rücken der Steuerzahler aus den Euro-Ländern ein schnelles Geschäft machen können.

Uns geht es vielmehr darum, Langfristanlegern zu ihrem Recht zu verhelfen. Anleger, die sich Griechenland-Anleihen als vermeintlich gut rentierliche Alternative mit überschaubarem Risiko ins Depot gelegt hatten. Oder auch denjenigen, die den Treueschwüren der Deutschen Kanzlerin Glauben schenkten und noch im April und Mai 2010 zu Kursen von rund 98 oder 99 die Papiere erwarben. So gab es Anfang Mai 2010 eine ganze Reihe Prominenter, die beispielsweise im Handelsblatt bekannten: Ich kaufe jetzt Griechenland-Anleihen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der DSW

Meine Damen und Herren,

die Anfang des Jahres von der DSW gegründete Arbeitsgemeinschaft Griechenlandanleihen – kurz AGA – hat sich seitdem auf juristischer, politischer und internationaler Ebene für die Interessen der betroffenen Anleger eingesetzt. Ursprung der Gründung von AGA war, dass uns Tausende von Anfragen betroffener Anleger aus ganz Europa erreicht haben.

Auf juristischer Ebene lautet das Ziel der AGA:
Über Muster– oder Gruppenklagen bzw. Klagemodelle den geschädigten Anlegern eine Möglichkeit zu eröffnen, zu attraktiven Konditionen und mit realistischen Chancen Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Gerne hätten wir eine Sammelklage organisiert. Doch leider gibt den Anlegern und damit auch uns das deutsche Recht das Instrument einer Sammelklage nicht an die Hand. Auch dieses Beispiel zeigt wieder, dass Deutschland hier regulatorischen Nachholbedarf hat. Das soll aber heute nicht Thema sein.

Zurück zur AGA:

Zusammen mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern und Anwälten aus ganz Europa hat die AGA in den vergangenen Monaten alle realistischer Weise in Betracht kommenden rechtlichen Möglichkeiten geprüft und sich nun konkret für einen Ansatz entschieden, den wir Ihnen im Folgenden vorstellen wollen.

Wir werden Ihnen dabei auch erläutern, weshalb wir uns für diesen Weg entschieden haben, welche Vorteile wir sehen und warum andere Ansätze zumindest vorerst zurückgestellt wurden, ohne diese jedoch aus den Augen zu verlieren.

Die AGA bevorzugt derzeit Schadenersatzklagen gegen den Staat Griechenland, die sowohl von Privatanlegern als auch von institutionellen Anlegern in Deutschland eingereicht werden können.

Privatanleger können sich hier auf einen Gerichtsstand berufen, der in Artikel 16, Abs. 1 der EuGVVO geregelt ist. Es handelt sich um die Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Artikel 16 EuGVVO stellt schlicht fest, dass die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner auch am Gericht des Ortes erhoben werden kann, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Die Juristen sind sich weitgehend einig, dass auch Wertpapierkäufer in diesem Zusammenhang als Verbraucher gelten, so dass jeder Anleger, der dem Zwangsumtausch nicht zugestimmt hat, am zuständigen Gericht seines Wohnsitzes eine Schadensersatzklage gegen Griechenland einreichen kann.

Was ist nun der Vorteil der AGA?

Gerade bei Klagen in Deutschland sind die Vorteile einer auch zahlenmäßig starken Gemeinschaft evident: Durch eine geschickte Bündelung mehrerer Klagen an den einzelnen Gerichten lassen sich je nach Konstruktion zwischen 50 und 80 Prozent der Anwaltskosten sparen, die anfallen würden, wenn ein Rechtsanwalt nur einen Kläger betreuen würde. Wie dies im Einzelnen aussieht und welche Bündelungen hier vorstellbar sind, wird Herr Dr. Unrau im Anschluss näher ausführen.

Von der Kosteneinsparung abgesehen, sind auch die übrigen Vorteile einer Klage in Deutschland nicht hoch genug einzuschätzen. Wir haben sicher keinerlei Anlass, an der Objektivität und der Funktionsfähigkeit der griechischen Justizbehörden zu zweifeln. Es macht aber schon einen Unterschied, ob ich das mich betreffende Verfahren von meinem Wohnort verfolgen kann oder ob ich darauf angewiesen bin, Einblick in Unterlagen im fernen Griechenland zu nehmen, die mir mein deutscher Korrespondenzanwalt erst dann zur Verfügung stellen kann, wenn die Übersetzung ins Deutsche vorliegt.

Auch aus einem weiteren Grund haben wir uns zunächst gegen Klagen in Griechenland entschieden: Einen in der Sache identischen Zahlungsanspruch kann man grundsätzlich nur vor einem Gericht geltend machen. Wer die Wahl hat, sollte sich hierbei für den Weg entscheiden, der ihm oder auch ihr bekannt ist. Unabhängig davon wird die AGA die in Griechenland bereits anhängigen Klagen über Kooperations-Anwälte intensiv beobachten und begleiten. Hier stehen wir in einem nahezu täglichen Austausch mit den befassten Anwälten

Das gilt so auch für Klagemöglichkeiten oder Schiedsverfahren, die sich aus dem Investitionsschutzabkommen vom 4. April 1963 zwischen der Bundesrepublik und Griechenland ergeben können. An diesem Ansatz ist am interessantesten, dass am Ende des Weges eine Staatshaftungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland stehen könnte. Hier wäre nicht nur eine Klage in Deutschland möglich, sie würde sich auch gegen eine Adresse richten, die zahlungsfähig ist.

Damit bin ich mit meinem Beitrag am Ende und übergebe das Wort an Dr. Unrau, der noch einiges zu den juristischen Feinheiten und zur Kostenfrage sagen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Dr. Dirk Unrau, Landesgeschäftsführer Hamburg / Schleswig-Holstein der DSW

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den letzten Monaten haben wir uns mit vielen Rechtsanwälten im DSW-Netzwerk ausführlich mit den Ansprüchen von Anlegern befasst, die in griechische Staatsanleihen investiert und dem Zwangsumtausch nicht zugestimmt haben. Wie Herr Tüngler bereits festgestellt hat, haben wir damit im Wesentlichen rechtliches Neuland betreten, da es eine derartige Konstellation in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat. Auch Argentinien konnte nicht als Blaupause herhalten.

Zusammenfassend kann man sagen:

Wir sind der Auffassung, dass den Anlegern trotz des Zwangsumtausches nach wie vor ihre Zahlungsansprüche aus den ursprünglich gezeichneten Staatsanleihen auf Rückzahlung des eingezahlten Kapitals zustehen.

Und diese Ansprüche können von den Betroffenen in Deutschland am Gerichtsstand ihres Wohnsitzes oder – etwa bei institutionellen Investoren – ihres Unternehmenssitzes geltend gemacht werden. Für diejenigen Anleger, die als Verbraucher einzustufen sind, ergibt sich der deutsche Gerichtsstand aus Art. 15, 16 EuGVVO. Für die institutionellen Anleger können die deutschen Gerichte unter Berücksichtigung der Annahme einer unerlaubten Handlung nach Art. 5 Ziff. 3 EuGVVO angerufen werden. Zwar wären die Klagen auch in Griechenland zulässig. Doch das bringt aus unserer Sicht vor allem Nachteile mit sich, die Herr Hechtfischer ja bereits dargestellt hat

Der griechische Staat hat bekanntlich entschieden, dass die privaten Gläubiger auf 53,5 Prozent des Nennwertes der von ihnen gezeichneten Staatsanleihen verzichten. Für die restlichen 46,5 Prozent des Nennwertes erhielten die Gläubiger eine Vielzahl neuer Staatsanleihen, Schuldscheinen sowie einen Besserungsschein. Wirtschaftlich war dies für die Anleger äußerst nachteilig, da insbesondere die neuen Staatsanleihen eine Laufzeit von 10 bis 30 Jahren haben. Darüber hinaus sind auch die Zinsen sowie die übrigen Bedingungen für die Anleger im Wesentlichen unakzeptabel.

Nach unserer Beurteilung verstößt die Vorgehensweise des griechischen Staates gegen Völkerrecht, Europarecht, bilaterales Recht sowie nationales Verfassungsrecht und damit auch gegen den ordre public im Sinne des Paragraphen 6 EGBGB. Die Weigerung Griechenlands, die Staatsanleihen vollständig zurückzuzahlen, stellt zudem eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Anlegers im Sinne des Paragraphen 826 BGB dar und erfüllt damit den Tatbestand einer unerlaubten Handlung.

Die vorgenommene Umschuldung ist ferner als rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriff einzustufen. Für die Wirksamkeit eines solchen Aktes ist sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht grundsätzlich eine Entschädigung vorzusehen. Daran fehlt es hier schlichtweg.

Die Zusammenfassung der Klagen in der AGA reduziert das Prozessrisiko unter Berücksichtigung der Vorgaben des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Anleger können unter Berücksichtigung des nahezu identischen Streitgegenstandes bei subjektiver Klagehäufung oder der Begründung von Rechtsverfolgungsgemeinschaften auf Klägerseite zusammengefasst werden. Hinsichtlich der auf Klägerseite anfallenden Rechtsanwaltsgebühren können sich Ersparnisse bis zu 80 Prozent ergeben.

Weitere Einzelheiten können gern im persönlichen Gespräch erörtert werden. Darüber hinaus stehe ich Ihnen für ergänzende Informationen selbstverständlich gerne zur Verfügung.


Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW

Meine Damen und Herren,

was die Kostenvorteile bei den Klagen angeht, möchte ich noch hinzufügen, dass wir die kritische Größe in den meisten Großstädten im Rahmen der AGA bereits jetzt darstellen können. Für die anderen Standorte heißt es: Je mehr sich anschließen, desto preisgünstiger wird es für den einzelnen.

Neben der Möglichkeit, Schadenersatz einzuklagen, gibt es aber noch ein anderes, sehr aktuelles Ärgernis für die Besitzer von Griechenlandanleihen, auf das ich kurz eingehen möchte: Die steuerliche Behandlung der gerade fällig gewordenen ESFS-Papiere.

Die neuen Anleihen werden von den Steuerbehörden als Finanzinnovation gewertet. Nun wird in solchen Fällen in der Regel einfach die Differenz zwischen Einstandspreis und Verkaufskurs besteuert – so sie denn positiv ausfällt. Bei den griechischen Anleihen gab es allerdings keinen Kaufkurs. Genau hier fängt das Dilemma an. Während etliche Banken den ersten Kurs als Einstandspreis werten, und sich damit entsprechend einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem März verhalten, gibt es immer wieder auch Institute, die einen Einstandskurs von „Null Euro“ angeben. Für die betroffenen Anleger bedeutet das, dass der volle Verkaufspreis steuerpflichtig ist.

Wir können nur an die Banken appellieren, die ihren Kunden diese „Null-Lösung“ zumuten, endlich damit aufzuhören und den ersten Kurs als Einstandspreis zu übernehmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.