Der Volkswagen-Fall

 

 

Es gilt das gesprochene Wort

Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer

 

Meine Damen und Herren,

ich darf Sie herzlich zu unserem Pressegespräch zum Thema „Der Fall Volkswagen“ begrüßen. Wir wollen Sie heute kurz auf den aktuellen Stand bringen und das weitere Vorgehen schildern. Ebenfalls begrüßen möchte ich Herrn Daniel Vos, Partner der Kanzlei MüllerSeidelVos und natürlich Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW und Vorstand der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft Nieding+Barth, dem ich ganz herzlich dafür danke, dass wir heute bei ihm zu Gast sein dürfen.

Die beiden Kanzleien kooperieren im Volkswagen-Fall und vertreten gemeinsam eine der größten Klägerplattformen.

Uns geht es heute um zwei Hauptthemen:

Das eine ist die Transparenz für die VW-Aktionäre – oder besser der fehlende Wille zur Transparenz bei der Volkswagen AG.

Das andere ist die Haftung der Volkswagen AG für eine mögliche Verletzung der Adhoc-Mitteilungspflicht durch den Autokonzern im Zusammenhang mit dem Einsatz der Manipulationssoftware in Dieselfahrzeugen des Volkswagenkonzerns.

In beiden Themenfeldern ist die DSW für betroffene Anleger aktiv. Und in beiden Themenfeldern scheint Volkswagen sich entschieden zu haben, die Wolfsburger Wagenburg möglichst hermetisch abzuriegeln und ansonsten auf Zeit zu spielen.

Doch bevor ich zu diesen beiden Hauptthemen komme, würde ich gerne die Gelegenheit nutzen, etwas zu den aktuellen Vorkommnissen zu sagen. Hier wurden wir bzw. die betroffenen Anteilseigner und Kunden in den letzten Tagen leider erneut negativ überrascht.

Die deutschen Autobauer kommen einfach nicht zur Ruhe. Nach dem Diesel- bzw. Abgasskandal und dem LKW-Kartellverfahren mit Milliardenstrafen steht seit kurzem der Vorwurf im Raum, dass fünf der großen deutschen Autohersteller sich heimlich abgesprochen haben, unter anderem in Sachen Abgasreinigung für Diesel. Offenbar liegen ja bereits entsprechende Selbstanzeigen vor.

Wir fragen uns: Wenn es diese Selbstanzeigen gibt, warum wurde dann nicht ad hocgemeldet? Warum steht dazu nichts in den Geschäftsberichten? Wir müssen ernsthaft die Frage stellen, ob die Aktionäre und damit die Eigentümer korrekt und umfänglich informiert wurden, wie es das Kapitalmarktrecht vorsieht.

Eines scheint allerdings festzustehen: Am Ende werden die Aktionäre die Zeche zahlen müssen. Die Anteilseigner stehen in Deutschland in solchen Fällen immer ganz am Ende der Nahrungskette. Die zu erwartenden Straf- und Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe bleiben bei ihnen hängen, statt bei den Managern, die die Entscheidungen getroffen haben.

Daimler-, VW- oder BMW-Aktionäre wollten keine Manipulationen oder Absprachen zu Lasten der Kunden, der Zulieferer und der Umwelt. Aber sie sind die Leittragenden, da aus ihren Portemonnaies die möglichen, drohenden Strafen und Ersatzzahlungen erfolgen.

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, werden wir alle juristischen Register ziehen, um die Anteilseigner zu unterstützen.

Doch jetzt wieder zurück zum „alten“ VW-Fall, der ja schon einige Entwicklungsschritte weiter ist.

Wie Sie sicher wissen, haben wir auf der VW-Hauptversammlung 2016 einen Antrag auf Sonderprüfung gestellt. Unser Ziel war es, den gesamten Komplex rund um die manipulierte Software von einem externen Prüfer unter die Lupe nehmen zu lassen. Nachdem der Antrag – wie aufgrund der allseits bekannten Mehrheitsverhältnisse bei der Volkswagen AG nicht anders zu erwarten – auf der Hauptversammlung keine Mehrheit gefunden hat, haben wir den Weg der gerichtlichen Bestellung eingeschlagen.

Die Klärung der offenen Fragen ist für die Aktionäre von großer Bedeutung: Sollten etwa die Rückstellungen für Strafzahlungen oder mögliche zivilrechtliche Ansprüche zu niedrig sein, hätte das gravierenden Einfluss auf das Ergebnis. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Kontrollmechanismen des Autokonzerns mittlerweile so justiert sind, dass eine Wiederholung unmöglich ist. Auf Information aus dem Unternehmen selbst warten die Anteilseigner, zumindest die, die nicht zum erlauchten Kreis der Großaktionäre gehören, bisher leider vergebens. Und daran wird sich wohl auch in den kommenden Monaten nichts ändern.

Man muss sich nur einmal klar machen, dass das Unternehmen mit seinem bisherigen Verhalten die eigenen Aktionäre zur Klage geradezu zwingt. Den Anteilseignern wird somit keine andere Wahl gelassen, als sozusagen gegen sich selbst zu klagen. Hier ist aus unserer Sicht der Gesetzgeber gefordert:

Wir brauchen endlich eine direkte Haftung des Vorstands gegenüber den Aktionären. Dann würde in solchen Fällen die Perversion der Klage gegen das eigene Unternehmen der Vergangenheit angehören.

Auch fordern wir härtere Strafen gegen die handelnden Personen bzw. überhaupt die Androhung spürbarer Sanktionen in zivil- und auch strafrechtlicher Hinsicht. Regeln und Gesetze haben wir ja bereits genug. Wir müssen uns aber die Frage stellen, ob wir die richtigen Regeln haben, deren präventive Wirkung auch tatsächlich ausreicht.

Auf den aktuellen Stand des Verfahrens, wird Klaus Nieding, dessen Kanzlei für uns in diesem Fall aktiv ist, gleich noch im Detail eingehen.

Doch die Transparenz ist eben nur die eine Facette des Problems.

Die andere ist der massive Kursverlust in Folge des Bekanntwerdens des Einsatzes der Manipulationssoftware. Die VW-Vorzugsaktie brach Mitte September 2015 von über 165 Euro auf gut 92 Euro ein. Bei der Stückaktie sah es nur wenig besser aus. Auslöser war die Adhoc-Mitteilung des Unternehmens vom 18. September 2015, in der der Einsatz der Betrugssoftware offiziell bestätigt wurde. Ich muss in diesem Kreis nicht besonders betonen, dass wir von einer Verletzung der Adhoc-Meldepflicht durch die Volkswagen AG ausgehen. Und wer sich allein die bisher bekannt gewordenen Informationen und Zeitabläufe ansieht, wird schwerlich zu einer anderen Einschätzung kommen.

Doch was können betroffene Anleger nun noch tun? Wie schnell müssen sie agieren und – ebenfalls sicher nicht unwichtig – was kostet es?

Nachdem das Oberlandesgericht Braunschweig am 8. März entschieden hat, das VW-Verfahren als Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zuzulassen, haben diejenigen Aktionäre, die bisher noch nicht aktiv geworden sind, noch genau bis zum 8. September Zeit, sich dem KapMuG-Verfahren per Antrag anzuschließen. Es ist also 5 vor 12.

Der Gesetzgeber hat hier bewusst ein sechsmonatiges Zeitfenster geöffnet, um es Betroffenen zu ermöglichen, ihre Entscheidung auf einer möglichst breiten Informationsbasis zu treffen. Auch wenn gerade zu Beginn sehr viel über Fristen diskutiert und spekuliert wurde ist eins jetzt klar:

Diese Frist ist unumstößlich. Wer bis zum 8. September 2017 nicht dabei ist, hat später definitiv keine Möglichkeit mehr, dem Musterverfahren beizutreten.

Und da eine Anmeldung nur mit anwaltlicher Unterstützung möglich ist, sollte man möglichst nicht bis kurz vor Ablauf der Frist warten. Ansonsten läuft man Gefahr, kurz vor dem Ziel gestoppt zu werden. Schließlich brauchen auch die Kanzleien etwas Zeit, um die Unterlagen entsprechend aufzubereiten.

Unser Rat an geschädigte Anleger lautet daher: Nutzen Sie die Chance und schließen Sie sich dem KapMuG-Verfahren per Antrag an.

Zusätzlich macht es aus Sicht der DSW auch durchaus Sinn, sich der nach holländischem Recht organisierten Stiftung, der Stichting Volkswagen Investors Claim, anzuschließen. Ziel dieser Stiftung ist es, einen umfassenden Vergleich mit Volkswagen zu schließen, der so nach deutschem Recht nicht möglich wäre.

Das Schöne dabei: Der Beitritt ist kostenlos.

Der Haken ist allerdings: Der Beitritt zur Stiftung hemmt die Verjährung nicht.

Wer also an einem irgendwie denkbaren Ergebnis über die Stiftungslösung partizipieren möchte, wird dies nur, wenn er jetzt zunächst seine Ansprüche sichert und über das KapMuG-Verfahren Schutz sucht.

Diese Relation zwischen dem KapMuG-Verfahren in Deutschland und der Stiftung in den Niederlanden wird oftmals von den Betroffenen nicht richtig abgegrenzt.

In der Causa Volkswagen wird es für die betroffenen Aktionäre insofern kein "Dulde und Liquidiere“ geben.

Nur wer jetzt aktiv wird, wird von den Erkenntnissen dieses KapMuG-Verfahrens – eben über den vom Gesetzgeber bewusst eröffneten Seiteneinstieg – und auch von möglichen Vergleichen profitieren können.

Ich übergebe nun das Wort an die beiden Kollegen für weitere und tiefere Einblicke in den aktuellen Stand der Verfahren.

Vielen Dank.