Dividendenstudie 2020

Firmen sichern Liquidität: Corona-Krise sorgt für zweistelliges Dividenden-Minus bei deutschen Aktien

• Ausschüttungssumme in DAX, MDAX und SDAX sinkt selbst in einem „Best Case“-Szenario um 14 Prozent auf gut 44 Milliarden Euro.

• Sogar Unternehmen, die während der Finanzkrise kontinuierlich gezahlt hatten, streichen wegen des virusbedingten Schockfrosts die Dividende.

• Längerer Lockdown könnte weitere Einbußen bringen, vor allem bei Konsum- und Industrie-Werten – Ausschüttungen der Versicherer und Versorger sowie im Technologie- und Gesundheits-Sektor scheinen zunächst gesichert.

Die Corona-Krise schlägt mit voller Wucht auf die Dividendensaison durch: Selbst in einem „Best Case“-Szenario werden die 160 in den Auswahl-Indices DAX, MDAX und SDAX enthaltenen deutschen Aktiengesellschaften 2020 nur gut 44 Milliarden Euro an ihre Aktionäre überweisen – das sind rund 14 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Das zeigt die aktuelle Dividendenstudie, die heute von der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) und dem isf Institute for Strategic Finance an der FOM Hochschule veröffentlicht wurde. „Je nachdem, wie lange der virusbedingte Schockfrost der Wirtschaft anhält, könnte das Ausschüttungsvolumen aber auch noch deutlich niedriger ausfallen“, heißt es in der Studie, die mittlerweile in elfter Auflage vorliegt.

Die vom Berliner Investor und Autor Christian W. Röhl erstellte Studie basiert auf den per 31. März 2020 vorliegenden Ankündigungen und Gewinnverwendungsvorschlägen der Unternehmen. Dabei ist vielfach nicht klar, wann und wie die Ausschüttungen beschlossen und gezahlt werden: „Diverse für April/Mai terminierte Hauptversammlungen wurden mittlerweile abgesagt. Und inwieweit Firmen von der gerade geschaffenen Sonderregelung Gebrauch machen, einen Dividendenabschlag auch ohne HV-Beschluss auszuschütten, lässt sich in der Breite noch nicht abschätzen“, erklärt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Immerhin gehe die Bayer AG mit gutem Beispiel voran: Das Unternehmen will an der angekündigten Dividende für das Geschäftsjahr 2019 festhalten. „Daran sollten sich zumindest die Gesellschaften ein Beispiel nehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells oder ihrer Liquiditätslage nicht Gefahr laufen, wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage zu kommen“, so Tüngler.

Hinzu kommt ein klassischer Zielkonflikt: „Dividenden sind zunächst mal vergangenheitsgerichtet, nämlich die Beteiligung der Aktionäre an den im Vorjahr erwirtschafteten Gewinnen“, führt isf-Direktor Eric Frère aus. „In der aktuellen Extremsituation, die historisch ohne Beispiel ist, hat jedoch die Sicherung der Liquidität zunächst Vorrang.“ Vor diesem Hintergrund verwundere es nicht, dass der Anteil der Unternehmen, die trotz eines Bilanzgewinns nicht ausschütten, mit knapp einem Fünftel sogar noch höher ausfällt als 2008. Nicht zu unterschätzen sei auch die politische Brisanz, ergänzt Tüngler: „Jetzt üppige Dividenden auszuschütten und später gegebenenfalls nach dem Staat zu rufen, das passt nicht zusammen.“

Wie ernst die Vorstände die Lage einschätzen, zeigen die Ausfälle bei einigen Firmen mit langer Dividenden-Tradition. Sixt überweist erstmals seit dem Börsengang 1986 nur die Mindestdividende auf Vorzugsaktien. Beim Optik-Filialisten Fielmann endet ein Track Record von 14 Anhebungen in Folge und auch Fraport, MTU Aero Engines oder die Deutsche Euroshop hatten selbst in den Krisenjahren 2008-2010 kontinuierlich gezahlt. „Aber nicht einmal die vermeintlich epochale Finanzkrise taugt als Blaupause für das, was momentan passiert“, resümiert Frère.

Gleichwohl stehen nicht alle Rückgänge im Zusammenhang mit der Corona-Krise. „Die Kürzungen bei Daimler und BMW oder die Ausfälle bei ThyssenKrupp und der Deutschen Bank resultieren aus strukturellen Defiziten und konjunkturellen Bremsspuren, auf die wir bereits im vergangenen Jahr aufmerksam gemacht hatten“, stellt Tüngler fest. Parallel überzeugen ausgerechnet frühere Sorgenkinder: E.ON und RWE heben die Ausschüttung an und überraschen mit positivem Ausblick.

Zumindest für den Moment weitgehend abgesichert erscheint auch die Anhebung bei der Allianz, die mit rund 4 Milliarden Euro fast ein Zehntel der Dividendensumme aller Index-Firmen überweisen will. Die Rückversicherer aus München und Hannover dürften ebenfalls wie angekündigt ausschütten, genauso wie der Technologie- und Gesundheits-Sektor. Risiken sieht die Studie dagegen bei zyklischen Konsum- und Industrie-Werten.

Wie in den Vorjahren untersucht die Studie daneben auch die Wertentwicklung von Investment-Strategien mit Dividenden-Fokus. „Immer wieder haben wir darauf hingewiesen, dass Dividende nicht der neue Zins ist“, erinnert Frère und fühlt sich bestätigt: „Einerseits sind die Dividenden deutlich rückläufig, andererseits haben sogar Aktien von Unternehmen mit hoher historischer Ausschüttungsqualität in den letzten Wochen ähnliche Kursverluste zu verzeichnen gehabt wie der Gesamtmarkt.“

Die vollständige Studie finden Sie hier: Dividendenstudie 2020