Quellensteuer - Probleme und Lösungen für Privatanleger

Teilnehmer:

Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer

Thomas Rappold, Co-Founder und CEO Divizend

Christiane Hölz, Geschäftsführerin der DSW

Erik Bethkenhagen, DSW-Pressesprecher

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

(Redner: Marc Tüngler)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zu unserer gemeinsamen Pressekonferenz mit Divizend zur Quellensteuer und deren leichtere Erstattung. Die Besteuerung ausländischer Kapitalgewinne ist für deutsche Anleger leider ja ein höchst ärgerlicher Dauerbrenner. Wir haben Sie heute eingeladen, weil wir zumindest Licht am Ende des Tunnels sehen, und die vermeintlich niemals endende Geschichte mit dem Start-up Divizend nun doch zu einem aus Anlegersicht schönen Happyend führen kann. Auch wenn die Politik ihre Hausaufgaben in Sachen Quellensteuer nach wie vor nicht erledigt hat.

Wir streben, auch und gerade am Kapitalmarkt, eigentlich ein stärkeres Zusammenwachsen innerhalb der Europäischen Union an. Grenzen sollen und sollten für Anleger keine oder zumindest kaum eine Rolle spielen. Leider hinkt die praktische politische Umsetzung den hehren Ansprüchen und politischen Postulaten in vielen Punkten hinterher. Ein frappierendes Beispiel für diesen Missstand ist die Erhebung der Quellensteuer für Anleger.

Wer sein Portfolio international ausrichtet, für den lohnt sich nämlich nach wie vor in Sachen Dividende ein Invest nur dann, wenn er beim Kauf ausländischer Aktien die steuerliche Seite nicht außer Acht lässt. Bei Gewinnausschüttungen von Gesellschaften mit Sitz im Ausland bekommen es Anleger nämlich in der Regel gleich mit zwei Finanzbehörden mit gänzlich unterschiedlichen Regeln und Normen zu tun. 

Zunächst behält der Fiskus des jeweiligen Heimatlandes des Unternehmens einen Teil der Dividende direkt als Quellensteuer ein. Nur der mehr oder weniger kümmerliche Rest wird an die ausländischen Investoren überwiesen. Da die deutschen Depotbanken im Ausland einbehaltene Quellensteuer wegen der Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel nur bis zur Höhe von 15 Prozent auf die Abgeltungsteuer anrechnen dürfen, sind Anleger gezwungen, sich die Quellensteuer, die diesen Prozentsatz übersteigt, vom ausländischen Fiskus zurückzuholen. 

Das ist allerdings meist schwierig und langwierig. Anleger hierzulande scheuen deshalb oftmals eine Investition in Unternehmen im Ausland. Das hat fatale Folgen für das Risikoprofil und auch die Rendite der Portfolios. Das Risiko ist im Verhältnis zur möglichen Rendite schlicht zu hoch, die Auswahl reduziert und damit die Möglichkeiten beschränkt.

Zudem wirkt die Doppelbesteuerung in der Folge als Bremse für die von der EU und der Bundesregierung gewünschte europäische Kapitalmarktunion.

Vor allem aber verschenken Anleger buchstäblich jedes Jahr Milliarden an den Fiskus! Insgesamt schätzen wir diesen Betrag über die letzten 4 Jahre auf um die 5 Milliarden Euro allein für deutsche Anleger, die ihre Quellensteuererstattung nicht vorgenommen haben.

Daran ändern auch die so genannten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nichts, die Deutschland mit nahezu allen wichtigen Staaten abgeschlossen hat. Diese bilateralen Verträge sollen zwar verhindern, dass ein Steuerbürger für die gleiche Einnahme von mehreren Ländern zur Kasse gebeten wird. Bei den Dividenden klappt das aber nicht wirklich reibungslos.

Keine Schwierigkeiten gibt es, wenn die erhobene Quellensteuer und der laut DBA auf die deutsche Einkommensteuer anrechenbare Teil gleich hoch sind. So ist es beispielsweise in den Niederlanden. 15 Prozent behält der niederländische Staat ein. 15 Prozent sind bei der deutschen Einkommensteuer zu berücksichtigen. Ein aufwändiger Antrag auf Rückerstattung direkt bei der niederländischen Finanzverwaltung entfällt damit. Leider halten sich aber die wenigsten Länder an die in den Abkommen vereinbarte Schwelle von 15 Prozent. Die Regel ist vielmehr, dass die Quellensteuer deutlich höher ausfällt. Die einbehaltenen Sätze sind dabei sehr unterschiedlich. Die Finnen oder die Schweizer Eidgenossen kassieren 35 Prozent, die Schweden behalten 30 Prozent der Ausschüttung, die Österreicher 27,5 Prozent. 

Für die Anleger bedeutet das, dass sie sich direkt an die Finanzverwaltung der jeweiligen Staaten wenden müssen, um den Teil erstattet zu bekommen, der über die 15 Prozent hinausgeht. Genau hier liegt das Problem. Jedes Land geht mit dem Thema anders um. Während einige sich dabei als sehr anlegerfreundlich und unkompliziert zeigen, werfen andere den betroffenen Aktionären auf ihrem Weg zum Geld so viele Knüppel zwischen die Beine wie möglich. Der Gedanke, dies habe Methode, liegt nahe. Bleibt doch alles, was nicht erstattet werden muss, im eigenen Staatssäckel.

Umso erfreulicher ist es, dass es nun mit Divizend ein Start-up gibt, dass einen einfachen, praktikablen und für wirklich jeden Anleger geeigneten sowie wirtschaftlich sinnvollen Lösungsweg durch den Steuer-Dschungel gibt. Ich freue mich, dass Herr Rappold uns und Ihnen im Folgenden seine Lösung vorstellen wird.

 

(Redner: Thomas Rappold)

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

seit mehr als 20 Jahren fordert die EU einen barrierefreien Zugang zu ausländischen Kapitalmärkten, inklusive eines einheitlichen Wegs zur Rückerstattung von Quellensteuern auf Auslandsdividenden. Neue technische Möglichkeiten wie Open Banking, PSD2 und die Digitalisierung von Steuerbehörden im Rahmen von eGovernment-Initiativen bieten die Voraussetzung für neue digitale Lösungsansätze. Auf dieser Basis hat das FinTech Divizend aufgesetzt und schafft damit eine neuartige Plattform zur digitalen Rückerstattung ausländischer Quellensteuern.

In Zeiten von expansiver Geldpolitik, Niedrigzinsen und hoher Inflation gewinnen Wertpapieranlagen in Dividendenwerten an Bedeutung. Studien zeigen, dass Dividenden in der Regel rund 50 % zur Gesamtwertentwicklung beiträgt und dass Unternehmen, die nachhaltige und steigende Dividenden zahlen auch eine deutlich bessere Wertentwicklung zeigen als Unternehmen, die keine oder unregelmäßige Dividenden ausschütten. Entsprechend liegt es auf der Hand, dass sich eine stets zunehmende Zahl von deutschen Privatanlegern dem Anlagemarkt widmet. Laut aktuellen Daten des Deutschen Aktieninstituts gab es allein in Deutschland zwischen 2019 und 2020 knapp drei Millionen Neuanleger. Insgesamt stieg die Anzahl der Aktienbesitzer mit 12,4 Millionen damit auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Divizend geht davon aus, dass 70 bis 80 % der deutschen Privatanleger über Dividendenaktien verfügt, was zu einer Zielgruppe von etwa 10 Millionen Anlegern führt.

Phänomen Home Bias

Doch Anleger lassen sich hohe Renditen entgehen. Der Grund: Sie investieren am liebsten in heimische Aktien. Dieser Home Bias schadet der Rendite ihres Portfolios. Nach aktuellen Studien flossen beispielsweise 48 Prozent der zwischen 2016 und 2021 getätigten Aktieninvestments von deutschen Anlegern in Beteiligungen an deutsche Unternehmen – und das, obwohl ausländische Aktien deutscher Privatanleger in dieser Zeit eine drei Mal höhere Kursrendite erwirtschaftet haben. Die Folge: Anleger verschenkten durch diesen Home Bias seit 2016 über 100 Milliarden Euro an Kursrendite. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des digitalen Vermögensverwalters Whitebox.

Ein wichtiger Aspekt, der zu diesem Home Bias führt, sind steuerliche Gegebenheiten, da Auslandsdividenden von vornherein häufig steuerlich benachteiligt werden. Dabei sollten Anleger ja eigentlich die Möglichkeit haben, international die besten Aktien in einem Sektor auszuwählen, ohne durch steuerliche Gegebenheiten bspw. nur auf deutsche Aktien eingeschränkt zu werden.

Folie 2: Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Um dem Problem der Doppelbesteuerung zu entgehen und eine gerechte Lösung auch für ausländische Anleger zu etablieren, hat sich der Großteil der Staaten weltweit auf gemeinsame Doppelbesteuerungsabkommen geeinigt. Dabei handelt es sich um bilaterale Verträge zwischen jeweils zwei Staaten, welche klar festlegen, welcher Steuersatz auf Kapitalerträge dem Quellenland tatsächlich zusteht. In einem Doppelbesteuerungsabkommen einigen sich die Staaten i. d. R. darauf, dass 15 %-Punkte der Quellensteuer auf die Abgeltungsteuer des Ansässigkeitsstaats angerechnet werden. Die Differenz zwischen den angerechneten 15 %-Punkten und der eigentlichen Quellensteuer kann daraufhin vom ausländischen Kapitalanleger aus diesem Land zurückgefordert werden.

Beispiel: Sie investieren aus Deutschland heraus in den schweizerischen Nahrungsmittelkonzern Nestlé und erhalten eine Dividende i. H. v. 1.000 CHF. Von diesen 1.000 CHF wird eine Quellensteuer von 35 %, entsprechend 350 CHF, von der Eidgenössischen Steuerverwaltung einbehalten. Da sich die Schweiz und Deutschland auf ein DBA geeinigt haben, werden 15 %-Punkte der Quellensteuer an die Abgeltungsteuer angerechnet und die restlichen 20 % (200 CHF) können Sie sich als deutscher Anleger rückerstatten lassen.

Folie 3 und 4: Marktgröße

Basierend auf einer Studie der globalen Vermögensverwaltungsgesellschaft Janus Henderson hat der globale Dividendenmarkt ein Volumen von aktuell 1,5 Billionen USD jährlich, mit Wachstumsraten von 5-10 % p.a. Etwa 100 Milliarden USD dieser Dividenden werden mittels Quellensteuern einbehalten, wovon inzwischen allerdings etwa 20 Milliarden USD nicht zurückgefordert werden.

Noch mal prägnanter: “Deutsche verschenken rund 5 Milliarden Euro an nicht rückerstatteter Quellensteuer. Jährlich kommen mehr als 1 Milliarde Euro dazu.”

Doch warum ist das so?

Folien 5 und 6: Bisherige Schwierigkeiten bei der Rückforderung von Quellensteuer

Dies liegt einerseits darin begründet, dass vielen Investoren, insbesondere Privatanlegern, gar nicht bewusst ist, dass sie sich Quellensteuern rückerstatten lassen können. Andererseits sind die Anträge zur Rückerstattung selbst meist unübersichtlich gestaltet, besitzen keine einheitliche Struktur und sind oftmals nur in der jeweiligen Landessprache verfügbar, wodurch das Ausfüllen zu einem langwierigen und fehleranfälligen Vorhaben wird, das zumeist steuerliches Spezialwissen erfordert. Doch  nicht nur Anleger, auch viele Steuerberater scheuen sich vor dieser Thematik und suchen nach digitaler Unterstützung.

Entstehung von Divizend

Mit genau diesem Problem waren auch die Gründer von Divizend konfrontiert. Thomas Rappold als langjähriger Investor, Autor von Bestsellern wie “Silicon Valley Investing” und bekannter Finanzjournalist fand es nachvollziehbarerweise absurd, dass das Schweizer Formular zur Quellensteuerrückerstattung bis vor Kurzem noch per Hand oder mittels einer Schreibmaschine ausgefüllt werden musste. Gemeinsam mit Julian Nalenz kamen schließlich fachliche und technische Expertise zusammen, sodass die Idee für Divizend im Jahr 2019 geboren wurde.

Folien 7 und 8: Die Lösung

Mit einem seitdem stetig wachsenden Team entwickelten die Gründer so eine Lösung, die den Prozess der Rückerstattung ausländischer Quellensteuer für private und institutionelle Anleger digitalisiert. Dies geschieht insbesondere durch eine digitale, webbasierte Plattform, in der jener Prozess Schritt für Schritt abgebildet wird. Diese Anwendung erinnert damit in praktisch keinerlei Hinsicht mehr an klassische Steuersoftware, sondern orientiert sich an modernen Praktiken kundenzentrierter und nutzerfreundlicher User Experience, ohne jegliches steuerliches Vorwissen vorauszusetzen.

Divizend hat den Prozess der Rückerstattung ganzheitlich neu gedacht. Der Leitgedanke zielt darauf ab, sich von traditioneller Steuersoftware abzuheben und den Prozess so intuitiv und qualitätsgesichert abzubilden, dass der Anleger ohne steuerliches Vorwissen fehlerfreie Anträge stellen kann. Konkret geht die Lösung dabei in vier Schritten vor:

Über ein personalisiertes Nutzerkonto auf divizend.com lässt sich über eine eigens entwickelte Schnittstelle mit wenigen Klicks das eigene Wertpapierdepot importieren. Primär geschieht dies über eine native Schnittstelle der eigenen Depotbank, aber auch das Hochladen von Depotauszügen in Form von PDF-Dateien oder eine vollständig manuelle Eingabe sind optional möglich. Die Portfoliodetails des Kunden werden daraufhin automatisch um weitere, zur Durchführung der Rückerstattung erforderliche Stammdaten wie Zahltermine der Dividenden oder Ausschüttungshöhen ergänzt.

Anschließend werden die Wertpapiere nach ihrer Länderzugehörigkeit gruppiert und die verfügbaren Rückerstattungsbeträge bzw. Positionen innerhalb einer zentralen Übersicht grafisch aufgelistet. Hierbei werden auch die länderspezifischen Rückerstattungsfristen berücksichtigt, was die jeweiligen Rückerstattungsvolumina in den einzelnen Depots und Ländern transparent macht. Ausgehend von dieser zentralen Übersicht kann der Anleger einen neuen Rückerstattungsantrag für ein bestimmtes Land initiieren.

Im Zuge dessen gelangt der Anleger in den modular aufgebauten „Schritt-für-Schritt-Prozess“ zum Durchführen der Rückerstattung. Modular bedeutet, dass bestimmte Schritte zwischen den Anträgen in verschiedenen Ländern identisch sind, beispielsweise das Eingeben der persönlichen Stammdaten oder das Hochladen von Dividendenbelegen. Andere Schritte wiederum werden nur bei Bedarf angezeigt, gemäß den nationalen Regularien. Die Lösung ist dabei so ausgelegt, dass so viele Antragsdaten wie möglich bereits automatisch aus diversen Quellen vorbefüllt werden.

Nach Zahlung der entsprechenden Servicegebühr erhält der Antragsteller ein PDF-Dokument zum Download. Dies entweder in Form des bereits vollständig befüllten ausländischen Formulars, welches dann die bereits erwähnte Doppelfunktion als Rückerstattungsantrag und Vorlage für die Ansässigkeitsbescheinigung besitzt, oder den allgemeinen Vordruck der Ansässigkeitsbescheinigung vom Bundeszentralamt für Steuern. Letzteres muss der Nutzer stets selbstständig unterschreiben und postalisch an sein Heimatfinanzamt senden, welches den steuerlichen Wohnsitz und somit das Anrecht auf eine Quellensteuerrückerstattung bestätigt.

Nach dem postalischen Rückerhalt der vom Heimatfinanzamt unterschriebenen und gestempelten Ansässigkeitsbescheinigung bestätigt der Antragsteller dies in der Anwendung. Schließlich wird der vollständige Antrag mit allen Anhangsdokumenten generiert. Dieser wird entweder als PDF-Datei zum Download angeboten, falls der Antrag postalisch oder per E-Mail an die entsprechende ausländische Steuerbehörde versandt werden muss, oder direkt elektronisch übermittelt, so etwa in die Schweiz oder Dänemark.

Divizends Auswirkungen

Während für viele andere FinTechs Regulatorik generell eine große Herausforderung darstellt, ist Divizend in großem Maße unmittelbar inspiriert aus Vorschlägen der EU geschaffen worden, zum Beispiel wegen des Wunsches nach vereinheitlichter Besteuerung von Kapitalerträgen. Divizend ist damit ein wesentlicher Beschleuniger für den Aufbau der europäischen Kapitalmarktunion, weil es für einen effizienten, kostengünstigen und barrierefreien Zugang für alle Anlegerschichten sorgt, vom Kleinanleger bis zum High Net-Worth Individual.

Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass Divizend ein FinTech-Unternehmen unabhängig von jeglicher Großbank ist. Divizend hat sich auf die Fahnen geschrieben, Quellensteuerrückerstattungen und damit den ertragsreichen Zugang zu internationalen Kapitalmärkten zu demokratisieren.

Dies geschieht auf der einen Seite durch eine technische Weltinnovation: Durch Divizends Plattform werden Kunden erstmalig unabhängig von Banken in die Lage versetzt, auf Basis ihrer Wertpapierdepots und ohne steuerliche Vorkenntnisse über eine digitale Plattform Rückerstattungen ausländischer Quellensteuer durchzuführen. Divizends Software wurde dabei nicht in Silicon Valley oder China, sondern ausschließlich in Deutschland entwickelt.

Folie 9: Geschäftsmodell

Die andere große Innovation ist Divizends Geschäftsmodell. Während Steuerberater oder Banken typischerweise fixe Grundgebühren zur Durchführung von Rückerstattungen verlangen, die die Rückerstattung insbesondere für kleine Depots bislang unrentabel gemacht haben, arbeitet Divizend mit einem rein transaktionsbasierten Geschäftsmodell mit einer prozentualen Gebühr, ohne untere Grenze. Somit können über Divizend auch kleine Beträge rentabel rückerstattet werden.


(Rednerin: Christiane Hölz)

 

Meine Damen und Herren, aus Sicht der DSW muss neben der von uns in Zusammenarbeit mit Divizend angebotenen Lösung auch politisch etwas passieren. Ziel muss es sein, dass die Verfahren für die Quellensteuererstattung vereinheitlicht und deutlich vereinfacht werden. Es kann schließlich nicht sein, dass die hohen bürokratischen Hürden einiger Staaten es deutschen Anlegern faktisch fast unmöglich machen, ihnen rechtmäßig zustehendes Geld wieder zurückzubekommen.

Allein an Deutschlands größter Börse, der Frankfurter Wertpapierbörse, werden über 13,000 internationale Aktien angeboten – in den vergangenen drei Jahren stieg der Anteil ausländischer Wertpapiere dort von knapp 19 Prozent auf aktuell über 23 Prozent. Die Depots deutscher Anleger werden also internationaler.

Viele private Investoren sind sich beim Kauf von Aktien ausländischer Unternehmen der steuerlichen Problematik gar nicht bewusst. Das zumindest lässt sich aus der großen Anzahl von DSW-Mitgliedern schließen, die uns wegen der auftretenden Probleme bei der Rückforderung zu viel gezahlter Steuern auf Dividenden ausländischer Gesellschaften um Unterstützung bitten. Die Privatanleger gehen davon aus, dass Doppelbesteuerungsabkommen zuverlässig verhindern, dass sie mehrfach zur Kasse gebeten werden. Erst die Praxis zeigt dann, dass genau das in vielen Fällen nicht reibungslos funktioniert. Und nur die Anleger, die selbst aktiv werden, tatsächlich in den Genuss der vollen Dividende kommen. Daher haben wir bereits seit vielen Jahren auf unserer Website ein Infocenter für Privatanleger rund um das Thema Quellensteuern eingerichtet (https://www.dsw-info.de/anlegerschutz/quellensteuer/).

Dabei gibt es durchaus eine ganze Reihe von Staaten, bei denen die Rückforderung sehr einfach und unkompliziert funktioniert. Also genau im Sinne der Doppelbesteuerungsabkommen.

Besonders hervorzuheben sind hierbei die USA. Hier ist mit dem sog. W8-BEN Formular nur eine Ansässigkeitsbescheinigung auszufüllen. Liegt diese der US-amerikanischen Steuerbehörde vor, wird der dortige Quellensteuersatz von 30 Prozent automatisch auf 15 Prozent reduziert. Eine Rückforderung entfällt somit komplett. Liegt dieses Formular allerdings nicht vor, wird es auch in den USA problematisch: In dem Fall muss der deutsche Anleger eine Steuererklärung für „beschränkt Steuerpflichtige“ abgeben. Die für Privatanleger unangenehme Folge ist, dass die Erstattung der zu viel gezahlten Quellensteuer nur ein Jahr rückwirkend geltend gemacht werden kann. Und nicht, wie bei den Staaten, die mit Erstattungsverfahren arbeiten, mehrere Jahre rückwirkend. Dies kommt bei deutschen Privatanlegern allerdings nur in sehr seltenen Fällen vor.

In den meisten Staaten ist allerdings eine sog. Vorabbefreiung gar nicht vorgesehen, sodass Anleger das aufwändige Rückerstattungsverfahren durchlaufen müssen. Und dieses hat – je nach Land - die verschiedensten Tücken.

So ist das italienische Erstattungsformular unübersichtlich und sehr kompliziert. Wenn die Ausfüll-Probleme erfolgreich gelöst sind, heißt das aber nicht, dass auch Geld fließt. Stattdessen müssen betroffene Anleger sich lange in Geduld üben – bis zu 30 Jahre ziehen sich die Erstattungsverfahren in Italien hin. Ein schöner zinsloser Kredit für den italienischen Finanzminister.

Besonders erfinderisch ist Frankreich, wenn es darum geht, möglichst wenig der einmal ergatterten Steuern wieder zurückzahlen zu müssen. Der Kniff ist einfach und effektiv. Die Finanzverwaltung unseres Nachbarlandes akzeptiert nur Anträge, die von einer französischen Depotbank bestätigt werden. Keine Chance auf Geld aus Paris hat, wer selbst zum Stift greift oder dessen deutsche Depotbank die Anträge nicht an die französische Depotbank des Emittenten weiterleitet. Solche Anträge werden unbearbeitet zurückgeschickt. Meist allerdings erst nach mehreren Monaten.

In Portugal muss vor der eigentlichen Antragstellung zunächst eine portugiesische Steueridentifikationsnummer (sog. NIF) beantragt werden. Dies ist jedoch nicht online möglich, sondern muss persönlich oder über einen Vertreter bei einer lokalen portugiesischen Behörde beantragt werden. Alternativ ist dies auch über das portugiesische Generalkonsulat möglich, allerdings ist dieser Weg sehr zeitaufwändig. Warum innerhalb der europäischen Union die deutsche Steueridentifikationsnummer nicht ausreicht, bleibt ein Rätsel.

Neben den Problemen beim Ausfüllen der Anträge besteht jedoch noch ein weiteres, signifikantes Problem. Die Banken verlangen für die einfache Versendung von Erstattungsanträgen für ausländische Quellensteuern teilweise Gebühren zwischen 50 und über 100 Euro je Antrag – für eigene und fremde Kosten. Für Privatanleger rechnet sich damit in vielen Fällen bereits die Antragstellung nicht, insbesondere in den Ländern, in denen pro Dividendenausschüttung eines Unternehmens ein eigener Antrag zu stellen ist - wie beispielsweise in Frankreich.

Auch die Sprachbarriere ist nicht zu unterschätzen: Zwar liegen in allen europäischen Ländern die Anträge neben der Landessprache auch in Englisch vor. Angesichts der Komplexität mancher Antragsformulare wird aber nicht immer deutlich, welche Information von der ausländischen Steuerbehörde tatsächlich gewünscht wird.

All diese faktischen Probleme bestehen seit vielen Jahren und behindern das Flagschiffprojekt der EU Kommission, die Kapitalmarktunion, massiv. Die EU Kommission hat sich daher in ihrem Aktionsplan zur Kapitalmarktunion 2020 auch das Ziel gesetzt, hier Abhilfe zu schaffen.

Dabei sind zwei mögliche Wege denkbar: Entweder wird die Möglichkeit der Vorabbefreiung von Quellensteuern auf Kapitalerträge europaweit eingeführt oder die Rückerstattungsverfahren werden vereinheitlicht und vereinfacht, sodass Anleger das Verfahren selbst schnell und kostengünstig durchführen können.

Die DSW favorisiert und fordert hier eindeutig die erste Variante. Nur mit dieser kann eine Doppelbesteuerung von vornherein vermieden werden. Angesichts der diversen Cum Ex-Skandale sowie andere aggressive Steuermethoden, wie z. B. Cum-Cum-Praktiken, bei denen zwischen den Parteien eine Wertpapierleihe vereinbart wird, um von einer geringeren Quellensteuer oder deren Befreiung zu profitieren, erwarten wir allerdings nicht, dass die EU Kommission eine Vorabbefreiung vorschlagen wird bzw. dass ein solcher Vorschlag durch den Rat verabschiedet würde.

Will die EU Kommission diesen Schritt nicht gehen, müssen zur Vereinfachung der Rückerstattungsverfahren europaweit zumindest die folgenden Maßnahmen ergriffen werden, strebt sie wirklich eine echte Kapitalmarktunion an:

- standardisierte und mehrsprachige Online-Formulare für Erstattungsanträge in allen Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten,

- als Nachweis sollten eine (deutsche) Ansässigkeitsbescheinigung sowie der Dividendenbeleg ausreichend sein,

- eine zentrale Anlaufstelle sollte errichtet werden, in die sich ein Anleger einloggen und unabhängig vom Herkunftsmitgliedstaat auf der Grundlage standardisierter Formulare einen Erstattungsantrag stellen kann;

- Mitgliedsstaaten sollten im Falle von Verzögerungen bei der Rückerstattung zur Zahlung von Zinsen verpflichtet werden.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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