DSW: Jamaika muss bei Altersvorsorge und Anlegerschutz liefern

Heute beginnen die Sondierungsgespräche zur sogenannten Jamaika-Koalition. „Die Voraussetzungen für die Einigung auf einen Koalitionsvertrag sind sicher alles andere als einfach. Die Positionen der beteiligten Parteien liegen teilweise sehr weit auseinander und der Reformbedarf ist in etlichen Politikbereichen mittlerweile riesig. Auch beim Anlegerschutz und beim Thema Altersvorsorge hat sich ein regelrechter Reformstau aufgebaut“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz). „Wir sehen eine ganze Reihe von Punkten, die eine neue Regierung möglichst schnell anpacken sollte,“ so Tüngler weiter.

Eine der entscheidenden Fragen wird es laut DSW sein, ob es einer neuen Regierung gelingt, Anlegern eine eigenverantwortliche Vorsorge mit Aktien und Wertpapieren zu ermöglichen. „Wie wichtig es ist, dass der Staat auch bei der Besteuerung klare, die Eigenverantwortung nicht im Keim erstickende Signale setzt, zeigt die Niedrigzinsphase, die den deutschen Sparer erheblich schmerzt und die vor allem auf Sparprodukten basierende Altersvorsorge wertmäßig aufzehrt“, sagt Tüngler. Hier gelte es, zu unterstützen statt zu bremsen. „Die neue Regierung muss ein Steuermodell finden, das deutlich mehr motiviert, die langfristige Altersvorsorge in die eigenen Hände zu nehmen“, unterstreicht Tüngler.

Regulatorischen Änderungsbedarf sehen die Anlegerschützer bei der Managerhaftung. „Die Fälle der Vergangenheit haben eindringlich gezeigt, wie wichtig eine direkte Haftung der Unternehmensorgane, also Vorstand und Aufsichtsrat, wäre“, sagt Tüngler. Ein Teil der Lösung liegt bereits seit etlichen Jahren in einer Schublade des Bundesfinanzministeriums. „Mit dem Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz, kurz KapInHaG, gibt es einen Gesetzentwurf, der für eine direkte Haftung der Organe sorgen würde“, so der DSW-Mann. Nach aktueller Rechtslage sind Aktionäre in solchen Fällen gezwungen, ihre eigene AG auf Schadenersatz zu verklagen, wie es etwa beim VW-Skandal gerade passiert. „Mit diesem Widersinn würde das KapInHaG sofort Schluss machen“, prophezeit Tüngler.

Neben der Haftung gehört für die DSW das Thema Vorstandsvergütung ganz oben auf die Reformagenda. Hier gehe es in erster Linie um mehr Transparenz und die Möglichkeit, zu Unrecht gezahltes Geld wieder zurück zu holen. „Die Vergütungssysteme und -berichte müssen deutlich entschlackt werden“, ist Tüngler überzeugt. Zudem dürfe es keinen Vorstandsvertrag mehr ohne sogenannte Clawback-Klausel geben. „Solche Klauseln ermöglichen die Rückforderung bereits gezahlter Boni, wenn honorierte Leistungen etwa auf Betrug beruhen. Deshalb gehört die Verpflichtung dazu ins Aktiengesetz“, fordert Tüngler. Von einer Entmachtung des Aufsichtsrats bei der Vorstandsvergütung hält die DSW allerdings nichts. „Die Verantwortung für die Vorstandsvergütung muss beim Aufsichtsrat bleiben. Ein Hautversammlungsbeschluss zur Vorstandsvergütung darf auch zukünftig den Aufsichtsrat nicht aus der Pflicht entlassen“, sagt Tüngler.

Nachholbedarf gibt es laut DSW auch bei dem Schutz der Anleger vor fehlerhafter Anlageberatung. Die bisherigen Versuche der Politik, hier gegenzusteuern, seien entweder ins Leere gelaufen, oder hätten die Situation sogar verschlechtert. „Weder die Einführung des Beratungsprotokolls, noch die Pflicht zur Veröffentlichung von Produktinformationsblättern, haben etwas an der schwachen rechtlichen Position der Anleger im Streitfall geändert“, sagt Tüngler. Dabei sei die Lösung einfach: „Wir brauchen endlich die Beweislastumkehr. Die Bank sollte beweisen müssen, dass ihre Beratung korrekt war und nicht – wie es heute der Fall ist – der Anleger, dass er falsch beraten wurde“, so der Anlegerschützer.

Ebenfalls auf der DSW-Liste steht die Stärkung der Minderheitenrechte für Aktionäre, nachdem diese in den letzten 10 – 15 Jahren deutlich abgebaut wurden, sowie die Forderung nach einer Beschleunigung der aktien- und gesellschaftsrechtlichen Verfahren. „Musterverfahren oder Abfindungsverfahren dauern zu oft bis 15 Jahre. Das ist so nicht mehr hinnehmbar“, sagt Tüngler.

Mitglieder wenden sich bitte an die zuständigen DSW-Mitarbeiter.

Ansprechpartner für die Presse: Jürgen Kurz, Pressesprecher