Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen der Kodexkommission aus den Plenarsitzungen vom 9. und 31. Januar 2013

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) begrüßt die von der Regierungskommission vorgeschlagenen Änderungen. Insbesondere befürworten wir, dass eine Verschlankung des Kodex unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Beibehaltung der Lesbarkeit als eigenständiges Werk vorgenommen wurde. Dies ist vor allem für das Verständnis der deutschen Corporate Governance durch internationale Investoren geboten.

Daneben begrüßt die DSW ausdrücklich die im Hinblick auf die Festlegung der Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat vorgenommenen Änderungen. Insbesondere die Empfehlung, für sämtliche Vergütungsbestandteile eine betragsmäßige Obergrenze (Cap) einzuführen und diese im Vergütungsbericht auch offenzulegen wird von der DSW als besonders wertvoll erachtet, eröffnet sie doch zum einen die Möglichkeit, eine flexible, unternehmensindividuelle Lösung zu erarbeiten und zum anderen eine Chance für die Kodex-Kommission, in dieser Frage einen Standard zu setzen, bevor der Gesetzgeber tätig wird.

Auch befürwortet die DSW die Empfehlung, künftig die im betreffenden Geschäftsjahr zugeflossenen Beträge im Vergütungsbericht offenzulegen. Zwar spiegeln diese nicht die Vergütung des Vorstands für seine Leistung im abgelaufenen Geschäftsjahr wider, dennoch sind diese Angaben zur Einordnung der Vergütung aus Aktionärssicht entscheidend und helfen, Missstände zu vermeiden.

Im Rahmen der Kodexüberarbeitung sind aus unserer Sicht die folgenden Punkte nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt:

1. Darstellung der Vorstandsvergütung

Die vorgeschlagenen Mustertabellen finden ausdrücklich unsere Zustimmung, wird eine entsprechende Darstellung doch durch die DSW seit vielen Jahren gefordert (siehe hierzu nicht zuletzt den von der DSW im Jahr 2006 entwickelten Best Practice Vergütungsbericht).

Damit wird es Aktionären wie Aufsichtsräten trotz der hohen Komplexität der Systeme ermöglicht, die Best-Case-Vergütung der Vorstände schnell und ohne großen Analyseaufwand zu erkennen, was in der Vergangenheit, insbesondere seit Einführung des VorstAG und der damit verbundenen Änderungen der Vergütungssystem in vielen Fällen nicht möglich war. Damit können die Aktionäre als Eigentümer der Unternehmen sachgerecht über die Vergütung der Vorstände beschließen.

Allerdings sind wir der Ansicht, dass die Anwendung der Mustertabellen nicht als Anregung, sondern vielmehr als Empfehlung in den Kodex aufgenommen werden sollte. Die notwendigen Daten sind, wie die Kommission richtig festgestellt hat, innerhalb der Unternehmen bereits verfügbar und werden in der einen oder anderen Form auch bereits veröffentlicht. Insofern ist kein Grund ersichtlich, die Darstellungsform lediglich in Form einer Anregung aufzunehmen, da somit das Ziel der Kommission, eine bessere, unternehmensübergreifende Vergleichbarkeit der Vergütungsberichte zu erreichen, wohl konterkariert wird.

2. Angaben zur Vorstandsvergütung

Inhaltlich regt die DSW darüber hinaus an, in Mustertabelle 1 auf die Möglichkeit der Angabe eines „mittleren Wahrscheinlichkeitsszenarios“ sowohl für die einjährige als auch für die mehrjährige variable Vergütung zu verzichten und ausschließlich die Angabe des Zielwertes vorzugeben. Aus Sicht der Anteilseigner ist der Zielwert, also der Wert der Zahlung, der aus Sicht des Aufsichtsrates für eine Zielerreichung als angemessen angesetzt wird, weitaus aussagekräftiger als ein von jedem  Unternehmen individuell definierbares, mittleres Wahrscheinlichkeitsszenario.

Weiterhin empfehlen wir, in Mustertabelle 1 auch eine Zeile für „Sonstiges“, vergleichbar mit der Darstellung in Mustertabelle 2, aufzunehmen. Nicht zuletzt nachvertragliche Zahlungen bei im Geschäftsjahr ausgeschiedenen Vorständen könnten hierunter subsummiert werden. Ergänzend sollte eine entsprechende Klarstellung in den Fußnoten zu Tabellen 1 und 2 erfolgen.

Unklar bleibt aus Sicht der DSW mit Blick auf Mustertabelle 2, ab welchem Zeitpunkt Vergütungsrückforderungen (Claw Backs) mit in die Tabelle aufzunehmen sind. Hier wäre eine entsprechende Klarstellung aus unserer Sicht hilfreich.

Mit Blick auf Mustertabelle 3b fehlt aus Sicht der DSW die Angabe der Höhe der Pensionszusage. Auch diese Daten sind in den Unternehmen verfügbar und könnten daher unproblematisch übernommen werden. Entfällt eine Aufnahme durch die Kodexkommission in die Mustertabelle ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Angaben durch die Unternehmen künftig nicht mehr in den Vergütungsbericht aufgenommen werden, was zu einer Verschlechterung der ohnehin schon intransparenten Darstellung der Pensionszusagen führen würde.

Abschließend regt die DSW an, die Empfehlungen zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung sprachlich eng an § 87 Aktiengesetz anzulehnen oder aber in deutlicher Weise als zusätzlich zu beachtende Elemente abzusetzen, um zu verhindern, dass die Kodex-Empfehlungen hinter den gesetzlichen Regelungen zurückbleiben bzw. möglicherweise anders verstanden werden. Exemplarisch sei hier der vertikale Angemessenheitsvergleich genannt.

3. Abstimmung über das Vergütungssystem

Die bisherigen Erfahrungen mit der freiwilligen Abstimmung über die Vergütungssysteme der Vorstände zeigen, dass sich die Einbeziehung der Aktionäre in der Praxis bewährt hat. Mittlerweile haben sämtliche DAX 30-Unternehmen sowie die überwiegende Anzahl der MDAX und TecDAX-Unternehmen ihre Vergütungssysteme der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegt und, wie bei HeidelbergCement oder der Deutschen Bank, die notwendigen Korrekturen vorgenommen, die von den Aktionären in den Hauptversammlungen angemahnt worden waren.

Die ersten Einladungen zu den Hauptversammlungen 2013 zeigen zudem, dass die Unternehmen die Billigung des Vergütungssystems durch die Hauptversammlung nicht als einmaligen Vorgang ansehen, sondern bei Änderungen erneut ihre Anleger über das neu gestaltete System abstimmen lassen.

Jedoch ist die Legitimationskraft dieses Beschlusses aufgrund der Ausgestaltung des § 100 Abs. 4 AktG gering. Hier steht die DSW einer klarstellenden Kodex-Regelung, die die Billigung des Vergütungssystems empfiehlt, durchaus positiv gegenüber. Diese könnte zugleich beinhalten, dass der Aufsichtsrat den Beschluss der Hauptversammlung als verbindlich ansehen soll. Dadurch wird eine echte Stärkung der Rechte der Aktionäre in Deutschland herbeigeführt.

4. Erhöhte Verantwortung institutioneller Investoren

Die Finanzmarktkrise hat nicht nur Defizite auf Seiten der Aufsichtsbehörden aufgezeigt, sondern auch deutliche Schwächen auf der Seite eines verantwortungsbewusst handelnden Investors offengelegt. Vor diesem Hintergrund kommt dem aktiven Ausüben der Aktionärsrechte vor allem durch institutionelle Investoren eine besondere Bedeutung zu.

Nach den Niederlanden hat auch Großbritannien mit der Einführung seines „Stewardship Code“ dieses Thema aufgegriffen. In der Schweiz werden nach dem Votum für die Minder-Initiative Pensionskassen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Stimmrechte auszuüben und offenzulegen, wie sie abgestimmt haben und auch die EU Kommission verlangt in ihrem Aktionsplan Corporate Governance von den Investoren, sich stärker in die Corporate Governance der Unternehmen einzubringen und hat angekündigt, eine Initiative zur Offenlegung von Abstimmungsstrategien und -richtlinien auf dem Gebiet der Einbeziehung von Aktionären sowie zu früheren Abstimmungen institutioneller Anleger vorzulegen.

Dies gilt insbesondere für institutionelle Investoren, die die Aktien treuhänderisch für Dritte halten, wie beispielsweise Pensionsfonds.

Aus Sicht der DSW ist es die Aufgabe der Regierungskommission, sich dieses Themas im Kodex anzunehmen und eine Empfehlung in den Kodex für institutionelle Investoren aufzunehmen, ihre Rechte in verantwortungsbewusster Weise auszuüben.

Diese Empfehlung würde nach dem Comply-or-explain-Prinzip zu einer Erläuterungspflicht der institutionellen Investoren in den Fällen führen, in denen sie ihr Stimmrecht entgegen der Empfehlung nicht ausgeübt haben. Hierdurch würde die Verantwortung/das Problembewusstsein der institutionellen Investoren gestärkt und die Transparenz für den Kapitalmarkt erhöht.

In einer begleitenden Kommentierung dieser Kodexerweiterung sollte dann auf die folgenden Punkte eingegangen werden:

  • die Offenlegung der Abstimmungspolitik
  • das Vorhandensein von Corporate Governance Regeln bei Interessenkonflikten
  • die Eskalationsstrategie sowie
  • die zeitnahe Offenlegung des tatsächlichen Abstimmungsverhaltens
  • der institutionellen Investoren auf der Hauptversammlung.

Düsseldorf, 12. März 2013