AnlegerschutzstärkungsG

27. Mai 2010: Stellungnahme der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) zum Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und zum Diskussionsentwurf für eine Verordnung über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte und die Anzeigepflicht nach § 34d des Wertpapierhandelsgesetzes

 

Einleitung:

Die bisherige gesetzliche Behandlung der im Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums vom 03.03.2010 angesprochenen Themenbereiche hat in der Praxis der letzten Jahre erkennbar Schwächen gezeigt. Die vorgelegten Veränderungen und Maßnahmen sind auch deshalb dringend geboten und werden von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) daher begrüßt. Zum Teil greifen die Verfasser des Diskussionsentwurfs auch Forderungen auf, die von der DSW im Zusammenhang mit anderen Gesetzgebungsprojekten wie etwa der MiFID-Umsetzung oder dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz bereits seit Jahren wiederholt gestellt worden sind. Dies gilt beispielsweise für die Einbeziehung des so genannten Grauen Kapitalmarktes in das Regulierungsregime des Wertpapierhandelsgesetzes sowie die Abschaffung der spezialgesetzlichen und deutlich zu kurzen Verjährungsvorschriften bei der Prospekthaftung nach dem Wertpapierprospektgesetz. Gründe für eine Privilegierung der nach dieser Haftungsnorm in Anspruch Genommenen sind nicht länger ersichtlich, so dass es folgerichtig ist, diese Anspruchsgrundlage dem allgemeinen Verjährungsrecht des BGB (§§ 195 ff. BGB) zuzuordnen.

Darüber hinaus ergibt sich noch weiterer Anpassungs- und Regulierungsbedarf, den wir am Ende dieser Stellungnahme kurz skizziert haben.


Im Einzelnen nehmen wir zu den vorgesehenen Neuregelungen wie
folgt Stellung:

 

zu Artikel I (Wertpapierhandelsgesetz)
zu Nr. 2 (§ 2 Abs. 2 b WpHG-E)
Grauer Kapitalmarkt

Wir begrüßen ausdrücklich, dass Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowohl bei der Anlageberatung, als auch der Vermittlung von Produkten des Grauen Kapitalmarktes künftig die Verhaltens- und Organisationspflichten des WpHG zu beachten haben werden. Ebenfalls befürworten wir, dass durch die vorgesehene Erweiterung des Finanzinstrumentebegriffs in § 1 KWG-E im Ergebnis auch solche Erbringer von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Produkten des Grauen Kapitalmarktes künftig eine Erlaubnis der BAFin benötigen, die bislang noch „unter dem Radar fliegen“ konnten.
Aus Sicht eines Privatanlegers darf es nicht von dem im Einzelfall (vom Dienstleister) gewährten Vertriebsmodell abhängen, welches Anlegerschutzniveau er erhält.
Ausgangspunkt für das Maß an Schutz muss immer der Anleger selbst sein und nicht, wer dem Anleger in welcher Funktion im Rahmen der Betreuung gegenüber sitzt. Zudem ist in der Praxis eine Abgrenzung zwischen Berater und Vermittler nur schwer möglich und oftmals für den Kunden schon im Ansatz nicht zu erkennen, da auch der Vermittler häufig – wie ein Berater – das besondere Vertrauen des Kunden in Anspruch nimmt. In der Sache werden dann oft konkrete Anlagevorschläge erteilt, die auf die individuellen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sind, so dass nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG eine Anlageberatung vorliegen müsste. Dennoch weisen die schriftlichen Vertragsunterlagen dann häufig („nur“) eine reine Vermittlungsleistung aus.
Zudem gehen wir davon aus, dass mit dem neuen Regulierungsrahmen nach dem vorliegenden Entwurf auch die Leistungen unterfallen, die durch freie Fondsvermittler erbracht werden, so dass auch diese Lücke in der ansonsten dann geschlossenen Regulierungsstruktur geschlossen wird.


„Anschleichen“ an Unternehmen
zu Nr. 4 (§ 25 a WpHG-E)

Die Fälle CONTI/Schaeffler und Porsche/Volkswagen haben deutlich gezeigt, dass die Meldepflichten nach den §§ 21 f. WpHG trotz der erst im Jahre 2008 durch das so genannte Risikobegrenzungsgesetz vorgenommenen Änderungen weiterhin Lücken aufwiesen. So sind bislang neben den Stimmrechten aus Aktien Positionen in Optionen in relevanter Größenordnung nur dann meldepflichtig, wenn diese dem Optionsinhaber ohne eine Mitwirkung des Stillhalters unmittelbar den Erwerb des Vollrechts Aktie und damit der Stimmrechte ermöglichen. In der Praxis werden derartige Optionen jedoch gerade nicht dinglich, sondern rein schuldrechtlich ausgestaltet und regelmäßig mit einem Barausgleich versehen.
Wie der besonderen Begründung zum Diskussionsentwurf entnommen werden kann, sollen die Mitteilungspflichten des WpHG künftig auf alle Stellungnahme der Finanzinstrumente und sonstigen Instrumente erweitert werden, die „es ihrem Inhaber faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben“. Wir befürworten ausdrücklich den Reglungsinhalt der geplanten Vorschrift sowie die damit verfolgte Intention, im Vorfeld einer Übernahme ein „Anschleichen“ des späteren Bieters an die Zielgesellschaft zum Nachteil von deren Aktionären zu verhindern.
Wir geben jedoch zu bedenken, dass der Wortlaut des § 25 a Abs. 1 S. 1 WpHG-E diesen Regelungsinhalt nicht hinreichend deutlich macht. Denn in der zitierten Vorschrift ist lediglich von Finanzinstrumenten oder sonstigen Instrumenten die Rede, „die es ihrem Inhaber aufgrund ihrer Ausgestaltung ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien (…) zu erwerben“. Dass es im Rahmen der Neuregelung unerheblich sein soll, ob die jeweilige Vereinbarung statt der Lieferung von Aktien einen Barausgleich vorsieht oder ermöglicht, wird erst durch die Legaldefinition des „Ermöglichen“ in § 25 a Abs. 1 Satz 2 WpHG deutlich. Damit löst sich diese Legaldefinition aber vom Wortsinn des „Ermöglichen“, zumal nach der besonderen Begründung, S. 39, auch Finanzinstrumente erfasst sein sollen, die sich auf Baskets oder Indizes beziehen, in denen die betroffene Aktie möglicherweise nur zu einer sehr geringen Gewichtung enthalten ist. Wir regen deshalb an, bereits in § 25 a Abs. 1 S. 1 WpHG-E einen Hinweis auf die Legaldefinition des Satzes 2 aufzunehmen, damit ein eiliger Leser des Gesetzestextes nicht von einem unzutreffenden Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeht.
In § 25 a Abs. 3 WpHG-E ist eine Ausnahmeregelung für Wertpapierdienstleistungsunternehmen enthalten, die im Rahmen ihres regelmäßigen Geschäftsbetriebes derartige Finanzinstrumente oder sonstige Instrumente ausgeben und beim Abschluss solcher Instrumente mit einer Vielzahl von Kunden ein Emittentenprivileg genießen sollen. Schließt das Institut solche Instrumente außerhalb seines regelmäßigen Geschäftsbetriebes ab, fällt es nicht unter die Ausnahmeregelung. In der besonderen Begründung zum Diskussionsentwurf werden als Fälle, in denen das Institut außerhalb seines regelmäßigen Geschäftsbetriebes handelt, etwa die Vorbereitung einer eigenen Übernahme und der Aufbau einer strategischen Beteiligung oder einer Übernahme durch einen Kunden genannt.
Bekanntlich sind die Geschäftsmodelle inländischer Kreditinstitute sehr unterschiedlich. Während man für eine Sparkasse oder eine kleinere Regionalbank sicherlich gelten lassen müsste, dass solche Fälle nicht dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind, könnte für eine Großbank mit einer ausgeprägten Investmentbankingsparte etwas anderes gelten. Wir befürchten deshalb, dass die Ausnahmeregelung sich in der Praxis nicht als hinreichend trennscharf erweisen wird. Ggf. wäre die Einführung einer „Bagatellgrenze“ unter sonstiger Aufgabe der Ausnahmeregelungen sinnvoller, um nachhaltig dem Schutzinteresse des Marktes und der Anleger gerecht zu werden.


Leerverkäufe
zu Nr. 6 (§§ 30 h und i WpHG-E)

Es ist vorgesehen, ungedeckte Leerverkäufe in Aktien, die in einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, künftig zu verbieten.
Ein ungedeckter Leerverkauf soll nach der Legaldefinition in § 30 h Satz 2 WpHG-E dann vorliegen, „wenn die erforderlichen Aktien nicht im Vorfeld des eigentlichen Leerverkaufs, z.B. im Wege der Wertpapierleihe oder eines Wertpapierpensionsgeschäftes, beschafft werden oder ein unbedingt durchsetzbarer schuldrechtlicher oder sachenrechtlicher Anspruch auf Übereignung der Aktien besteht.“

Die DSW hält das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien für akzeptabel. Ungedeckte Leerverkäufe stellen eine Handelsstrategie dar, die keinerlei Bezug zu realwirtschaftlichen Vorgängen hat, sondern ausschließlich der Spekulation auf sinkende Kurse dient. Das Gewinnmaximierungsinteresse muss an dieser Stelle gegenüber dem Interesse des Kapitalmarktes an einer Vermeidung von Verwerfungen und zur Erhaltung seiner Integrität zurücktreten.
Allerdings befürchten wir, dass sich in der Praxis nur sehr schwierig ermitteln lässt, ob tatsächlich ein ungedeckter Leerverkauf im Sinne der Legaldefinition in § 30 h Satz 2 WpHG-E vorliegt. Denn es muss nicht nur die eigentliche Transaktion (also der Leerverkauf selbst) analysiert werden, sondern auch die weiteren Rechtsbeziehungen des Kapitalmarktakteurs. Besonders unübersichtlich wird es dann, wenn der Betroffene über mehrere Wertpapierdepots verfügt und der Leerverkauf sowie die schuldrechtliche oder sachenrechtliche „Gegenposition“ auf Übereignung der Aktien nicht zusammengeführt werden können.
Vor diesem Hintergrund fragen wir uns auch, ob die BAFin für die Überwachung der Einhaltung des Verbotes ungedeckter Leerverkäufe in Aktien über hinreichende Eingriffsbefugnisse verfügt. Zwar ist der Bußgeldrahmen für Verstöße gegen das Verbot des § 30 h WpHG-E mit EUR 500.000,00 recht hoch. Die Sanktionsandrohung alleine wird jedoch unredliche Kapitalmarktteilnehmer nicht von Verstößen abhalten. Gewährleisten kann dies allenfalls ein spürbares Risiko für die involvierten Kreise, dass Verstöße auch tatsächlich aufgedeckt werden.
In § 30 i WpHG-E sind künftig Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für die Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen vorgesehen. Wir halten die Regelungen für sachgerecht. Nachvollziehbar ist auch, dass, wie in der besonderen Begründung auf Seite 42 ausgeführt, zur Vermeidung von Umgehungen auch Finanzinstrumente, die sich auf Indizes und Baskets beziehen, in die Berechnung der Netto-Leerverkaufsposition einzubeziehen sein sollen. Zum Teil sind die Gewichtungen der fraglichen Aktien innerhalb eines solchen Index oder Wertpapierkorbs jedoch so gering, dass sich aus Sicht der DSW unter Umständen die Frage nach einer Bagatellgrenze stellt.

 

Kurz-/Produktinformationsblätter
zu Nr. 7 (§ 31 WpHG-E)

Die DSW befürwortet grundsätzlich die in § 31 Abs. 3 Satz 4 WpHG-E vorgesehene Einführung eines Produktinformationsblattes für Privatkunden. Den vorgesehenen Umfang von maximal zwei DIN 4 Seiten halten wir für ausreichend, um die wesentlichen Merkmale und Risiken einer auf einen Privatkunden zugeschnittenen Kapitalanlage verständlich darstellen zu können.
Allerdings denken wir, dass die „zögerliche“ und uneinheitliche Umsetzung der „freiwilligen“ Verpflichtung der Kreditwirtschaft gezeigt hat, dass es nun auch einer umgehenden inhaltlichen Vorgabe bedarf. Dabei sollten diese Vorgaben auf der Basis des bereits vorgelegten „Muster-Beibackzettels“ erfolgen, der u.E. ausreichend Informationen vermittelt.
Akzeptabel ist es, dass der Kunde auf die Vorlage eines Informationsblatts verzichten kann, zumal dies nicht im Rahmen eines bei Begründung der Geschäftsverbindung erklärten allgemeinen Verzichts, sondern nur aus der konkreten Beratungssituation heraus individuell erfolgen kann. Jedoch sollte den Instituten vorgegeben werden, in welcher Form und mittels welcher konkreten Aufklärung ein solcher Verzicht erklärt werden muss.
Auch sollte bereits vorab geklärt werden, wie vermieden werden kann, dass bei verschiedenen Kreditinstituten gleiche Produkte mit inhaltlich unterschiedlichen Informationsblättern versehen werden.
Wir befürchten zudem, dass die Markt schon seit längerer Zeit zu beobachtende Tendenz, dass sich die Kreditinstitute immer mehr aus der Anlageberatung (insbesondere in Einzelwerten) zurückziehen, durch die Einführung der PIB nochmals deutlich verstärkt wird. Bereits mit der Einführung der Protokollierungspflicht haben wir feststellen müssen, dass die Beratungsmodelle der Banken und Sparkassen überdacht und angepasst wurden. Allerdings erfolgte eine Anpassung nahezu immer zu Lasten der Beratungsleistung, die oftmals auch komplett eingestellt wurde.
In Bezug auf die Einführung von produktinformationsblättern befürchten wir eine weitergehende Entwicklung. So werden die betroffenen Institute allein für eine kleine Zahl ausgesuchter Wertpapiere und Produkte gesonderte PIB entwickeln und vorhalten. In allen Aktien, Fonds, Zertifikate usw., für die keine PIB vorliegen, wird dann eine Beratung schlichtweg nicht mehr erfolgen (können). Dies bedeutet insbesondere für Aktien, dass diese aus der Beratung endgültig verschwinden werden. Dies ist volkswirtschaftlich und auch vor dem Hintergrund einer für den Kunden bestmöglichen Beratung nicht wünschenswert und u.E. sogar systemwidrig. Wie kann eine Beratung auf die individuellen Bedürfnisse eines Kunden ausgerichtet sein, wenn diese Beratung schon von Anfang an auf wenige, mit einem PIB versehene Wertpapiere und Produkte beschränkt ist? Besonders fatal ist dabei zu werten, dass allein das beratende Institut bestimmt, für welche Anlageobjekte es PIB entwickelt und anbietet. Eine Selektion findet also nicht auf der Basis der Kundenwünsche und gesetzlichen Vorgaben für eine anlegergerechte Beratung statt, sondern wird im Vorfeld in den Rechts- und Risikomanagementabteilungen der Kreditinstitute entschieden. Das kann eigentlich nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Eine Lösung könnte sein, dass für einzelne Anlagegattungen oder – gruppen – und eben nicht für einzelne Wertpapiere – PIBs entwickelt werden. So ist nicht zu erwarten, dass Banken und Sparkassen für eine RWE-Aktie ein anderes PIB kreieren als für eine E.ON-Aktie. Anderenfalls würde das PIB zugleich eine Researchleistung darstellen, die aber so im Entwurf beschrieben oder an anderer Stelle gewünscht wurde.
Im Ergebnis würde das Chancen-Risiko-Profil einer Aktie dargestellt werden müssen. Ansonsten würde das PIB zu einer Kauf- oder Verkaufsempfehlung für die z.B. RWE- oder E.ON-Aktie generieren.
Darum soll und kann es aber gerade nicht gehen. Nach unserem Verständnis geht es allein um die Darstellung der Funktionsweise des Wertpapiers unter Abwägung der jeweiligen Chancen/Risiken, Kosten etc.
Wir befürworten auch die in § 31 Abs. 4 a WpHG-E enthaltene – aufsichtsrechtliche – Regelung, nach der Institute ihren Kunden nur für sie individuell geeignete Finanzinstrumente bzw. Wertpapierdienstleistungen empfehlen dürfen. Zwar sollte der diesem Handlungsgebot zugrunde liegende Rechtssatz eigentlich eine Selbstverständlichkeit seien. Dennoch halten wir es für sinnvoll, dass hier ein inhaltlicher Gleichlauf zwischen dem Aufsichtsrecht mit dem Zivilrecht hergestellt wird, das ohnehin bereits davon ausgeht, dass Kunden nur für sie individuell geeignete Finanzinstrumente empfohlen werden dürfen.


zu Artikel 5 (Börsengesetz)
Anpassung der Verjährungsfristen
zu Nr. 1 (§ 46 BörsG-E)

Wir befürworten, dass die kurze Verjährungsfrist des § 46 BörsG aufgehoben werden soll. Dies entspricht einer langjährigen DSWForderung. Die bisherigen Fristen haben sich in den von uns beobachteten Fällen regelmäßig als zu kurz erwiesen. Die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 195 ff. BGB verhindern nunmehr, dass Prospektansprüche verjähren, bevor der Anleger überhaupt erkennen kann, dass ihm ein solcher Anspruch zusteht. Die Prospektverantwortlichen werden durch die Neuregelung nach unserer Überzeugung auch nicht über Gebühr belastet. Im Ergebnis handelt es sich um einen sachgerechten Ausgleich der Interessen von Gläubigern und Schuldnern.
Darüber hinaus besteht nach Ansicht der DSW im Rahmen der Prospekthaftung weiterer Anpassungsbedarf. Die Belassung der Vermutungswirkung bei sechs Monaten ab erstmaliger Einführung der Wertpapiere sollte jedoch ausschließlich für den Regulierten Markt gelten, da dort feinmaschige Zulassungsfolgepflichten dafür sorgen, dass der Anleger laufend mit neuen Informationen versorgt wird und auch versorgt werden muss.

Etwas anderes gilt jedoch im Unregulierten Markt und noch intensiver im Grauen Kapitalmarkt, wo keine strengen bzw. schlicht gar keine Zulassungsfolge- oder Transparenzpflichten gelten. Dort sollte die Vermutungswirkung eines Prospektes, eines Jahresberichtes usw. einen längeren Zeitraum andauern, da dort nicht laufend neue Informationen nachgeschoben werden müssen. Hier könnte beispielsweise darauf abstellt werden, dass die Vermutungswirkung erst sechs Monate nach Beendigung eines öffentlichen Anbietens der Wertpapiere endet.
Dies ist auch damit zu begründen, dass gerade im Bereich der geschlossenen Fonds das öffentliche Angebot oftmals länger oder sogar laufend am Markt ist.
Nach Ansicht der DSW ist die Einführung einer gesetzlichen Vermutung der Ursächlichkeit einer Fehlinformation des Kapitalmarktes für eine Kaufs- oder Verkaufsentscheidung nach dem Modell der Prospekthaftung zudem bei Ad-hoc-Mitteilungen, Quartalsberichten, Halbjahres- und Jahresberichten als angezeigt zu bewerten.
Schon immer fassen Anleger und auch die DSW eine Ad-hoc-Mitteilung oder einen Quartalsbericht als einen „kleinen“ Prospekt auf, der die Marktstimmung maßgeblich beeinflusst.
Nach Ansicht der DSW ist die Wirkung dort oftmals sogar deutlicher als bei einem Prospekt, da z. B. einer Quartalsberichterstattung erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ad-hoc-Mitteilungen haben per se aufgrund ihrer kursbeeinflussenden Wirkung eine enorme Relevanz für Anleger und geben klare Kaufs- oder Verkaufssignale. Wie lange die „Ursächlichkeit“ eines falschen Prospektes, einer falschen Ad-hoc-Mitteilung oder falscher Berichte ausgestaltet sein sollte, ist sicher schwer zu bestimmen.
Die sechsmonatige Vermutungswirkung eines Prospektes ist als Anhaltspunkt aber sicher gut heranzuziehen. Bei Ad-hoc-Mitteilungen und Quartalsberichten könnte eine Vermutungswirkungen aber auch durchaus kürzer ausfallen, ohne die Interessen der Anleger zu sehr zu strapazieren. Wir schlagen daher eine Frist von 100 Tagen vor.


offene Immobilienfonds
zu Art. 7 (Investmentgesetz)
zu Nr. 2 (§ 37 Abs. 3 InvG-E)

In der Beratungspraxis der DSW hat sich herausgestellt, dass die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an offenen Immobilienfonds bei Privatanlegern auf wenig Verständnis stößt. Dennoch halten wir es für richtig, dass die BAFin nach der vorgesehenen Neuregelung in die Lage versetzt werden soll, die Aussetzung der Rücknahme gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft anzuordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, also die Maßnahme im Interesse der
Anleger erforderlich ist. Es versteht sich von selbst, dass die Aussetzung der Rücknahme immer nur eine Ultima Ratio sein kann. Andererseits schädigt ein Fonds, der „offen gelassen“ wird, obwohl seine Liquidität nicht ausreichend ist, um die vorliegenden Rücknahmeverlangen zu bedienen, massiv die verbleibenden Fondsanteilsinhaber, da vorhandenes Fondssondervermögen unter Wert verkauft oder beliehen werden muss.


zu Nr. 5 a (§ 79 Abs. 1 Satz 2 InvG-E)

Die in den besonderen Begründungen zu dieser Vorschrift angestellten Erwägungen zur Berechnung des Netto-Inventarwertes über den Verkehrswert können wir bestätigen. Wir halten deshalb die Einführung eines Sicherheitsabschlages von 10 % auf den bisher ermittelten Wert einer Immobilie oder eines Anteils an einer Immobilien-Gesellschaft für sachgerecht. Gleiches gilt für die vorgesehene Verkürzung des Bewertungsturnus von bisher 12 auf 6 Monate, wie in § 79 Abs. 1 Satz 3 InvG-E vorgesehen.
Allerdings ist auch anzumerken, dass schon allein diese Regelung dazu führen wird, dass offene Immobilienfonds zukünftig allein dadurch eine herbe Diskriminierung erfahren werden. Dies gilt vor allem in Kombination mit den weiteren angedachten Beschränkungen in der Handelbarkeit.

 

zu Nr. 6 (§ 80 Abs. 1 Satz 2 InvG-E)


Die Einführung einer in den Vertragsbedingungen des Fonds vorzusehenden Kündigungsfrist für rückgabewillige Anleger, die in den Vertragsbedingungen auf eine Zeitspanne zwischen 6 und 24 Monaten festgelegt werden kann, halten wir für folgerichtig. Der langfristige Spagat zwischen der von den Produktanbietern immer wieder propagierten täglichen Verfügbarkeit der Anlegergelder in offenen Immobilienfonds einerseits und dem Langfristcharakter der im Fondssondervermögen befindlichen Immobilien konnte nicht auf Dauer ausgehalten werden. Durch die Einführung einer Kündigungsfrist sowie die in § 80 c Abs. 3 InvG-E künftig vorgesehene Haltefrist von zwei Jahren führt die Anlage in offenen Immobilienfonds endgültig zu einem Langfristinvestment. Dies wird den Privatanlegern auch deutlich werden.
Wir bedauern allerdings, dass der Gesetzgeber bei der Einführung sowohl der Mindesthalte- als auch der Kündigungsfrist nicht zwischen den unterschiedlichen Investorengruppen differenziert hat. Die Liquiditätskrise der offenen Immobilienfonds in den Jahren 2005 sowie 2008 ist nämlich gerade nicht auf massive Anteilsrückgaben der Privatanleger zurückzuführen. Auslösend war vielmehr das Anlageverhalten institutioneller Adressen, die in Publikumsfonds ihre überschüssige Liquidität geparkt und bei Bedarf kurzfristig wieder abgezogen haben.
Vor diesem Hintergrund fordern wir, für Privatanleger zumindest kleinere Verfügungen bis zu einer Größenordnung von beispielsweise EUR 100.000,00 zuzulassen, ohne dass insoweit die Kündigungsfristen eingehalten werden müssen.
Wie dem neuen § 80 c Abs. 5 InvG-E zu entnehmen ist, soll die Kapitalanlagegesellschaft künftig verpflichtet werden, für die Fondsanteile einen liquiden Sekundärmarkt aufrecht zu erhalten. Bei der Frage, ob ein rückgabewilliger Fondsanteilsinhaber die Haltefrist von zwei Jahren eingehalten hat, kann es deshalb in Einzelfällen darauf ankommen, ob dem Rückgabewilligen die Besitzzeit seines Vormannes zugerechnet werden kann. Nach der im Diskussionsentwurf vorgesehenen Rechtslage findet diese Anrechnung nicht statt, da der Rückgabewillige für jeden in die zweijährige Haltefrist fallenden Rückgabetermin eine Bestätigung der depotführenden Stelle über einen entsprechenden Bestand in dieser Fondsgattung vorlegen muss. Wenn man den Sekundärmarkt jedoch stärken möchte, wie dies durch § 80 c Abs. 5 InvG-E offenbar intendiert ist, sollte man über eine Anrechnung der Vorbesitzzeit nachdenken. Die Kapitalanlagegesellschaft ist in Bezug auf die von ihr ausgegebenen Fondanteile ohnehin für die Dauer von zwei Jahren vor vorzeitigen Rückgaben gestützt. Für sie ist es irrelevant, ob die ausgegebenen Fondsanteile in der Zwischenzeit durch unterschiedliche Hände gehen.

In Bezug auf den angedachten börslichen Handel von offenen Immobilienfonds sollte beachtet werden, dass sich dieser nicht zu sehr an den Vorgaben des Frankfurter Handelsplatzes orientiert. Gerade die nicht in Frankfurt ansässigen Börsen haben in den letzten Jahren – lange vor der Frankfurter Börse – den börslichen Handel von Investmentanteilen überhaupt ermöglicht.


zu Abs. 5 (§ 80 c Abs. 5 InvG-E)

Wie bereits dargestellt, soll die Kapitalanlagegesellschaft künftig verpflichtet sein, einen liquiden Sekundärmarkt für die von ihr ausgegebenen Fondsanteile aufrecht zu erhalten. Dies ist sicherlich grundsätzlich eine sinnvolle Regelung. Aus unserer Sicht wird jedoch nicht hinreichend deutlich, welche konkreten Verpflichtungen die Kapitalanlagegesellschaft künftig zu übernehmen haben wird. Soll sie beispielsweise verpflichtet werden, einen Market Maker, Betreuer oder Designated Sponsor für die jeweiligen Werte zu beauftragen? Und wer würde die hiermit verbundenen Kosten tragen?
Zudem werden bereits heute eine Reihe von offenen Immobilienfonds an verschiedenen Börsen gehandelt. Dies gilt selbst für solche Fonds, bei denen vorübergehend die Rücknahme der Anteile ausgesetzt ist. Obwohl in solchen Fällen die Kapitalanlagegesellschaften regelmäßig für jeden Börsentag einen Nettoinventarwert rechnen, liegen die Notierungen an der Börse teilweise um bis zu 25 % unter dem Nettoinventarwert. Der Grund ist die Verunsicherung der Anleger, zu welchen Werten die Nettoinventarwertberechnung bei Wiedereröffnung des Fonds kommen wird. Vergleichbares dürfte nach neuer Gesetzeslage auch bei solchen Fonds gelten, deren Rücknahme weiterhin möglich ist, da künftig die Berechnung der Rücknahmepreise nur noch zu den Rücknahmestichtagen erfolgt, so dass in der Zwischenzeit für die Anleger kaum eine Orientierung über die weitere Wertentwicklung möglich ist. Diese Unsicherheit dürfte auch im Börsenhandel weiterhin „offener Fonds“ zu erheblichen Abschlägen führen, so dass der börsenmäßige Verkauf für den aussteigewilligen Fondsanteilsinhaber eine wirtschaftlich schlechte Alternative bleiben dürfte.


Weiterer Regulierungsbedarf aus Sicht der DSW:

Nach Ansicht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) besteht in folgenden weiteren Punkten ebenfalls Regulierungsbedarf:

 

1. Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG)

Die aktuelle Initiative des Bundesfinanzministeriums sollte auch dazu genutzt werden, das vor vielen Jahren im Entwurf vorgelegte Gesetz zur unmittelbaren Haftung von Organmitgliedern bei fehlerhafter Information des Kapitalmarktes zu reaktivieren. Aus Sicht der DSW ist dieses Gesetz mehr als nur eine vertrauensbildende Maßnahme.
Vielmehr vermag es, die Lücke in dem bestehenden Haftungsregime zu schließen, die bisher geschädigten Anleger verwehrt, Ansprüche auch unmittelbar gegen pflichtwidrig handelnde Vorstände und andere gesetzliche Vertreter zu begründen und auch geltend zu machen.

 

2. Wirtschaftliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen

Als ergänzenden Punkt möchten wir anführen, dass wir hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen eine Anpassung der Regelung des KapMuG für sinnvoll erachten.
Besonders misslich ist dabei der Umstand, dass weiterhin sämtliche betroffenen Geschädigten eine Klage beim zuständigen Landgericht einreichen müssen. Sinnvoll wäre es u.E., dass man ein Klageregister z.B. beim Elektronischen Bundesanzeiger einführt, bei dem man sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist anmelden kann, um so an dem Musterverfahren teilzunehmen. Eine solche Registrierung sollte verjährungshemmende Wirkung haben und letztendlich die individualisierte Einreichung einer Klage beim LG überflüssig machen. So würden auch die Gerichte deutlich entlastet werden können. Ansonsten würde die Strahlungswirkung des KapMuGVerfahrens ausgestaltet sein wie bisher.


3. Anlegerschutz bei BaFin verankern

Die Diskussion und rechtliche Auseinandersetzung um die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes auf die BaFin hat erneut gezeigt, dass der Auftrag der BaFin auch auf den Schutz der Anleger und besonders der Privatanleger bezogen werden muss. Für die DSW ist die Funktionsfähigkeit des Marktes nur dann gewährleistet, wenn auch die Marktteilnehmer sich durch die BaFin repräsentiert sehen. Dies ist im Augenblick allein mittelbar der Fall. Nur eine Verknüpfung der bisherigen Ausrichtung der BaFin mit dem erweiterten Schutzauftrag für den Anleger wird allein dafür sorgen können, dass der Anlegerschutz nachhaltig gestärkt wird, weil nur so der Anleger auf die Erkenntnisse der BaFin unmittelbar zurückgreifen kann, was ihm heute schlichtweg verwehrt ist.


Düsseldorf, den 27. Mai 2010
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.