SchVG-E

Stellungnahme der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften (SchVG-E)

Die DSW begrüßt grundsätzlich den vorgesehenen Regelungsgehalt des Referentenentwurfes. Die beabsichtigten Vorschriften zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen sind deutlich flexibler als die entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 04. Dezember 1899.

Wie der besonderen Begründung des Referentenentwurfs zu § 4 SchVG-E zu entnehmen ist, soll die Befugnis der Gläubiger, durch Mehrheitsbeschlüsse Veränderungen der Anleihebedingungen herbeizuführen, nicht länger von einer wie auch immer gearteten Notlage des Schuldners abhängen. Dennoch besteht nach diesseitigem Verständnis der Sinn der Neuregelungen darin, eine Sanierung des Emissionsschuldners bereits zu einem früheren Zeitpunkt beginnen lassen zu können.

Dies setzt voraus, dass überhaupt eine Situation des Emittenten vorliegt, in der dieser der Sanierung bedarf. Deshalb sind sämtliche gesetzlichen Vorkehrungen einer besonders kritischen Prüfung zu unterziehen, mit denen verhindert werden soll, dass der Emittent, beispielsweise im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit befreundeten Adressen, eine Veränderung der Anleihebedingungen herbeiführt, um sich seinen Rückzahlungsverpflichtungen ganz oder teilweise zu entziehen, obwohl es im Ergebnis nicht um Sanierung, sondern lediglich um Gewinnmaximierung geht. Im Rahmen der Detailbesprechung der einzelnen Vorschriften kommen wir auf diesen Gesichtspunkt gesondert zurück.

Ausdrücklich zu befürworten ist der Wegfall der Verjährungsvorschrift für Ersatzansprüche aus fehlerhaften Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen (§ 37a WpHG). Die DSW hat wiederholt, zuletzt im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), darauf hingewiesen, dass eine Verjährungsfrist von lediglich drei Jahren, die bereits mit dem Kauf der entsprechenden Wertpapiere zu laufen beginnt, aus Anlegerschutzgesichtspunkten unzureichend ist. Wir begrüßen es, dass für derartige Ansprüche nunmehr zumindest die allgemeinen Verjährungsvorschriften (§§ 195 ff. BGB) gelten sollen.

Andererseits bedauert die DSW, dass es für Schadenersatzansprüche wegen falscher oder unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen (§§ 37b und 37c WpHG) sowie wegen unrichtiger Börsen- oder Verkaufsprospekte (§ 46 BörsG und § 127 Abs. 5 InvG) bei der kurzen Verjährungsfrist von einem Jahr bzw. maximal drei Jahren bleiben soll. Es mag zutreffen, dass die genannten Haftungsnormen zu Gunsten der Anleger Beweiserleichterungen enthalten. Die Beibehaltung der kurzen Verjährungsfrist von lediglich einem Jahr (ab Kenntnis) rechtfertigen diese Beweiserleichterungen jedoch nicht. Auch auf diesen Gesichtpunkt kommen wir im Rahmen der Detailbesprechung einzelner Vorschriften gesondert zurück.

 

Zu den vorgeschlagenen Regelungen im Einzelnen:

I. Artikel 1 - Gesetz über Schuldverschreibungen aus Anleihen

Zu § 5 SchVG-E

Nachdem eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Notlage des Emissionsschuldners künftig nicht mehr erforderlich sein soll, um den Gläubigern durch Mehrheitsbeschluss eine Änderung der Anleihebedingungen zu ermöglichen, muss sichergestellt sein, dass der Schuldner sich weder direkt noch indirekt an den Gläubigerabstimmungen beteiligt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vorschriften zur Beschlussfähigkeit (§ 14 Abs. 3 SchVG-E) sowie zu den erforderlichen Beschlussmehrheiten (§ 4 Abs. 4 SchVG-E) keine allzu hohen Hürden schaffen.

Die genannte Funktion, den Schuldner von den Gläubigerentscheidungen fernzuhalten, soll § 5 SchVG-E übernehmen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG-E ruht das Stimmrecht, solange die Anteile dem Schuldner oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen zustehen oder für Rechnung des Schuldners oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens gehalten werden. Hinsichtlich des Terminus „verbundenes Unternehmen“ wird auf § 271 Abs. 2 HGB abgestellt, der seinerseits auf die Vorschriften zur Vollkonsolidierung (§§ 290 ff. HGB) verweist.

Gemäß § 290 Abs. 2 HGB besteht eine Vollkonsolidierungspflicht lediglich dann, wenn dem Mutterunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter des Tochterunternehmens zusteht, oder dem Mutterunternehmen das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane zu bestellen oder abzuberufen, zwischen Mutter und Tochter ein Beherrschungsvertrag existiert oder Satzungsbestimmungen eine vergleichbare Einflussnahme ermöglichen.

Der Rückgriff auf die Vorschriften über die Vollkonsolidierung ist, gemessen an dem hier vorausgesetzten Zweck, den Schuldner aus den Gläubigerabstimmungen herauszuhalten, zu eng gefasst. Es steht zu befürchten, dass es in der Praxis zu Gestaltungen kommen könnte, die nicht die Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 HGB erfüllen, bei denen es einem böswilligen Schuldner aber gelingen könnte, unter Einbeziehung befreundeter Adressen auf die Gläubigerabstimmungen Einfluss auszuüben. Zu denken wäre beispielsweise an Gestaltungen, die dem so genannten Acting in Concert entsprechen (vgl. § 22 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG).

Vor diesem Hintergrund bitten wir um Überprüfung, ob und inwieweit im Rahmen von § 5 SchVG-E die strengeren - und aus unserer Sicht sachangemesseneren - Zurechnungsvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes und des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes übernommen werden können.

 

Zu § 6 SchVG-E

Nach dieser Vorschrift kann ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger bestellt werden. Restriktionen für den Personenkreis, der zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden kann, bestehen nach der vorgesehenen Neuregelung nicht. Selbst wenn näher bezeichnete Interessenkonflikte bestehen, muss der Kandidat den Gläubigern vor seiner Bestellung lediglich die maßgeblichen Umstände offen legen (§ 6 Abs. 1 SchVG-E).

Da der gemeinsame Vertreter den Gläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben als Gesamtgläubiger haftet (§ 6 Abs. 3 SchVG-E), regt die DSW an, normativ konkrete Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit eines solchen Kandidaten zu definieren. So könnte von demjenigen, der zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden soll, verlangt werden, zunächst eine bestehende Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in hinreichender Höhe nachzuweisen, die das hier angesprochene Haftungsrisiko einschließt.

 

Zu § 10 SchVG-E

Die DSW hat Bedenken gegen die in dieser Vorschrift künftig enthaltene Regelung, wonach die Gläubigerversammlung bei einem Schuldner mit Sitz im Inland am Sitz des Schuldners stattfinden soll. Lediglich dann, wenn die Schuldverschreibungen an einer näher bezeichneten Wertpapierbörse zum Handel zugelassen sind, kommt als Ort der Gläubigerversammlung auch der Sitz dieser Wertpapierbörse in Betracht.

Häufig werden Schuldverschreibungen von so genannten Zweckgesellschaften emittiert, die ihren Geschäftssitz an abgelegenen Orten wie etwa Norderfriedrichskoog haben. Bei einer derartigen Konstellation ist nicht sichergestellt, dass es den Gläubigern ohne unzumutbare Erschwernisse ermöglicht wird, an den Abstimmungen im Rahmen der Gläubigerversammlung teilzunehmen. Aus der Satzungspraxis von Aktiengesellschaften für die Festlegung des Hauptversammlungsortes sind hinreichende Alternativen (beispielsweise: die dem Sitz des Emittenten nächst gelegene Großstadt mit mindestens 100.000 Einwohnern) bekannt, auf die hier abgestellt werden könnte, um die beschriebenen Erschwernisse bei der Teilnahme an den Gläubigerabstimmungen zu vermeiden.

 

Zu § 11 SchVG-E

Kritisch sehen wir die vorgesehene Bekanntmachung der Einberufung zur Gläubigerversammlung. Künftig soll die einmalige Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ausreichen. Zusätzlich muss der Schuldner die Einberufung und weitere für die Vorbereitung der Teilnahme an der Versammlung wichtige Unterlagen unter seiner Adresse im Internet zugänglich machen.

Aus unserer Sicht besteht die Besorgnis, dass eine in dieser Weise bekannt gemachte Einberufung nur von einer kleinen Zahl betroffener Gläubiger zur Kenntnis genommen wird. Auf die Annahme, die redaktionelle Presseberichterstattung werde zu einer weiteren Verbreitung der Nachricht beitragen, sollte man sich aus Sicht der DSW nicht verlassen.

Die flankierende Veröffentlichung der vorbereitenden Unterlagen über die Gläubigerversammlung auf der Internetseite des Emittenten hilft aus unserer Sicht nur wenig. Insbesondere besteht eine andere Situation als bei der ordentlichen Hauptversammlung von Aktiengesellschaften. Hier veröffentlichen die Gesellschaften bereits sehr frühzeitig einen Finanzkalender, sodass dem interessierten Aktionär schon im Vorfeld bekannt ist, wann eine Hauptversammlung ansteht und zu welchem Zeitpunkt er mit einer Veröffentlichung der Einberufungsunterlagen auf der Internetseite rechnen kann.

Gläubigerversammlungen werden jedoch nur aus einem bestimmten Anlass einberufen. Sie entziehen sich einer Regelmäßigkeit, die im Rahmen eines Finanzkalenders erfasst werden könnte. Solange ein Gläubiger keinen konkreten Anlass hat, auf der Internetseite des Emittenten nachzusehen, wird er dort auch keine Hinweise auf eine anstehende Gläubigerversammlung und die entsprechenden Teilnahmemodalitäten erwarten.

 

Zu § 12 SchVG-E

In dieser Vorschrift ist künftig von einer „vorläufigen“ Tagesordnung die Rede. Diese Wortwahl suggeriert, dass es in Abgrenzung von der vorläufigen Tagesordnung auch eine endgültige Tagesordnung geben muss. Allerdings führt dieser Gedanke in die Irre, denn die vorläufige Tagesordnung wird ohnehin zu einer endgültigen Tagesordnung, da über Tagesordnungspunkte, die nicht in der vorgeschriebenen Weise vorher bekannt gemacht worden sind, ohnehin keine Beschlüsse gefasst werden dürfen.

Wir sehen, dass § 12 SchVG-E nach dem Vorbild des § 122 Abs. 2 AktG eine Möglichkeit für eine Gläubigerminderheit von 5 Prozent vorsieht, die Tagesordnung durch neue Beschlussgegenstände zu erweitern. Dennoch wird auch im Rahmen des AktG nicht zwischen einer vorläufigen und einer endgültigen Tagesordnung unterschieden. Wir empfehlen deshalb, den Begriff „vorläufig“ in dem hier vorliegenden Kontext zu streichen. 

 

Zu § 13 SchVG-E

Der besonderen Begründung zu § 13 SchVG-E, der künftig die Voraussetzungen einer Vertretung in der Gläubigerversammlung regeln soll, ist zu entnehmen, dass seitens des Gesetzgebers keine konkreten Vorgaben im Hinblick auf die Überprüfung von Identität und Bevollmächtigung des Vertreters gemacht werden sollen.

Es ist einerseits nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber hier Raum für die Berücksichtigung zukünftiger, insbesondere technischer Entwicklungen lassen möchte. Andererseits ist uns aus Gesprächen mit Unternehmensvertretern bekannt, dass in der Praxis ein hohes Interesse an rechtssicheren Lösungen besteht. Die betroffenen Unternehmen möchten in der Regel nicht an einer irgendwie gearteten Rechtsfortentwicklung mitwirken, sondern anfechtungssichere Beschlussfassungen gewährleisten.

Deshalb regen wir an,  im Rahmen der Gesetzesbegründung zumindest eine Gestaltung exemplarisch und nicht abschließend darzustellen, die in jedem Fall die rechtlichen Voraussetzungen zur Feststellung der Identität und der bestehenden Vollmacht des Vertreters erfüllt („safe harbour“).

 

Zu § 14 SchVG-E

In § 14 Abs. 3 SchVG-E ist künftig die Beschlussfähigkeit geregelt. Nach Satz 1 ist die Gläubigerversammlung danach beschlussfähig, wenn die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Für die DSW ist an dieser Stelle nicht ersichtlich, was mit dem Begriff „wertmäßig“ konkret gemeint ist. Gemäß § 5 Abs. 1 SchVG-E bestimmt sich das Stimmrecht eines jeden Gläubigers nämlich nach Maßgabe des Nennwertes oder des rechnerischen Anteils seiner Berechtigung an der ausstehenden Anleihe. Somit hätte es nahe gelegen, auch für die Frage der Beschlussfähigkeit in § 14 Abs. 3 SchVG-E die gleichen Anknüpfungskriterien zu wählen und hierdurch einen Gleichlauf herzustellen.

 

Zu § 15 SchVG-E

In § 15 Abs. 1 SchVG-E sind die Auskunftspflichten des Schuldners gegenüber dem einzelnen Gläubiger geregelt. Die Verpflichtungen entsprechen denjenigen, die auch für die Hauptversammlung gelten (§ 131 AktG). Allerdings ist offen geblieben, ob dem Schuldner an dieser Stelle auch Auskunftsverweigerungsrechte entsprechend § 131 Abs. 3 AktG zugestanden werden sollen.

Zur Vermeidung ansonsten möglicherweise eintretender Rechtsunsicherheiten regen wir daher an klarzustellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Katalog der Auskunftsverweigerungsrechte aus § 131 Abs. 3 AktG im Rahmen der Auskunftspflichten aus § 15 Abs. 1 SchVG-E gelten soll.

 

II. Artikel 4 - Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes

 

Zu § 37a WpHG-E

Die Aufhebung dieser Vorschrift hat zur Folge, dass Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung künftig unter die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB fallen. Wir hatten in unseren einleitenden Anmerkungen bereits darauf hingewiesen, dass wir diese Gesetzesänderung für hoch willkommen halten.

 

Zu §§ 37b, c WpHG

Wie bereits im Rahmen der Einleitung ausgeführt, sind die für Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Kapitalmarktkommunikation bestehenden Verjährungsfristen weiterhin unzureichend kurz.

So zeigen die aktuellen Geschehnisse um die IKB, dass beispielsweise im Rahmen der Beurteilung von Schadenersatzansprüchen wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung (§ 37b WpHG) der Anleger möglicherweise bereits durch Nachholung der zunächst unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung durch den Emittenten Kenntnis von der Unterlassung erlangt, sodass die Frist gegen ihn zu laufen beginnt.

Diese Kenntnis bedeutet jedoch noch lange nicht, dass dem Anleger hinreichend gesicherte Erkenntnisse zu weiteren Elementen der Anspruchsgrundlage vorliegen, beispielsweise hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschaft überhaupt zur Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung verpflichtet war. So könnte beispielsweise eine Selbstbefreiung durch den Emittenten (§ 15 Abs. 3 WpHG) vorgelegen haben, für die durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erst in der Nachschau beurteilt wird, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Befreiung überhaupt vorgelegen haben.

In der Regel handelt es sich um interne Vorgänge, die allenfalls durch eine aktienrechtliche Sonderprüfung oder vergleichbare Untersuchungshandlungen aufgeklärt werden können. Derartige Untersuchungen benötigen in der Regel einen längeren Zeitraum. Somit besteht die Gefahr, dass für Ersatzansprüche aus § 37b WpHG bereits Verjährung eingetreten ist, wenn die Untersuchungsergebnisse erstmals bekannt werden und für die Entscheidung über eine mögliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen herangezogen werden könnten.

Die DSW spricht sich deshalb explizit dafür aus, zumindest im Rahmen der Ersatzansprüche aus §§ 37b und 37c WpHG das allgemeine Verjährungsregime des BGB anzuwenden.

Deutsche Schutzvereinigung

für Wertpapierbesitz e. V.