Stellungnahme zur BaFin-Anhörung zu Bonitätsanleihen

Mit der vorgenannten Allgemeinverfügung beabsichtigt die BaFin, das Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Zertifikaten bezogen auf Bonitätsrisiken („Bonitätsanleihen“ oder „credit linked notes“) an Privatkunden im Sinne des § 31a Abs. 3 WpHG anzuordnen.

Aus Sicht der BaFin werfen Vermarktung, Vertrieb und Verkauf von Bonitätsanleihen an Privatkunden aus den folgenden Erwägungen erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz auf:

  • Die hohe Produktkomplexität derartiger Finanzprodukte könne vom durchschnittlichen Privatkunden nicht erfasst werden;
  • Privatanleger seien bei Bonitätsanleihen den Besonderheiten des hochprofessionellen Marktsegments des Handels mit CDS indirekt ausgesetzt und in diesem Marktsegment professionellen Teilnehmern unterlegen; 
  • Für Bonitätsanleihen werde – nicht zuletzt auch im Rahmen der Anlageberatung – eine irreführende Produktbezeichnung/-beschreibung verwendet;
  • In der Produktstruktur sei ein Interessenkonfliktrisiko angelegt;
  • Bonitätsanleihen seien bei Privatkunden weit verbreitet.

Die BaFin basiert die Allgemeinverfügung unter anderem auf die Ergebnisse einer Untersuchung zur Emission und zum Vertrieb von Bonitätsanleihen, die sie in der ersten Jahreshälfte 2016 durchgeführt hat. Hierbei sollten rund 100 ausgewählte Unternehmen angeschrieben und zum Vertrieb der Bonitätsanleihen befragt werden. Die Rücklaufquote wurde von der BaFin ebenso wenig veröffentlicht wie die detaillierten Ergebnisse der Studie. Aus Sicht der BaFin ergab sich aus der Untersuchung unter anderem, „dass die Emittenten die Bonitätsanleihen gezielt für den Absatz an Privatkunden produzieren“ und dass „der Vertrieb der Bonitätsanleihen regelmäßig im Wege von provisionsbasierten Anlageberatungen …. erfolgt“, die in der Regel gegenüber Privatkunden, insbes. im standardisierten Massegeschäft, erbracht würden, wobei die Ergebnisse der Stichprobe der Beratungsdokumentation darauf hinwiese, „dass die Funktionsweise der Bonitätsanleihe in der Regel nicht erörtert“ werde.

Die DSW als Anlegerschutzorganisation orientiert sich seit rund 70 Jahren am Leitbild des mündigen Anlegers. Diesem soll grds. die Möglichkeit eröffnet werden, aus dem gesamten Universum aller Anlageprodukte eine freie und für ihn passende Auswahl treffen zu können. Verbote, insbesondere einer ganzen Anlagegattung, können nach dem Verständnis der DSW daher immer nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Als Ausgleich fordert die DSW dafür ein hohes Maß an Transparenz, welches im Falle von Bonitätsanleihen in der Tat kritisch zu sehen ist. Insofern begrüßt die DSW den Ansatz der BaFin, die ihr gemäß WpHG übertragenen Rechtsmittel einzusetzen und stimmt zudem mit der Analyse der BaFin überein, dass es sich bei Bonitätsanleihen um komplexe Finanzprodukte handelt. Denn zusätzlich zu den üblichen Risiken wie Markt- und Emittentenrisiko trägt der Anleger auch noch das Kreditrisiko des Referenzschuldners. Bei Eintritt eines von der ISDA festgestellten Kreditereignisses in Bezug auf den Referenzschuldner, erlischt die Verpflichtung des Emittenten zur Rückzahlung des Nennbetrags am Laufzeitende. Außerdem erhält der Anleger keine weiteren Zinszahlungen mehr. Stattdessen kommt es zu einer vorzeitigen Rückzahlung eines Barausgleichsbetrages, der in der Regel deutlich unter dem Nennbetrag liegt. In diesem Fall droht dem Anleger ein Geldverlust bis hin zum Totalverlust.

Wir fragen uns jedoch, ob die von der BaFin aufgeworfenen Bedenken nicht eher auf ein Vertriebs- denn auf ein Produktproblem hinweisen. Denn insbesondere die Art und Weise, wie dieses Finanzprodukt an Privatanleger vermarktet und vertrieben wird, weist erhebliche Anlegerschutzbedenken auf. So ist bereits die Vermarktung dieser Zertifikate unter der Produktbezeichnung „Bonitätsanleihe“ irreführend, denn aus dem Empfängerhorizont des Anlegers ist hierunter eher eine Schuldverschreibung von Unternehmen mit guter Bonität als ein Kreditderivat zu verstehen.

Um diesem Missstand zu begegnen, könnten der BaFin jedoch verschiedene, mildere Mittel zur Verfügung stehen und auch genutzt werden, denn ein Eingriff in eine gesamte Produktgattung im Wege der Produktintervention sollte aus Sicht der immer die Ultima Ratio sein, um dem mündigen Anleger die Wahlmöglichkeit aus dem gesamten Anlageuniversum zu erhalten – bei entsprechend hohen Anforderungen, die an die Transparenz und Beratungssituation zu stellen sind. Zudem schießt dieses Mittel über das Ziel hinaus, denn damit ist dem Privatanleger künftig die Investition in diese Anlageform komplett versagt. Zusammengefasst haben wir daher erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit und der Angemessenheit und damit an der allgemeinen Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn kein milderes Mittel ersichtlich ist, welches in gleichem Maße geeignet ist, den gewünschten Zweck zu erfüllen. Dabei sind an die Erheblichkeit der Bedenken für den Anlegerschutz hohe Anforderungen zu stellen, nicht zuletzt, um Sinn und Zweck des § 4b WpHG zu erfüllen, welcher die Anlegerschutzbedenken gleichberechtigt neben die Gefahr für das „ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- und Warenterminmärkte“ sowie für die „Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines seiner Teile innerhalb zumindest eines EU-Mitgliedstaates“ stellt.

Zunächst ist festzustellen, dass es am Markt deutlich risikoreichere Produkte und auch komplexere Konstruktionen als Bonitätsanleihen gibt, siehe z.B. Hedgefonds-Zertifikate, aber auch geschlossene Fonds u.ä.. Wir sehen Produkte am Markt, die Nachschusspflichten auslösen können und daher sogar noch Risiken beinhalten, die über die Einlage hinaus weitere Pflichten für die Anleger bergen können. Ungeachtet dessen bezieht sich die angeordnete Produktintervention ausschließlich auf die Produktgattung „Bonitätsanleihen“. Innerhalb dieser Produktgattung gibt es jedoch, wie von der BaFin richtigerweise festgestellt, die verschiedensten Ausgestaltungsformen, die eine verschiedene Komplexitätstiefe aufweisen und daher richtigerweise nicht gleichermaßen mit einer Produktintervention belegt werden dürften.

Als mildere Mittel kommen aus Sicht der DSW, statt eines umfassenden Verbots einer gesamten Anlagegattung, auch Beschränkungen und Auflagen in Betracht, zu deren Erlass die BaFin gemäß § 4 WpHG befugt ist und die, in Kombination, sicherlich in vergleichbarem Maße geeignet sind, Anlegerschutz zu gewährleisten.

Die Bedenken der BaFin hinsichtlich der hohen Produktkomplexität betreffen insbesondere die Bonitätsanleihen, die sich auf einen Korb mehrerer Referenzschuldner beziehen, wodurch der Privatanleger gehalten ist, eine Vielzahl von Bonitäten von Referenzschuldnern zu bewerten und eine kumulierte Bewertung des Gesamtrisikos vorzunehmen. 

Hier zeigt sich bereits sehr deutlich, dass den Bedenken der BaFin durch Auflagen begegnet werden kann, so beispielsweise, dass nur noch Bonitätsanleihen mit einem Referenzschuldner an Privatanleger vertrieben, vermarktet und verkauft werden dürften. Der Privatanleger wäre dann vor besonders intransparenten, da hochkomplexen Produkten geschützt. Weiter könnte den Anlegerschutzbedenken damit Rechnung getragen werden, dass als Referenzschuldner nur noch am regulierten Markt gelistete Emittenten zugelassen werden. Alternativ könnte die Auflage ergehen, den Vertrieb und Handel nur noch am regulierten Markt zuzulassen. 

Auch eine Auflage, nach der beispielsweise als Kreditereignis nur noch die Insolvenz des Referenzschuldners gelten darf, wäre ein mögliches milderes Mittel und würde den Bedenken der BaFin hinsichtlich der Unterlegenheit der Anleger bei der Teilnahme am hochprofessionellen CDS-Markt begegnen. 

All diese Beispiele zeigen, dass eine Auswahl milderer Mittel existiert, auf die die BaFin bei Bonitätsanleihen zurückgreifen könnte. Ein komplettes Verbot der Produktgattung Bonitätsanleihe erscheint daher als nicht verhältnismäßig.

Die DSW teilt aber die Auffassung der BaFin, dass Bonitätsanleihen teilweise ohne ausreichende Aufklärung an Privatanleger vertrieben werden und dies ein Problem darstellt. Die von der BaFin gerügte hohe Komplexität der Bonitätsanleihen ist daher ein Thema, dass in der Beratungssituation adressiert und erläutert werden kann und muss, will der Anlageberater seiner Verpflichtung zur anleger- und anlagegerechten Beratung vollumfänglich nachkommen. In der Tat wird nicht jedem Privatanleger der Begriff des Kreditereignisses ohne Erläuterungen verständlich sein. Vergleichbares gilt jedoch sicherlich auch für sonstige Finanzprodukte, wie zum Beispiel die Konstruktion geschlossener Fonds. 

Die DSW ist daher der Auffassung, dass die BaFin über eindeutige Produktbezeichnungen, klare Auflagen hinsichtlich des Vertriebs, der Vermarktung und des Verkaufs an Privatkunden ggf. in Kombination mit einer entsprechenden Warnung diesen Problemen auf verhältnismäßigerem Wege begegnen kann. 

Abschließend weist die DSW darauf hin, dass ihr – anders als beispielsweise bei Mittelstandsanleihen - weder aus dem Markt noch aus dem Kreise ihrer Mitglieder bisher konkrete Schadensfälle durch Bonitätsanleihen bekannt geworden sind.