DSW-Studie zur Vorstandsvergütung

Kaum etwas hat in den letzten Wochen und Monaten – wenn mal von sportlichen Großereignissen abgesehen wird – die Gemüter so erregt, wie die Frage, was in deutschen Vorstandsetagen verdient wird. Wer hätte gedacht, dass die Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex, dass deutsche Aktiengesellschaften die Gehälter ihrer Vorstände individuell veröffentlichen sollen, eine derartige Breitenwirkung entfalten könnte?

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Christiane Hölz, DSW-Rechtsanwältin

Jürgen Kurz, Pressesprecher

Es gilt das gesprochene Wort

Kaum etwas hat in den letzten Wochen und Monaten – wenn mal von sportlichen Großereignissen abgesehen wird – die Gemüter so erregt, wie die Frage, was in deutschen Vorstandsetagen verdient wird. Wer hätte gedacht, dass die Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex, dass deutsche Aktiengesellschaften die Gehälter ihrer Vorstände individuell veröffentlichen sollen, eine derartige Breitenwirkung entfalten könnte?

Klar ist: Den deutschen Managern, die nach wie vor auf die im Kodex geforderte Transparenz verzichten wollen, weht ein immer schärferer Wind ins Gesicht. Besonders seit der Frankfurter Aktienrechtler Professor Theodor Baums von einem „Kartell der Verweigerer“ gesprochen hat und die Chefs der großen Aktiengesellschaften bezichtigte, die Offenlegung mit internen Absprachen verhindern zu wollen. In der Folge äußerten sich eine ganze Reihe mehr oder weniger kompetenter Zeitgenossen.

Großen Anklang fand das Thema bei Politikern jeglicher Färbung. Die Spanne reichte vom NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück über FDP-Chef Guido Westerwelle bis zum Chef der bayerischen Staatskanzlei, Edmund Stoiber. Selbst Neu-Bundespräsident Horst Köhler adelte die Debatte mit einer Äußerung. Waren die Aussagen qualitativ zwar von sehr unterschiedlicher Güte, war der Tenor doch parteiübergreifend immer derselbe: Die Vorstände müssen ihre Gehälter individualisiert ausweisen, wie es der Corporate Governance Kodex empfiehlt.

Im Ton eher zurückhaltende in der Sache allerdings sehr klare Aussagen waren von der zuständigen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zu vernehmen. Sie gibt den Vorständen noch bis Mitte 2005 Zeit. Wenn bis dahin die Akzeptanz der Kodex-Empfehlung nicht dramatisch gestiegen ist, wird es eine gesetzliche Lösung geben. Das ist unserer Meinung nach der richtige Weg. Haben die Vorstände dann immer noch kein Einsehen, ist eine gesetzliche Lösung sicher notwendig.

Noch gibt es Hoffnung, dass nicht zu diesem Mittel gegriffen werden muss. Langsam aber sicher zeigt die Kritik Wirkung. So hat Adidas-Chef Herbert Hainer sein Gehalt mittlerweile offen gelegt. 1,5 bis 1,8 Millionen Euro verdient der Mann an der Spitze des Sportartikelherstellers. Allianz-Vorstandsvorsitzender Michael Diekmann macht zumindest um sein Fixgehalt kein Geheimnis mehr. 900.000 Euro überweist der Versicherungskonzern Herrn Diekmann. Hinzu kommt allerdings noch der variable Vergütungsanteil, der deutlich höher liegt. Nach unseren Berechnungen beträgt das Gesamtgehalt des Allianz-Chefs rund 2,8 Millionen Euro. Unsere Studie hat zudem ergeben, dass mit Commerzbank, E.ON, MAN, Schering und TUI fünf weitere Gesellschaften über eine individualisierte Veröffentlichung der Vorstandsgehälter nachdenken.

Die Argumente, mit denen die Transparenz verweigert wird, sind kaum nachvollziehbar. Da wird etwa ins Feld geführt, dass die individualisierte Veröffentlichung zu einer Nivellierung der Gehälter auf Vorstandsebene führen werde. Wir sehen diese Gefahr nicht. Zum einen ist ein Vorstandsmitglied schon jetzt in der Lage, zu berechnen, ob seine Bezahlung über- oder unterdurchschnittlich ausfällt. Zum anderen muss ein Aufsichtsrat auch bei individualisierter Veröffentlichung der Gehälter in der Lage sein, sinnvolle Gehaltsunterschiede auf der Vorstandsebene durchzusetzen. Ein weiteres Argument der Transparenzgegner lautet: Eine Neiddebatte würde durch die Offenlegung geschürt. Wenn dies korrekt wäre, ständen zurzeit besonders die neun Gesellschaften im Fokus der Kritik, die der Kodex-Empfehlung bereits folgen. Doch genau das ist nicht der Fall.

Mittelfristig werden die Vorstände deutscher Aktiengesellschaften um die Veröffentlichung nicht herum kommen. Dies zeigt auch ein Blick nach Europa: In Großbritannien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Irland und Schweden ist die individualisierte Veröffentlichung bereits Pflicht.

Vorbildhaft und ein echtes Beispiel für Deutschland in diesem Bereich ist der im Geschäftsbericht zu veröffentlichende Vergütungsbericht (Remuneration Report) in Großbritannien.

Hierin sind veröffentlicht:

· Die Gesamtsumme der Gehälter, Honorare und Boni nebst Spesen.

· Der geschätzte Gesamtwert aller gewährten Sachleistungen.

· Ausführliche Informationen zu den laufenden Aktienoptionsplänen. 

· Die Pensionsvergütungen sind ebenfalls detailliert aufgeschlüsselt. Genannt werden etwa die aufgelaufenen Bezüge oder die Veränderungen im Geschäftsjahr.

· Zu guter Letzt geben die britischen Gesellschaften einen detaillierten Ausblick auf die zukünftige Vergütungspolitik.

Seit Anfang 2003 stimmen die Aktionäre britischer Unternehmen auf der Hauptversammlung über diesen Vergütungsbericht und damit über das gesamte Vergütungspaket der Unternehmen ab. Nicht abgestimmt wird über individuell vereinbarte Gehälter. Von besonderem Interesse ist dabei natürlich der Blick auf die zukünftig geplante Vergütung.

Erstmals haben wir im Rahmen der Studie auch nach den Pensionsregelungen der Unternehmen gefragt. Schließlich sind gerade die von aktiven Vorständen erreichten Pensionsanwartschaften ein wichtiger Bestandteil des Gehalts. Während in den Geschäftsberichten britischer Gesellschaften diese Zahlen dezidiert offen gelegt werden, ist bei deutschen Unternehmen hierzu nichts zu finden. Einzig die Pensionszahlungen an bereits ausgeschiedene Vorstände beziehungsweise deren Hinterbliebenen werden als Gesamtsumme veröffentlicht. Das reicht nicht aus. Man sollte nicht vergessen, dass gerade für Manager, die länger als eine Amtszeit im Unternehmen sind, hier ganz erkleckliche Summen zusammenkommen. Nach einer Legislaturperiode liegt die Anwartschaft in der Regel bei 30 Prozent des Fixums. Dieser Betrag wächst auf bis zu 70 Prozent an. Das haben die Antworten der Unternehmen auf die DSW-Fragen zu diesem Themenbereich ergeben. Bei den Top-Zahlern unter den DAX-Gesellschaften sind da selbst für einfache Vorstandsmitglieder Pensionszahlungen bis zu 600.000 Euro pro Jahr möglich.

Bevor ich zu den Ergebnissen komme, kurz etwas zur Systematik der Untersuchung:

Analysiert wurde, was die im DAX30 notierten Aktiengesellschaften ihren Vorständen für das Geschäftsjahr überwiesen haben. Neben der absoluten Höhe der Gehälter stand insbesondere der Zusammenhang zwischen gezahlter Vergütung und wirtschaftlicher Entwicklung des jeweiligen Unternehmens im Mittelpunkt der Studie. Schließlich ist das der entscheidende Punkt für die Aktionäre. Als Vergleichskennzahl haben wir das Ergebnis je Aktie genutzt.

Wie schon im letzten Jahr hatten wir es auch dieses Jahr wieder mit unterschiedlich ausgeprägten Transparenzen zu tun. Auf der einen Seite die Gesellschaften, die der Empfehlung des Corporate Governance Kodex folgen und die Gehälter ihrer Vorstände individualisiert veröffentlichen. Leider hat sich die im vergangenen Jahr von uns geäußerte Hoffnung, dass die Zahl der transparenten Gesellschaften schnell deutlich steigen würde, nicht bestätigt. Zusätzlich zu den sechs Transparenzvorreitern Altana, Bayer, Deutsche Bank, Deutsche Börse, SAP und Thyssen Krupp haben mit der Deutschen Post,

Deutscher Telekom und RWE gerade einmal drei weitere Gesellschaften ihre Berichterstattung über das Geschäftsjahr 2003 der Kodex-Empfehlung angepasst. Schering weist, wie schon im Vorjahr, zumindest das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden individuell aus. Die Commerzbank macht dies mittlerweile ebenfalls. Die restlichen 19 belassen es bei ihrer Berichterstattung nach wie vor bei dem Ausweis einer Gesamtsumme.

Für die Letztgenannten wurden zunächst auf Basis der Geschäftsberichte Schätzwerte ermittelt. Dies ist relativ schwierig, da Abweichungen etwa aufgrund von Abfindungszahlungen an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder oder aufgrund so genannter „golden hellos“, also Antrittsgelder für neue Mitglieder, in der Gesamtsumme enthalten sein können. Daher können aus dem Geschäftsbericht allein meist keine aussagekräftigen Zahlen ermittelt werden. Zusätzlich erschwert wird die Auswertung dadurch, dass die veröffentlichten Gehaltssummen, soweit sie nicht individualisiert sind, zum Teil Aktienoptionen und variable Vergütungsbestandteile für vorangehende Geschäftsjahre oder auch zurückgestellte variable Beträge enthalten, die erst im Folgejahr fällig werden. Die Gesamtbezüge des Vorstands sind also nicht automatisch gleichzusetzen mit den tatsächlich in bar gewährten Beträgen. Soweit möglich haben wir diese Sondereffekte aus den ersten Schätzungen heraus gerechnet.

Im Anschluss hieran wurden die Unternehmen mit den von uns ermittelten Werten konfrontiert und um Aufschlüsselung und Bestätigung gebeten. Zusätzliche Informationen insbesondere zum Thema Pensionen wurden mit einem ausführlichen Fragebogen abgefragt. Alle 30 Gesellschaften haben geantwortet. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Transparenz und die Qualität der Antworten im Vergleich zum Vorjahr erneut deutlich gestiegen ist. Besonders gute und ausführliche Informationen haben Deutsche Börse, Commerzbank, E.ON, Linde und Schering geliefert. Wenig auskunftsfreudig zeigten sich schon fast traditionell BASF, BMW und VW.

Nun aber zu den Ergebnissen in Zahlen:

In den Vorstandsetagen der 30-DAX-Unternehmen wurde für das Geschäftsjahr 2003 durchschnittlich 1,420 Millionen Euro verdient. 2002 lag der Betrag bei 1,279 Millionen Euro. Damit haben die Vorstände durchschnittlich 11 Prozent mehr Geld bekommen. Die Gewinne der 30 Gesellschaften sind im selben Zeitraum um immerhin 30 Prozent gestiegen. Insofern scheinen die Mechanismen der erfolgsabhängigen Bezahlung durchaus zu funktionieren.

Den größten Gehaltssprung verzeichnete die Chefetage von SAP mit einem Plus von 146,61 Prozent. Das Ergebnis je Aktie des Software-Unternehmens stieg um 113,5 Prozent. An zweiter Stelle der Zuwachsliste liegt die Deutsche Bank. Einem Ergebnis-Plus von 281,25 Prozent steht ein Gehaltsanstieg von 80,57 Prozent gegenüber.

Das größte Minus mussten die Vorstände der Lufthansa hinnehmen. Aufgrund der schlechten Zahlen fielen die Überweisungen an die Vorstände durchschnittlich um 45 Prozent niedriger aus. Die Airline, die im Geschäftsjahr 2002 noch einen Gewinn von 1,88 Euro je Aktie ausweisen konnte, musste für das folgende Jahr einen Verlust von 2,58 Euro pro Aktie hinnehmen. Ebenfalls deutlich geringer fiel das Salär der Commerzbank-Vorstände aus. Das Gehalt der Bankchefs ist um rund 23 Prozent gefallen.

Die Spannbreite der im DAX gezahlten Vorstandsgehälter war auch in diesem Jahr wieder sehr groß. Zwischen der Nummer 30 und der Nummer 1 lagen rund 3,3 Millionen Euro. Mit einem Durchschnitt von rund 433.000 Euro pro Vorstandsmitglied ist Lufthansa am Ende der Liste zu finden. Mit durchschnittlich 448.000 Euro bekamen die Manager von Fresenius Medical Care nur wenig mehr. Souveräner Spitzenreiter ist die Deutsche Bank, die ihren Vorstandsmitgliedern durchschnittlich 3,7 Millionen Euro bezahlte. Auf dem zweiten Platz folgt DaimlerChrysler. Zwar mussten die Vorstände des Autobauers gegenüber dem Vorjahr einen Gehaltsrückgang von rund 19 Prozent hinnehmen. Verglichen mit einem um 90,6 Prozent abgerutschten Ergebnis erscheint das aber noch verschmerzbar.

Der Verdienst der Vorstandsvorsitzenden liegt im Schnitt etwa um den Faktor 1,75 höher. Auch hier ist das Bild nicht einheitlich. Während die Chefs von RWE und Schering nur das 1,32- beziehungsweise das 1,33fache eines einfachen Vorstandsmitglieds bekommen, kann sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank über das 2,1fache Gehalt freuen.

Die absolute Höhe der Gehälter ist aber nur die eine Seite der Medaille. Ebenso entscheidend ist, dass die jeweiligen Unternehmensergebnisse sich in der Vergütung widerspiegeln. Steigende Gehälter bei sinkenden Gewinnen oder gar Verlusten darf es nicht geben. Leider hat sich diese Erkenntnis noch nicht in allen Vorstandsetagen durchgesetzt. So mussten zwölf Gesellschaften eine Reduzierung des Ergebnis je Aktie vermelden. Zu einer Gehaltsreduzierung ist es aber nur bei sieben dieser zwölf Unternehmen gekommen. Fünf AGs erhöhten die Gehälter trotz schlechterer Ergebnisse. Drei hiervon hatten nicht nur Ergebnisrückgänge zu vermelden, sondern mussten für das Geschäftsjahr 2003 sogar einen Verlust je Aktie ausweisen.

Bei 20 Unternehmen zeigen Ergebnis- und Gehaltsentwicklung zumindest das gleiche Vorzeichen. Im vergangenen Jahr schafften das 19 Gesellschaften.

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