DSW und Kirchhoff Consult analysieren Prognoseberichte der DAX30-Firmen

Klaus Rainer Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender Kirchhoff Consult

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der DSW

(Redner: Ulrich Hocker)

 

Meine Damen und Herren,

der berühmter Frankfurter Bankier und ehemalige Chef der Deutschen Bank Hermann Josef Abs soll einmal gesagt haben, er habe sich bei seinen Voraussagen noch niemals geirrt. Der Grund dafür ist simpel: Abs weigerte sich einfach kategorisch, irgendwelche Prognosen überhaupt abzugeben. Damals bezog sich seine Weigerung auf Voraussagen von Währungsrelationen, doch sein Zitat lässt sich problemlos auf andere Bereiche des Kapitalmarktes ausdehnen.

Keine Frage: Immer dann, wenn man Aussagen über die Zukunft macht, wird es schwierig, vor allem dann, wenn diese Prognosen mehr als ein paar Tage im Voraus abdecken.

Dennoch müssen die Unternehmen solche Voraussagen treffen. Und sie können es auch. Denn angesichts immer ausgefeilterer Rechnungs- und Bilanzsysteme, einem modernen Controlling und Risikomanagement und angesichts umfangreicher Gesamtmarktprognosen sind Aussagen über die weitere Fortschreibung des eigenen Geschäftsverlaufes durchaus detailliert möglich.

Dabei verlangt niemand von den AGs, dass sie Gewinn und Dividende auf Euro und Cent genau im Voraus prognostizieren. Vielmehr geht es darum, die Entwicklung als Trend möglichst zielsicher vorauszusagen. Ob die Unternehmen dabei mit „Korridoren“, „Tendenzen“ oder „Zahlen“ operieren, ist zweitrangig. Wichtiger ist, dass sie für möglichst viele ihrer zentralen Kennzahlen eine treffsichere Voraussage machen.

Denn, meine Damen und Herren,

für die Aktionäre als Eigentümer einer Gesellschaft sind Prognosen ein nahezu unentbehrliches Instrument, um den fundamentalen Zustand eines Unternehmens und die mögliche Kursentwicklung realistisch einschätzen zu können. Daher fordert die DSW von allen Unternehmen eine möglichst exakte Prognose über die Ergebnisse im laufenden und dem darauffolgenden Geschäftsjahr ein.

Ebenso wie der Lagebericht sind die Prognoseberichte zwar gesetzlich vorgeschrieben. Rein faktisch gehören die Aussagen über zukünftige Ergebnisse heutzutage daher zum festen Bestandteil eines jeden Geschäftsberichtes. Nur die Qualität der Aussagen variiert zwischen unbrauchbarem Orakelspruch und präziser Analyse.

Dabei ist die Aufgabenstellung in den Deutschen Rechnungslegungsstandards recht klar formuliert: Innerhalb eines Zeitfensters von mindestens zwei Jahren sollen Trends, Markteinbettung und wesentliche interne und externe Einflüsse, wie zum Beispiel Investitionsabsichten, zu einer Gesamtprognose der Unternehmensentwicklung zusammengeführt werden (DRS 15.85).

Der Prognosebericht gewährt dem Gläubiger jedoch den Blick auf eine vervollständigende Abrundung der aus der Bilanz und der GuV ersichtlichen Kennzahlen. Deshalb dient der Prognosebericht letztlich der Transparenz und dem Vertrauen in die Unternehmenskontinuität. Er hilft den Anlegern ganz konkret bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklungschancen.

Als Deutschlands größte Anlegervereinigung besuchen wir mittlerweile rund 650 Hauptversammlungen im Inland und dazu rund 50 HVs im europäischen Ausland. Für unsere Sprecher ist der Lagebericht - und darin eingebettet auch der Prognosebericht - die zentrale Informationsquelle der Gesellschaft.

Gerade die zukunftsbezogenen Daten haben eine hohe Relevanz für die Erwartungsbildung. Durch den Vergleich der Plan-Werte mit den Ist-Werten können die Kapitalgeber erkennen, inwieweit die Unternehmensleitung ihre Ziele erreicht hat und inwieweit sich Chancen und Risiken am Markt realisieren.

Es ist bekannt: Zwei Jahre lang hielt uns die Finanzkrise in Atem und zwei Jahre lang praktizierten fast alle Unternehmen das so genannte „Fahren auf Sicht“. Angesichts der immensen Unsicherheiten an den globalen Kapitalmärkten verweigerten große wie kleine, zyklische wie nicht zyklische Unternehmen gleichermaßen weitgehende Aussagen über die Zukunft.

Doch diese Zeit ist vorbei. Angesichts der stabilen Verfassung der Konjunktur und steigender Gewinne ist klar zu sehen, dass die Krise überwunden und abgehakt ist. Daher muss es den Unternehmen problemlos möglich sein, Aussagen über die Entwicklung ihrer zentralen Stellgrößen zu tätigen. Dies sind einerseits Umsatz und Ergebnis, aber auch die Dividende als großem und gerade für Privatanleger entscheidenden Risikopuffer. Die DSW fordert daher auf den Hauptversammlungen ganz konkret die Prognosen der Unternehmen ein.

Doch, meine Damen und Herren,

wie weit klaffen Theorie und Praxis auseinander? Wie detailliert und aussagekräftig sind die Prognosen der großen DAX-Tanker wirklich? Gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft Kirchhoff Consult AG hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Prognosen der großen deutschen Unternehmen in ihren Geschäftsberichten 2010 eingehend beleuchtet. Untersucht wurden dabei alle wichtigen Komponenten im Ausblick oder der Prognose. Ausgewertet wurde dabei sowohl nach quantitativen als auch nach qualitativen Maßstäben.

Die detaillierten Knackpunkte und Einzelergebnisse, die wir bei unserer Analyse herausgefunden haben, wird Ihnen gleich anschließend mein Podiumskollege Klaus Rainer Kirchhoff, der Vorstandsvorsitzende der Kirchhoff Consult AG, vorstellen. Ich begrüße Ihn an dieser Stelle schon einmal ganz herzlich.

Doch zunächst lassen Sie mich noch einige Sätze zu den zentralen Ergebnissen unserer Untersuchung sagen: Obwohl die internationalen und global aufgestellten DAX-Konzerne auch für 2010 wieder Geschäftsberichte vorgelegt haben, die zumeist mehrere hundert Seiten umfassen, sind die Prognosen vielerorts wirklich wenig aussagekräftig und damit für Anleger größtenteils nutzlos. Nur sieben Unternehmen – hauptsächlich aus defensiven Sektoren – können für sich am Ende das Prädikat „hohe Transparenz“ in Anspruch nehmen. Dagegen landen sechs DAX-Werte in unserem Ranking in der Rubrik „unterdurchschnittlich“, weil sie entweder gar keinen oder nur einen sehr ungenauen Ausblick geben.

Auch die Ausführlichkeit der Berichte variiert stark. Aber vor allem: Die Länge der Ausführungen sagt kaum etwas über die Qualität aus. Henkel schafft auf vier Seiten einen sehr detaillierten Ausblick und landet damit in der Bestenliste. Lufthansa gibt in seiner ebenfalls vierseitigen Prognose dagegen überhaupt keinen mit Zahlen unterlegten Ergebnisausblick auf 2011 oder gar 2012. Volkswagen schafft auf zehn Seiten kaum Konkretes, FMC füllt sogar 12 Seiten – dies aber mit bemerkenswert exakten Inhalten.

Schon anhand dieser wenigen Ergebnisse können Sie sehen, wie unterschiedlich die Qualität der Berichte ist. Dies ist nach Ansicht der DSW kein Ruhmesblatt für die großen DAX-Konzerne. Hier kann man als Aktionär durchaus mehr Information und Transparenz verlangen. Und genau darauf wird die DSW in Zukunft noch stärker drängen.

Nun aber zu den Einzelergebnissen, die Ihnen nun Herr Klaus Rainer Kirchhoff, einer der Autoren unserer ersten gemeinsamen Studie zu den Prognoseberichten der DAX30-Konzerne vorstellen wird.

 

PrognoseberichterstattungDAX30_2010_final.ppt.pdf