DSW-Aufsichtsratsstudie 2021

Teilnehmer:

Jella Benner-Heinacher, stv. Hauptgeschäftsführerin

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW

 

Frederik Beckendorff, DSW-Fachreferent

Jürgen Kurz, DSW-Pressesprecher

 

Es gilt das gesprochene Wort

(Rednerin: Jella Benner-Heinacher)

Meine Damen und Herren,

auch ich begrüße Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz zur Vorstellung der aktuellen DSW-Aufsichtsratsstudie.

Wie in den vergangenen Jahren haben wir dabei wieder die Aufsichtsratsgremien der DAX-Gesellschaften analysiert. Wobei wir für das Ranking der mächtigsten Kontrolleure erstmals den DAX 40 als Basis genommen haben, der ja seit gestern offiziell ausgewiesen wird.

Für die im Rahmen der Studie, die in diesem Jahr übrigens bereits in der 19. Auflage erscheint, ebenfalls wieder analysierten Bereiche Corporate Governance und Vergütung, wurde die Indexzusammensetzung zum Stichtag 31. August 2021 verwendet, also der bisherige DAX 30.

Beim Thema Corporate Governance haben wir unser Augenmerk auf die Sitzungsteilnahme bzw. die daraus abgeleitete Arbeitsbelastung der Aufsichtsräte, die Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat, das Alter und den Frauenanteil gelegt. Und bei der Vergütung haben wir uns dieses Mal genau angeschaut, ob die anhaltende Pandemie Auswirkungen auf die Vergütung hatte und welche Aufsichtsräte vor diesem Hintergrund auf ihre Vergütung verzichtet haben.

Meine Damen und Herren,

grundsätzlich hat sich die Rolle der Aufsichtsräte, die an sie gestellten Anforderungen oder die Art, wie vakante Positionen in den Kontrollgremien besetzt werden, in den Jahren, seitdem die DSW diese Studie nun schon vorlegt, gravierend verändert. Selten allerdings waren die Veränderungen die Reaktion auf ein singuläres Ereignis – den Fall Wirecard – so gravierend wie es bei dem letzten Gesetz der Fall war, das neben anderen Aspekten auch die Arbeit der Aufsichtsräte in den Blick nimmt.

Bereits am 1. Juli 2021 trat das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) in Kraft. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich der Versuch des Gesetzgebers, Lehren aus dem Bilanzskandal rund um den Fall Wirecard zu ziehen. Mit einem bunten Strauß an neuen Regelungen sollen dabei die Befugnisse der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin in Sachen Bilanzkontrolle und Geldwäscheprävention erweitert, die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verbessert und die Rolle der Aufsichtsräte gestärkt sowie ihre Arbeit weiter professionalisiert werden.

So muss der Aufsichtsrat zukünftig etwa die Qualität der Abschlussprüfung überwachen. Zudem müssen Kapitalgesellschaften mit Kapitalmarktorientierung zwingend einen Prüfungsausschuss einrichten, dessen Mitglieder ein Direktauskunftsrecht gegenüber leitenden Mitarbeitern haben. Und dem Prüfungsausschuss müssen jetzt zwei und nicht – wie bisher – nur ein Finanzexperte angehören. Darüber hinaus werden Sitzungen des Aufsichtsrats ohne die Anwesenheit des Vorstands weiter gewünscht und gefördert.

Ein Manko bleibt allerdings die Haftung. Sie soll lediglich auf Ebene der Abschlussprüfer verschärft werden, bleibt dabei allerdings immer noch mit einem Cap versehen, was andere Länder in der EU nicht kennen.

Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität wäre seinem Namen aber nur dann gerecht geworden, wenn sich die angestrebte Integritätsstärkung auch in einer erhöhten Verantwortung und damit zugleich Haftung der Akteure am Finanzmarkt widergespiegelt hätte – das schließt Vorstände, Aufsichtsräte und den Abschlussprüfer ein. Eine entsprechende Gesetzesvorlage müsste nicht einmal mehr geschrieben werden. Unter dem Namen Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG) liegt ein solcher Entwurf seit mehr als zehn Jahren in einer Schublade des Bundesfinanzministeriums.

Mit dem KapInHaG, dessen Inkrafttreten damals von der SPD verhindert wurde, gäbe es endlich eine direkte Haftung der Organe gegenüber den Aktionären. Nach aktueller Rechtslage müssen Anteilseigner ihr eigenes Unternehmen auf Schadensersatz verklagen, und zwar ohne die Möglichkeit einer Sammelklage. Die AG kann dann ihrerseits über den Aufsichtsrat versuchen, das Geld bei den handelnden Personen zurückzuholen. Jüngstes Beispiel ist hier der Dieselskandal bei VW.

Damit beende ich den kurzen Ausflug in die Welt des Aktienrechts und komme wieder zurück zu unserer Studie und zu dem Ranking der einflussreichsten Aufsichtsräte im DAX. Messgrößen sind dabei Anzahl und Bedeutung der in den jeweiligen Kontrollgremien eingenommenen Positionen.

Die entscheidenden Fragen sind also: Wer sitzt dem Gesamtgremien vor und wer hat den Vorsitz in den wichtigen Ausschüssen, wie etwa dem immer wichtiger werdenden Prüfungsausschuss?

An der Spitze des DSW-Rankings, das erstmals alle Ausschüsse in die Wertung einbezieht, hat es im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügige Veränderungen gegeben. Mit Michael Diekmann, Aufsichtsratschef des Versicherungskonzerns Allianz, hat der Vorjahreszweite nun die Spitzenposition inne.

Auf Platz zwei folgt Nikolaus von Bomhardt. Der AR-Vorsitzende von Deutscher Post und Münchener Rück lag 2020 noch auf Platz eins des Rankings der mächtigsten Aufsichtsräte.

Ebenfalls eine Rochade hat es auf den Rängen drei und vier gegeben. Der Vorjahresvierte Norbert Winkeljohann, der dem Kontrollgremium der Bayer AG vorsitzt, ist nun Dritter des Rankings. Paul Achleitner AR-Boss der Deutschen Bank, fällt von Platz drei auf vier zurück.

Insgesamt sind die Top-Vier der Liste in den Kontrollgremien von sieben DAX-Gesellschaften vertreten. In fünf stellen sie den Vorsitz. Insgesamt 18 Ausschüsse werden von ihnen geleitet.

Einer der Aufsteiger des Jahres ist der Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser. Im letztjährigen Ranking belegte er noch Rang 115. In diesem Jahr kratzt er als Elfter bereits an den Top-Ten. Der größte Aufsteiger ist in diesem Jahr jedoch Ralf P. Thomas, AR-Vorsitzender von Siemens Healthineers. Er stieg wegen der Einbeziehung von Siemens Energy und der Erweiterung des DAX auf 40 Mitglieder von Null auf Rang neun auf.

Die frühere BASF-Vorständin Margret Suckale, die im Ranking von Platz neun auf Rang acht aufgestiegen ist, ist die einzige Frau unter den zehn mächtigsten Kontrolleuren. Sie sitzt in den Aufsichtsräten von Deutsche Telekom, HeidelbergCement sowie Infineon Technologies.

Insgesamt finden sich unter den Top-50 Aufsichtsräten des Rankings neun Frauen. Im Vorjahr waren es zwölf Frauen.

Soweit zu meinen Ausführungen.

Damit übergebe ich das Wort an meinen Kollegen Herrn Beckendorff, der den Vergütungspart unserer Studie vorstellen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Redner: Fredrik Beckendorff)

Meine Damen und Herren,

nachdem wir gehört haben, wer die einflussreichsten Kontrolleure Deutschlands sind, wird es jetzt um die Vergütung gehen.

Insgesamt überwiesen die analysierten Unternehmen für das Geschäftsjahr 2020 rund 83,1 Millionen Euro an ihre Aufsichtsräte. In der Langfristbetrachtung ist die Gesamtvergütung damit gegenüber 2019 um 0,4 Prozent zurückgegangen. Für diesen Rückgang ist vor allem die geänderte Indexzusammensetzung ursächlich. Siemens Energy, die für Beiersdorf in den DAX 30 aufgerückt ist, ging aufgrund der erst im September 2020 erfolgten Abspaltung und Börsennotierung lediglich anteilig in die Vergütungsberechnung ein.

Auf Basis der Indexzusammensetzung zum Stichtag der Studie ist die Vergütung dagegen um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Wird Siemens Energy, für die keine Vorjahreszahlen vorliegen, unberücksichtigt gelassen, liegt das Plus bei 1,4 Prozent.

Der Zuwachs resultiert unter anderem aus dem Anstieg bei Continental, wo auf eine reine Festvergütung umgestellt wurde, nachdem im Vorjahr die variable Vergütung deutlich zurückgegangen war. Ebenfalls nach oben ging es bei E.ON. Hier wurde der Aufsichtsrat im Geschäftsjahr 2019 auf 20 Mitglieder erweitert, was nun erstmals für das volle Geschäftsjahr wirksam war. Ein weiterer Treiber war Daimler, wegen der höheren sonstigen Vergütung aus Konzernmandaten bei Daimler Truck AG und Mercedes-Benz AG. Die Rückgänge unter anderem bei Fresenius, BASF und RWE wurden so überkompensiert.

Die höchste Gesamtvergütung zahlte wie im vergangenen Jahr erneut die Deutsche Bank. Gut 6,1 Millionen Euro überwies das Unternehmen an das 20-köpfige Kontrollgremium. Das entspricht einem geringfügigen Minus von 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit stabilisiert sich die Vergütung der Kontrolleure der Bank, nachdem sie für das Geschäftsjahr 2019 noch deutlich gestiegen war.

BMW, der Höchstzahler der Jahre 2018 und 2017, liegt wie schon im Vorjahr erneut auf Platz zwei. Mit rund 5,6 Millionen Euro ist die Höhe der Aufsichtsratsvergütung im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Prozent gefallen.

Drittgrößter Zahler war mit Daimler ebenfalls ein Automobilhersteller. Knapp 5,5 Millionen Euro erhielten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Stuttgarter, das entspricht einem Plus von 18,1 Prozent.

Den höchsten Zuwachs bei der Aufsichtsratsvergütung verzeichnete mit einem Plus von 32,2 Prozent Continental. Im vergangenen Jahr war das Unternehmen noch die Gesellschaft mit dem größten Minus. Erstaunlich ist dieser Anstieg auch, da die Mitglieder des Aufsichtsrats angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie zeitanteilig für die Monate April bis Juli 2020 auf 10 Prozent ihrer Grund- und Ausschussvergütung verzichtet haben.

Für das Geschäftsjahr 2020 verzeichnet die Aufsichtsratsvergütung des Medizintechnik- und Gesundheitskonzerns Fresenius mit einem Minus von 31,0 Prozent den stärksten Rückgang. Der Grund ist der Ausfall der variablen Vergütung, die vom 3-Jahres-Durchschnittswachstum des Konzernergebnisses abhängig war.

Die höchste Vergütung aus einem einzelnen Mandat erhielt mit gut 802.000 Euro wie in den Vorjahren der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Paul Achleitner, obwohl seine Vergütung aufgrund eines teilweisen Vergütungsverzichts und einer Veränderung in den Ausschussmitgliedschaften gegenüber 2019 um 10,9 Prozent zurückgegangen ist. Mit 632.000 Euro liegt Jim Hagemann Snabe, Vorsitzender des Kontrollgremiums von Siemens, auf Platz zwei. Rang drei belegt mit 610.000 Euro der Aufsichtsratschef von BMW, Norbert Reithofer, dessen Vergütung infolge der Umstellung auf eine reine Festvergütung um 4,7 Prozent sank.

Dass die sogenannte sonstige Vergütung, die im Wesentlichen aus Aufsichtsratsmandaten bei Tochtergesellschaften stammt, einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtvergütung eines Aufsichtsrats haben kann, veranschaulichen die folgenden Beispiele:

Inklusive der sonstigen Vergütung läge der AR-Boss von Volkswagen, Hans Dieter Pötsch, mit 900.000 Euro in der Liste der Top-Verdiener ganz vorne. Paul Achleitner käme bei dieser Betrachtungsweise mit seinen rund 802.000 Euro nur auf Platz zwei. Den dritten Rang würde mit knapp 742.000 Euro der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende von Daimler, Manfred Bischoff, belegen.

Im Durchschnitt lag die Vergütung für die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden im DAX in 2020 ohne sonstige Vergütung bei rund 376.000 Euro und damit 1,4 Prozent über der des Vorjahres.

Meine Damen und Herren,

die COVID-19-Pandemie hatte auf die Vergütung der Aufsichtsräte einen eher geringen Einfluss. Der Grund ist einfach: Fast alle Gesellschaften haben inzwischen auf eine reine Festvergütung ihrer Kontrollgremien umgestellt. Eine variable Vergütung kam für das Geschäftsjahr 2020 noch bei drei Unternehmen zur Anwendung (Deutsche Bank, Fresenius und Fresenius Medical Care). Bei Fresenius und Fresenius Medical Care ist der variable Teil der Vergütung ausgefallen.

Nach der HV-Saison 2021 erhält im erweiterten DAX 40 nur noch das Kontrollgremium der Deutschen Bank eine variable Vergütung in Form von virtuellen Aktien, da auch die zusätzlich aufgenommenen Unternehmen (Brenntag, HelloFresh, Porsche Automobil Holding, Puma, Sartorius, Siemens Healthineers, Symrise und Zalando) keine variable Vergütung zahlen. Airbus, Linde und Qiagen lassen wir aufgrund der nicht vergleichbaren Strukturen unberücksichtigt.

Wir sind der Ansicht, dass eine variable Vergütung für den Aufsichtsrat nicht wünschenswert ist und begrüßen daher ausdrücklich den sich in allen untersuchten Indizes bereits länger abzeichnenden Trend, die Vergütung auf eine reine Festvergütung umzustellen. Denn Aufsichtsräte sind gerade in der Krise besonders gefordert und ihr Arbeitsaufwand steigt in diesen Zeiten enorm an. Ein signifikanter variabler Anteil der Vergütung führt zudem gegebenenfalls dazu, dass die Vergütung falsche Anreize setzt und die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats gefährdet.

Vielleicht als Kompensation für die nicht vorhandene Variabilität der Festvergütung kam es bei acht der betrachteten DAX 30-Unternehmen zu freiwilligen Verzichtserklärungen seitens der Aufsichtsräte. Diese bezogen sich zumeist auf einzelne Vergütungskomponenten beziehungsweise bestimmte Zeiträume des Geschäftsjahres. Während bei der Deutschen Bank lediglich der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner auf einen Teil seiner Vergütung verzichtete, betraf der Verzicht bei Infineon Technologies und MTU Aero Engines nur Teile des Sitzungsgelds.

Beim Sitzungsgeld waren in 2020 gegenläufige Trends zu beobachten: Bei einigen Gesellschaften war das Sitzungsgeld aufgrund einer gestiegenen Sitzungsfrequenz höher, bei anderen wiederum ist es (gegebenenfalls trotz gestiegener Sitzungsfrequenz) geringer ausgefallen, da Sitzungen, die per Audio / Video durchgeführt wurden, bei diesen Unternehmen nicht (oder nur anteilig) vergütet werden.

Meine Damen und Herren,

im Gegensatz zur Vorstandsvergütung ist die Aufsichtsratsvergütung auf den Hauptversammlungen schon aufgrund ihrer Ausgestaltung meist deutlich weniger umstritten. Die Beschlussfassung über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder gemäß dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) haben inzwischen alle 29 betrachteten DAX 30-Unternehmen mindestens einmal herbeiführt.

Die durchschnittlichen Zustimmungsquoten lagen mit 98,93 Prozent in 2021 und 98,81 Prozent in 2020 auf einem hohen Niveau. Unter den 24 Beschlussfassungen in der HV-Saison 2021 gab es elf bestätigende Beschlüsse, eine Umstellung auf eine reine Festvergütung, acht eindeutige Erhöhungen und vier Anpassungen, die unter anderem eine Erhöhung einzelner Komponenten bei gleichzeitiger Reduktion anderer Komponenten beinhalteten. Die Befürchtung, dass Unternehmen die Vorgaben des ARUG II zu einer Erhöhung der Aufsichtsratsvergütung nutzen, hat sich somit nicht durchgängig bestätigt.

Damit übergebe ich das Wort an meine Kollegin Frau Hölz, die Ihnen nun den Teil der Studie vorstellt, der sich mit den Fragen nach Arbeitsbelastung der Aufsichtsräte und Zusammensetzung der Gremien beschäftigt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Rednerin: Christiane Hölz)

Meine Damen und Herren,

um das Bild über die Kontrollgremien zu vervollständigen, haben wir im Rahmen der Studie natürlich auch einen Blick auf die Corporate Governance der Aufsichtsräte geworfen. So haben wir neben der Arbeitsbelastung der einzelnen Räte ihre Zugehörigkeitsdauer sowie die Zusammensetzung der Gremien und ihre Altersstruktur analysiert.

Immerhin verbessert sich die Datenlage, beispielsweise in Bezug auf die Sitzungsteilnahme einzelner Aufsichtsratsmitglieder, Stück für Stück. Veröffentlichten im Vorjahr lediglich 19 der 29 untersuchten DAX 30-Gesellschaften die Anwesenheit der Aufsichtsräte an Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen vollständig individualisiert, sind es diesmal bereits 23. Die restlichen sechs Unternehmen machen zumindest Teilangaben zu den Sitzungsteilnahmen. Einen kompletten Verzicht auf die Angaben gab es nicht mehr. Im Vorjahr hatte MTU Aero Engines noch keinerlei Angaben gemacht.

Dies begrüßen wir, denn aus der Zahl der Sitzungsteilnahmen lässt sich durchaus ein Bild der Arbeitsbelastung einzelner AR-Mitglieder zeichnen. Obwohl die einfache Addition der Sitzungen sicher nicht allein Aufschluss über die Beanspruchung geben kann, ist sie doch ein guter Indikator. Vor diesem Hintergrund haben wir in der Studie den Zeitaufwand der vier Führenden im Mandatsranking anhand der Anzahl der Sitzungstermine 2020 exemplarisch analysiert.

Die Unterschiede fallen – zumindest was die Gesamtzahl angeht – bei drei der Top-Vier-Aufsichtsräte in diesem Jahr gering aus. Michael Diekmann hat insgesamt an 47 von 48 Plenums- und Ausschusssitzungen teilgenommen, den Vorsitz führte er in 21 davon. Bei Nikolaus von Bomhardt waren es 49 Plenums- und Ausschusssitzungen. Den Vorsitz hatte er bei 39 Sitzungen inne. Norbert Winkeljohann nahm an insgesamt 53 Plenums- und Ausschusssitzungen teil und war 30-mal in der Position des Vorsitzenden.

Der vierte im Ranking, Paul Achleitner, nahm an insgesamt 86 von 87 Plenums- und Ausschusssitzungen teil und hatte damit, wie schon in den vergangenen Jahren, eine deutlich höhere Sitzungsfrequenz und damit einhergehende Arbeitsbelastung als seine Kollegen. Aufgrund der möglichen Ausweitung der Arbeitsbelastung, insbesondere in Krisenzeiten, blickt die DSW kritisch auf Aufsichtsräte, die sich trotz einer Vielzahl an Mandaten (erneut) in ein Aufsichtsgremium wählen lassen möchten.

Damit möchte ich Ihren Blick auf die Corporate Governance der Aufsichtsräte lenken und hierbei ist ein wichtiger Aspekt die Diversität der Gremien. Vielfältige Perspektiven und Erfahrungen, zum Beispiel aus einem Digital Start-up, bereichern die Gremien und können sogar nachhaltigeres unternehmerisches Handeln fördern. In unserer Studie haben wir daher auch in diesem Jahr wieder die Zusammensetzung der DAX 30-Aufsichtsgremien unter Diversitätsgesichtspunkten analysiert.

Bei der Entwicklung des Frauenanteils in den Kontrollgremien der DAX 30-Gesellschaften insgesamt herrscht mittlerweile leider Stagnation. Inzwischen liegt der Frauenanteil auf beiden Bänken zusammen bei 36,5 Prozent. Im vergangenen Jahr lag der Wert bei 36,6 Prozent. Damit haben wir erstmals, seit 2016 die gesetzlich vorgegebene Marke von 30 Prozent übersprungen wurde, einen – wenn auch geringen – Rückgang zu verzeichnen. Das leichte Minus ist dabei auf die Entwicklung der Arbeitnehmerseite zurückzuführen. Hier ist der Frauenanteil von 40,2 Prozent auf 39,4 Prozent gefallen. Auf der Anteilseignerseite gab es ein leichtes Plus von 33,3 Prozent auf 33,9 Prozent.

Was die Beteiligung an den wesentlichen Ausschüssen angeht, ist der Frauenanteil in diesem Jahr dagegen mit 30,2 Prozent erstmals über die 30-Prozent-Marke gestiegen. Wobei der Anteil der Anteilseignervertreterinnen, der aktuell bei 17,7 Prozent liegt, stärker gestiegen ist als der der Arbeitnehmervertreterinnen (12,6 Prozent).

Das Alter der Aufsichtsräte im DAX 30 beträgt durchschnittlich 58 Jahre, wobei Frauen mit 56 Jahren im Durchschnitt etwas jünger als ihre männlichen Kollegen mit 59 Jahren sind. Einen deutlicheren Unterschied sieht man beim Durchschnittsalter der Bänke (Anteilseignervertreter: 61 Jahre, Arbeitnehmervertreter: 55 Jahre).

Ein weiterer, wichtiger Corporate Governance-Aspekt ist die Unabhängigkeit der Aufsichtsgremien. So nennt der Deutsche Corporate Governance Kodex inzwischen vier Indikatoren, die auf Anteilseignerseite im Aufsichtsrat berücksichtigt werden sollen. Einer dieser Indikatoren ist die Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat: Wer dem Aufsichtsrat mehr als zwölf Jahre angehört, wird danach nicht mehr als unabhängig angesehen bzw. dessen Unabhängigkeit soll vom Unternehmen gesondert begründet werden. Derzeit werden in Deutschland Aufsichtsräte in aller Regel (noch) für einen Zeitraum von fünf Jahren bestellt, allerdings gehen Unternehmen in der jüngeren Zeit vermehrt dazu über, ihre Aufsichtsräte für einen kürzeren Zeitraum wählen zu lassen.

Wir untersuchen daher in unserer Studie, wie lange sich die DAX 30-Aufsichtsräte bereits im Amt befinden. Im Jahr 2021 waren 53,7 Prozent der Aufsichtsräte auf Anteilseignerseite in ihrer ersten und 28,5 Prozent in der zweiten Amtsperiode und damit unterhalb der vom Kodex empfohlenen zwölf Jahre. Eine deutliche Mehrheit der Vertreter der Anteilseigner ist damit nach diesem Kodex-Kriterium als „unabhängig“ einzustufen.

Allerdings: Immerhin 43 der 242 untersuchten Anteilseignervertreter sitzen seit drei oder mehr Amtsperioden im Gremium und würden damit zum größten Teil das Unabhängigkeitskriterium nicht mehr erfüllen.

Wir verstehen die mangelnde Unabhängigkeit Einzelner allerdings nicht notwendigerweise als Malus oder als Ausschlusskriterium für eine erneute Wahl in den Aufsichtsrat. Es ist wichtig, dass im Aufsichtsrat eine ausreichende Zahl unabhängiger Mitglieder vertreten ist, um eine ausschließlich am Unternehmensinteresse ausgerichtete Überwachung sicherzustellen. Aber letztendlich ist die Mischung entscheidend. Auch die Erfahrung durch langjährige Aufsichtsarbeit kann einen positiven Beitrag im betreffenden Gremium leisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Tabellen und Grafiken DSW-Aufsichtsratsstudie 2021