DSW-Vorstandsvergütungsstudie 2022

Teilnehmer seitens der DSW:

Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer

Professor Dr. Gunther Friedl, Technische Universität München, Lehrstuhl für Controlling

Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin

Erik Bethkenhagen, DSW-Pressesprecher

 

Redner: Marc Tüngler

Es gilt das gesprochene Wort

Meine Damen und Herren,

auch ich darf Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung unserer aktuellen Vorstandsvergütungsstudie zumindest in virtueller Nähe begrüßen. In diesem Jahr legen wir die Vergütungsstudie zum 22. Mal vor. Bereits im Jahr 2000 hat die DSW das erste Mal die Vorstandsgehälter deutscher Aktiengesellschaften analysiert. Die Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Controlling der TU München von Professor Friedl startete im Jahr 2007.

Während wir zu Beginn unserer Erhebungen meist noch im Nebel stochern mussten, hat sich im Laufe der Jahre einiges mit Blick auf die Transparenz der Vorstandsgehälter verändert – für viele Jahre zum Besseren.

Bisweilen aber kann eine gesetzliche und regulatorische Aufforstung auch dazu führen, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht (mehr) sieht. Ob Nebel oder Wald – beides passt so gar nicht zu dem eigentlichen Ziel einer erhöhten Transparenz. Das Jahr 2022 markierte – vermeintlich – gerade mit Blick auf die Berichterstattung über die Vorstandsvergütung eine Zeitenwende. Unter den ungewöhnlichen Bedingungen der rein virtuellen Hauptversammlungen ist mit der erstmaligen Abstimmung über den infolge des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) nach § 162 Aktiengesetz von Vorstand und Aufsichtsrat zu erstellenden Vergütungsbericht eine tiefgreifende Neuerung in Kraft getreten, die den Einfluss der Anteilseigner auf die Vorstandsvergütung, die bereits seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit zu den kontroversesten HV-Tagesordnungspunkten bei vielen Aktionärstreffen gehört, nochmals deutlich erhöht hat.

In diesem Jahr durften wir bei der Erhebung allerdings auch der Unterschied von  legislativer Theorie und unternehmerischer Praxis mal wieder deutlich erfahren. Denn: die neuen Regelungen haben in der praktischen Umsetzung der Vergütungsberichte der Unternehmen genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie bewirken sollten. Statt gestiegener Transparenz und besserer Vergleichbarkeit auf Grundlage eines „klaren und verständlichen“ Vergütungsberichts – immerhin die gesetzliche Anforderung – sehen wir uns einem kaum durchschaubaren Datendschungel  gegenüber, den ein verständiger Durchschnittsaktionär sicher nicht mehr durchblickt.

Zum einen berichten die meisten Unternehmen nicht mehr im Einklang mit den  Mustertabellen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2017. Zum anderen wird der Begriff der „gewährten und geschuldeten Vergütung“ von den AGs unterschiedlich interpretiert. Im Ergebnis sind die Berichte zwar umfangreicher geworden aber nicht auch transparenter; die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Gesellschaften ist in DAX und MDAX stark zurückgegangen.

Dass die Investoren dies wahrlich nicht positiv stimmt, zeigt sich auch an den geringen Zustimmungsquoten zu den Vergütungsberichten: Im DAX haben diese eine  durchschnittliche Zustimmung von rund 84 Prozent erhalten, im MDAX nur 82 Prozent, bei acht DAX-Unternehmen lag die Quote sogar – teilweise deutlich – unterhalb der 80-Prozent-Marke. Und ich prognostiziere eine deutliche Verschlechterung der Abstimmungsergebnisse und merklichen Druck, wenn die Industrie nicht dringend nachbessert.

Denn in 2022 war die Abstimmung über die Vergütungsberichte auch für die Investoren Neuland und wir konnten eine Art Schonfrist erkennen. Auch wenn wir als DSW bei ThyssenKrupp direkt zu Beginn des Jahres in Opposition gegangen sind, haben wir insgesamt in 2022 doch eher Milde walten lassen. Das wird sich in 2023 merklich ändern.

Auch sollten sich die Emittenten darüber bewusst sein, dass vielfach die Abstimmung über die tatsächliche Vergütung stärker wirkt und schmerzt als die Entlastung der Organe. Aktionäre haben also einen neuen Ansatzpunkt, den Finger in die Wunde zu legen. Pay for Performance wird sicht-, greif- und sanktionierbar.

Das geht zugleich einher mit der Gewissheit, dass die Aktionäre nach spätestens vier  Jahren erneut über das Vergütungssystem abstimmen müssen. Und spätestens dann schließt sich der Kreis. Unternehmen sind also gut beraten, bereits heute ihre gesetzlich vorgegebenen Hausaufgaben zu machen, denn nach der  Hauptversammlung ist zugleich vor der nächsten Versammlung und Aktionäre haben traditionell ein gutes Gedächtnis.

Was also tun? Unser Blick könnte ja nach Brüssel wandern. Am Donnerstag dieser  Woche wird die Europäische Kommission zusammen mit den Mitgliedsstaaten und ausgewählten Experten, darunter Vertreter der DSW, just zu diesem Thema tagen. Ziel ist es, europaweit einheitliche Standards für die Vergütungsberichte zu erarbeiten und europaweit zu etablieren. Dies wäre – mit Blick auf den Wegfall der Kodex-Tabellen – ein wichtiger Schritt, um zu einer europaweiten Best Practice zu gelangen und damit die für Anleger notwendige Transparenz und Vergleichbarkeit der in der EU ansässigen Unternehmen herzustellen.

Mit Best Practice Standards haben nicht nur wir in Deutschland, Stichwort Deutscher  Corporate Governance Kodex, sondern auch andere Länder bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. In Frankreich beispielsweise hat sich seit 20 Jahren ein echter Industriestandard herausgebildet, der akzeptiert und goutiert wird. Im Ergebnis gibt es dort konsistente, vergleichbare und einfache – eben transparente Berichte.

Ich denke, in Anbetracht von Corona und anfänglicher Unsicherheiten im Hinblick auf die gesetzlichen Neuerungen, durfte man den Unternehmen durchaus eine gewisse „Findungsphase“ zugestehen. Die Message ist aber klar: Anleger werden ab jetzt genauer hinschauen, wie transparent die Unternehmen die Regelungen fortan adaptieren und massiv auf eine klare und verständliche Berichterstattung über die Vergütung dringen, so wie es das Gesetz fordert - eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Redner: Professor Dr. Gunther Friedl

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 2021 war weiterhin stark geprägt von der  COVID-19 Krisenbewältigung. Dabei stand die erste Jahreshälfte im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung mit einem stets steigenden Geschäftsklima und steigenden Aktienkursen, ganz im Gegensatz zur zweiten Jahreshälfte. Die zweite Jahreshälfte war geprägt von einer starken Unsicherheit im Markt, getrieben von anhaltenden Lieferengpässen wichtiger Rohstoffe, Logistikproblemen als auch von steigender  Inflation mit 3,1% im Jahresdurchschnitt. Hinzu kam die Neuausrichtung der  Wirtschaftspolitik auf Bundesebene mit Antritt der Ampel-Koalition zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Die große Aufgabe des Klimawandels war weiterhin omnipräsent.

Vor diesem Hintergrund fand im September 2021 mit der Erweiterung des DAX von 30 auf 40 Unternehmen die wohl bedeutendste Umstrukturierung des Indexes in den letzten Jahrzehnten statt. Die Marktkapitalisierung des DAX hat sich um 15,7% gesteigert und der MDAX zeitgleich 43,5% seiner Marktkapitalisierung verloren. Die zehn neuen DAX Unternehmen steigern damit den jährlichen Umsatz aller DAX-Unternehmen um 9,6%.

Trotz den obigen Herausforderungen und Veränderungen, haben die finanziellen  Ergebnisse des DAX historischen Charakter und sind entscheidend für einen Anstieg der Gehälter in 2021: So konnten nach einem Gewinneinbruch im letzten Jahr die operativen Gewinne um 122% auf rund 169,9 Mrd. Euro gesteigert werden im Vergleich zu 76,5 Mrd. Euro im Jahr zuvor - 2021 war also ein neues Rekordjahr!  Zudem hat die Verankerung von finanziellen Zielgrößen in der variablen Vergütung die Vorstandsgehälter weiterhin positiv beeinflusst. So hat bspw. die Zielerreichung für die einjährige variable Vergütung bei der BASF Group den Indikator ROCE fest verankert, der im Jahr 2021 im Vergleich zum Jahr 2020 um fast 700% gesteigert werden konnte.

2020 haben Vorstände freiwillig auf einen Teil ihrer jährlichen Festvergütung verzichtet, das war 2021 nicht mehr der Fall. Die Anteile der Vergütungsbestandteile der Gesamtvergütung haben sich etwas verändert, getrieben u.a. durch den Nichtverzicht. Der Anteil des Fixgehalts geht etwas runter auf 29 Prozent, der Anteil der kurzfristigen variablen Vergütung steigt auf 28 Prozent. Der Anteil der langfristigen variablen Vergütung sinkt leicht auf 43 Prozent.

Die Vorstandsvergütung wurde dieses Jahr mit einer angepassten Methodik erhoben aufgrund der veränderten Rechtslage mit der zweiten Aktionärsrichtlinie ARUG II.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vorstandsgehälter der 40 DAX-Unternehmen im letzten Jahr mit 24,0% stark gestiegen sind. Das ist nach drei Jahren Rückgang in Folge das erste Jahr mit einem Anstieg und zeigt, dass die Vergütungen der Vorstände auf die Geschäftsentwicklung reagieren. Der Unterschied zwischen den Gehältern der durchschnittlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits und Vorstandsmitgliedern andererseits deutlich gestiegen. Im Schnitt verdienen Vorstände mit 3,9 Mio. Euro das 53-fache ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, letztes Jahr war es noch das 47-fache.

Im Ranking der Spitzenvergütungen liegt Linde auf Platz 1 mit einer durchschnittlichen Gesamtvergütung von 8,8 Mio. Euro. Auf Platz 2 folgt Qiagen und auf Platz 3 die  Deutsche Bank. Das Bild ändert sich allerdings, wenn man Pensionen und Einmalzahlungen einbezieht. Dann schiebt sich wegen eines hohen Pensionsaufwands von im Schnitt 1,2 Millionen Euro auf Platz 2 nach der Deutschen Bank vor. Linde belegt auch bei dem Pensionsaufwand mit im Schnitt 2,5 Millionen Euro den ersten Platz.

Die drei Unternehmen mit dem stärksten Anstieg bei der Vergütung waren Adidas, Covestro und MTU, bei denen die Vergütung im Jahresvergleich um bis zu 191 Prozent zulegte. Die stärkste negative Entwicklung verzeichneten die Vorstände von Puma mit minus 29,7 Prozent.

Interessant sind die Gehaltsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vorstandsmitgliedern. Es zeigt sich, dass männliche Vorstände – Vorstandsvorsitzende nicht eingerechnet – mit durchschnittlich 3,5 Millionen Euro weniger als ihre weiblichen Kolleginnen verdienen, die auf 3,6 Millionen Euro kommen. Damit können wir zumindest auf der Ebene der Vorstandsmitglieder keinen Gender-Pay-Gap erkennen. Trotzdem ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder mit ca. 20 Prozent immer noch deutlich ausbaufähig.

Der Anteil nicht-deutscher Vorstandsmitglieder (exkl. CEO) ist dagegen mit 35% deutlich höher. Und auch diese verdienen mit im Schnitt 3,6 Millionen Euro mehr als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen, die auf 3,4 Millionen Euro kommen.

Nun möchte ich Ihnen einige interessante Einzelergebnisse unserer Studie vorstellen. Spitzenverdiener unter den DAX CEOs ist Steve Angel von Linde mit 19 Millionen  Euro. Herbert Diess von Volkswagen erreichte mit 12 Millionen Euro den zweiten Platz und zog am 2020 Zweitplatzierten Christian Klein von SAP vorbei, der 2021 9 Millionen Euro verdiente. Im Schnitt erhielten die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen  6,1 Mio. Euro und damit mehr als im Vorjahr und deutlich mehr als ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen, deren durchschnittliche Vergütung sich auf 3,5 Mio. Euro belief.

Das deutsche Gehaltsniveau liegt jedoch noch unter manch internationalen Gehaltsstandards. Spitzenreiter bei den Finanzchefs war in diesem Jahr wie bereits in den beiden Vorjahren der CFO der Deutschen Bank, James von Moltke. Er erhielt 7,4 Millionen Euro. Interessant ist auch ein Blick auf die Pensionszusagen. Hier liegt der CEO von Bayer mit einer jährlichen Pensionszusage von 1,4 Millionen Euro an der Spitze, gefolgt von Bjørn Gulden von Puma mit 1,4 Millionen Euro und Frank Appel von der Deutschen Post mit 1,0 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, Die gewaltigen aktuellen globalen Herausforderungen für  unsere großen Unternehmen werden begleitet von der “Jahrhundertaufgabe” der Bekämpfung des Klimawandels. Die Unternehmen stehen dabei unter erheblichem regulatorischem Druck einen zunehmenden Fokus auf die sogenannten ESG-Faktoren zu richten, also auf die Umwelt, auf soziale Aspekte und auf eine gute Unternehmensführung.

Die Verankerung von ESG Zielen in der Vorstandsvergütung ist mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal bzw. Einzelfall mehr. Fast zwei Drittel, Tendenz steigend, der an europäischen Börsen gelisteten Unternehmen, für DAX 90 Prozent und MDAX 72 Prozent integrieren nicht-finanzielle Ziele in ihre Vorstandsvergütung, z.B. die CO2-Emissionen, Mitarbeiterengagement oder Inklusions- und Diversitätsziele.

Mit Blick auf die weltweite Entwicklung seit Beginn des Jahres kann auch der russische Invasionskrieg nicht unerwähnt bleiben. Neben dem unermesslichen menschlichen Leid hat dieser auch zu erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen geführt. Die finanziellen Auswirkungen der weitreichenden Wirtschaftssanktionen und der freiwillige Ausstieg aus dem russischen Markt von vielen deutsche Unternehmen werden zukünftig zu beurteilen sein. So haben Unternehmen wie die Deutsche Telekom, Henkel und Lufthansa den russischen Markt verlassen. Es gibt jedoch auch DAX und MDAX Unternehmen, die weiterhin tätig sind in Russland. Insgesamt macht sich diese schwierige Lage auch bei den Aktienkursen bemerkbar, mit einem Verlust von derzeit ca. 18% seit 1. Januar 2022 beim DAX und 25% beim MDAX (11.07.2022). Die zukünftige Vorstandsvergütung kann hiervon stark beeinflusst sein!

Wie eingangs erwähnt steht fest: Für die Unternehmen gilt es die COVID-19 Krisenbewältigung, den russischen Invasionskrieg, die Inflation und den Klimawandel  in einer komplexer werdenden geopolitischen Lage erfolgreich zu managen und sich erfolgreich zu transformieren. Im Rahmen dieser Aufgaben wird die Vergütung der Vorstände zentrales Steuerungsinstrument bleiben. Die strukturelle Anpassung der Vergütung in Bezug auf den Klimawandel wird sich in den nächsten Jahren immer deutlicher präsentieren. Zusätzlich wird es wichtig werden, den Balanceakt zwischen kurzfristigem Handeln, ausgelöst durch unvorhergesehene Krisen, und langfristigem Handeln, im Rahmen der Nachhaltigkeit, zu optimieren. Nur mit den richtigen Anreizen können diese tiefgreifenden Transformationsprozesse erfolgreich bewältigt werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Rednerin: Christiane Hölz

Vielen Dank Herr Professor Friedl, meine Damen und Herren,

Herr Tüngler hat ja bereits darauf hingewiesen, dass mit den neuen gesetzlichen Regelungen und der entsprechenden Umsetzung in den Unternehmen die Transparenz nicht zugenommen, sondern deutlich gelitten hat.

Ich möchte nun einige Teilaspekte näher erläutern und insbesondere eine  internationale Einordnung der in Deutschland geleisteten Vorstandsvergütung geben. Darüber hinaus möchte ich beleuchten, welchen Einfluss Nachhaltigkeits-Parameter auf die Vergütung in der Chefetage tatsächlich haben.

Internationaler Vergleich

Wo steht Deutschland, wo stehen die DAX-Vorstände mit ihrer Vergütung im internationalen Vergleich? In den von uns untersuchten Indizes, dem DJIA, dem EuroStoxx 50, dem CAC 40 und dem SMI finden sich die deutschen Vorstandsvorsitzenden ganz hinten wieder: Mit einer durchschnittlichen Vergütung von 6,085 Millionen Euro liegen die DAX-Vorstandsvorsitzenden leicht unter den in der Schweiz im SMI gezahlten Gehältern von durchschnittlich 6,563 Millionen Euro. Blicken wir zu unseren französischen Nachbarn, so erhielten hier die Vorstandsvorsitzenden der CAC40-Unternehmen 7,814 Millionen Euro Jahresvergütung in 2021 – dies ist eine Steigerung von 76,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ebenfalls deutlich über dem deutschen Niveau liegt die im EuroStoxx 50 (ex-DE) gezahlte Durchschnittsvergütung von 8,531 Millionen Euro. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vergütung im CAC40 und auch im EuroStoxx 50 von einem signifikanten Einmaleffekt getrieben wurde: Der CEO von Stellantis erhielt einen sogenannten Transformationsbonus in Höhe von 44,560 Mio. Euro, was die Durchschnittsvergütung in CAC40 und EuroStoxx 50 (ex-DE) deutlich erhöhte. Ohne Berücksichtigung von Stellantis läge die durchschnittliche CEO-Vergütung im CAC40 allerdings immer noch bei 6,273 Mio. Euro und im EuroStoxx 50 (ex-DE) bei 6,723  Mio. Euro und damit weiterhin oberhalb dessen, was die Vorstandsvorsitzenden im DAX durchschnittlich verdient haben.

Der Blick über den großen Teich offenbart nach wie vor noch einmal ganz andere  Dimensionen. Die CEOs der in den USA im DJIA gelisteten Unternehmen erhalten eine durchschnittliche Vergütung von 27,340 Millionen Euro – bei einem Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 41,3 Prozent.

ESG

Das Thema ESG spielt auch und zukünftig vielleicht gerade, am Kapitalmarkt eine immer bedeutendere Rolle. Berater müssen etwa ihre Kunden seit dem 2. August 2022 explizit nach und zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen, beraten und bei Bedarf entsprechende Produkte anbieten und erläutern. Spiegelt sich das EU-Ziel, den Klimaschutz voranzutreiben, auch in der Vorstandsvergütung wider?

Wir können feststellen, dass innerhalb der Bemessungsgrundlagen zur Vorstandsvergütung die Rolle nicht-finanzieller ESG-Kriterien wichtiger wird. Immerhin verwenden 90 Prozent der DAX-Unternehmen mindestens eines der drei ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) und auch im MDAX sind es zumindest 72 Prozent. Im DAX finden sich somit lediglich vier Unternehmen, die in 2021 keine ESG-Kriterien in der Vergütung ihrer Vorstände berücksichtigten. Dies waren Delivery Hero, Porsche Automobil Holding, Sartorius und Zalando.

Grundsätzlich beobachten wir unterschiedliche Herangehensweisen bei der Integration von ESG-Kriterien: diese werden entweder als prozentualer Anteil, als Multiplikator oder als Zu-/Abschlag bei der Feststellung der Zielerreichung berücksichtigt.

Von den 36 Unternehmen, die ESG-Kriterien abbilden, tun dies drei ohne Details zu nennen oder einen klaren Fokus auf E, S oder G zu legen beziehungsweise zu nennen (Hannover Rück, Henkel und Merck). Es wird auch nicht offengelegt, welche Kennzahlen tatsächlich berücksichtigt wurden. Dort, wo diese Kennzahlen hinterlegt und berücksichtigt werden, liegt der Schwerpunkt auf Umwelt- und Sozialkriterien wie CO2-Reduktion oder Mitarbeiterzufriedenheit, die bei 31 beziehungsweise 29 der 40 DAX-Unternehmen zu finden sind. Sechs Unternehmen haben Kriterien aus lediglich einer Kategorie integriert, zwölf haben zwei und 15 alle drei Kriterien nachvollziehbar berücksichtigt. 13 Unternehmen verankern ESG-Kriterien sowohl im STI als auch im LTI; vier nur im LTI und 19 ausschließlich im STI.

Wir werten dabei übrigens eine intelligente sowie unternehmensspezifische Berücksichtigung von ESG-Zielen im STI und zugleich im LTI als interessant und richtig. Während ambitionierte CO2-Ziele bei jedem Unternehmen verankert sein sollten, sind sie doch eigentlich ein Must Have, erkennen wir eine gewisse, notwendige Flexibilisierung in der Formulierung neuer, unternehmensspezifischer ESG-Ziele durch den Aufsichtsrat. Auch hat nicht jedes ESG-Ziel unbedingt den gleichen Zeithorizont. Bei den ESG-Zielen kann der Aufsichtsrat stetig und konsequent Impulse setzen. Das Tool sollte und muss er nur nutzen. Dann allerdings muss er auch nachvollziehbar erläutern, warum die Ziele unterschiedlich verortet und für das Unternehmen im Wirkungshorizont differenziert relevant sind. Auch hier gilt also: Transparenz ist alles.

Wichtig ist, dass die Nachhaltigkeitsziele einen spürbaren Effekt haben und im Rahmen der Vergütungsbemessung nicht lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Wie bei den finanziellen Zielen sollen die ESG-Vergütungsziele zudem aus der Unternehmensstrategie abgeleitet, für das jeweilige Unternehmen relevant und für Anleger messbar und damit nachvollziehbar sein. Das bereits von Herrn Tüngler adressierte Transparenz-Dilemma setzt sich allerdings auch im so wichtigen Nachhaltigkeits-Feld fort. Die konkrete Quantifizierung des prozentualen Anteils der ESG-Parameter an der Vergütung bleibt oftmals schwierig. Lediglich 13 der 40  DAX-Unternehmen machen quantifizierbare Angaben im STI und 14 im LTI. Bezogen auf diese Unternehmen beträgt der durchschnittliche Anteil am STI 14 Prozent – bei einer Bandbreite von fünf bis 33,3 Prozent. Der ESG-Anteil am LTI beläuft sich bei diesen auf 28 Prozent, mit einer Spanne von 20 bis 50 Prozent.

Im Fazit lässt sich sagen, dass das ESG-Thema in den Vergütungssystemen zwar angekommen ist, aber um den gewünschten Hebel auch nachhaltig umlegen zu können, gibt es noch eine Menge zu tun. Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise der Unternehmen und auch immer noch fehlender Daten in einigen Vergütungsberichten ist eine wirklich valide Vergleichbarkeit des Anteils der ESG-Kriterien an der variablen Vergütung bei so manchem Unternehmen nur schwer möglich, aber umso wünschenswerter.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Tabellen Vorstandsvergütungsstudie 2022