DSW-Studie zur Vorstandsvergütung

Der Widerstand der Wirtschaft gegen die Transparenz in Sachen „Vorstandsgehälter“ war lang und hart. Eine Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex konnte zwar Einige umstimmen. Doch etliche Unternehmen wollten lieber veröffentlichen, dass sie zu diesem Thema nichts zu veröffentlichen haben, als den Kapitalmarktteilnehmern die geforderten Informationen zu geben.

Teilnehmer:

Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer

Christiane Hölz, DSW-Vergütungsexpertin

Jürgen Kurz, Pressesprecher

Es gilt das gesprochene Wort

Der Widerstand der Wirtschaft gegen die Transparenz in Sachen „Vorstandsgehälter“ war lang und hart. Eine Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex konnte zwar Einige umstimmen. Doch etliche Unternehmen wollten lieber veröffentlichen, dass sie zu diesem Thema nichts zu veröffentlichen haben, als den Kapitalmarktteilnehmern die geforderten Informationen zu geben.

Die Folgen waren absehbar. Der Gesetzgeber griff ein. Seit August 2005 ist nun das Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz (VorstOG) in Kraft. Danach müssen alle in Deutschland börsennotierten Unternehmen die Gehälter ihrer Vorstände spätestens ab dem Geschäftsjahr 2006 individualisiert offen legen. Eigentlich könnte man annehmen, dass keine der großen DAX-Gesellschaften sich die Blöße geben wollte, den Eindruck zu erwecken, dass erst ein Gesetz sie zur Offenheit zwingt.

Insofern ist es schon verwunderlich, dass immer noch sieben der dreißig größten deutschen Unternehmen die Gehälter ihrer Vorstände für das Geschäftsjahr 2005 nicht individualisiert offen legen. Wir werden also bis nächstes Jahr warten müssen. Dann kommen auch die hartnäckigsten Verweigerer nicht mehr um die Offenlegung herum.

Immerhin hat keine der großen Gesellschaften die Hintertür des so genannten „Opting-Out“ genutzt, um sich der Transparenz auch in den kommenden Jahren zu entziehen. Dafür war der Druck des Kapitalmarktes dann zum Glück doch zu groß. Anders sieht das bei kleineren Unternehmen aus, die nicht so im Fokus internationaler Kapitalgeber stehen.

Die auch als „Lex Wiedeking“ bezeichnete Opting-Out-Regelung ermöglicht es den Unternehmen, auf die ungeliebte Transparenz zu verzichten, wenn 75 Prozent der auf der Hauptversammlung vertretenen stimmberechtigten Aktien dieser Entscheidung zustimmen. Unserer Meinung nach hätte der Gesetzgeber auf diese Klausel verzichten sollen, schafft sie doch eine Zweiklassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite die Großaktionäre, die aufgrund ihrer Position die Gehälter der Vorstände sowieso kennen, eine gesonderte Veröffentlichung deshalb gar nicht benötigen. Und auf der anderen Seite die Privataktionäre, denen der Einblick auch zukünftig verweigert wird. Erich Sixt, Vorstandsvorsitzender, Gründer und Großaktionär des gleichnamigen Münchner Autovermieters, hat als erster das Opting-Out genutzt. Schon kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes wurde beschlossen, dass es nur Herrn Sixt etwas angeht, was Herr Sixt verdient. Der Autohersteller Porsche folgte diesem Beispiel wenig später.

In der Hauptversammlungssaison 2006 haben immerhin rund 200 Aktiengesellschaften diesen Weg gewählt. Allein im Börsensegment MDax stand das Opting-Out auf den Tagesordnungen von zehn Unternehmen. Die Vorstände von AMB Generali, HypoVereinsbank, Celesio, Hannover Rück HeidelbergCement, Hugo Boss, Krones, ProSiebenSat1, Stada Arzneimittel und Südzucker wollten sich auch zukünftig nicht von ihren Aktionären in die Karten sehen lassen. Bei Stada Arzneimittel konnte die DSW verhindern, dass die Verwaltung sich mit diesem Wunsch durchsetzt.

Im TecDax stellten Bechtle, Drägerwerk, Nordex, Pfeiffer Vacuum, QSC und Solarworld den Antrag auf Intransparenz. Hier war die Durchsetzungsquote geringer als im MDax. Auf Betreiben der DSW unterlagen Pfeiffer Vacuum und Solarworld bei den Abstimmungen. Bei den Drägerwerken wurde der Punkt bereits im Vorfeld der Hauptversammlung von der Tagesordnung gestrichen.

Doch das Opting-Out ist nicht die einzige Schwäche des Gesetzes. Zwar schreibt das VorstOG den Unternehmen sehr genau vor, welche Informationen offen zu legen sind. Doch leider wird darauf verzichtet, die Darstellungsform zu standardisieren, wie dies beispielsweise in Großbritannien der Fall ist. Dieses Versäumnis hat zur Folge, dass die Gesellschaften sehr weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten bei der Veröffentlichung der individualisierten Vorstandsgehälter haben. Was das bedeutet hat die DSW bereits im vergangenen Jahr untersucht.

Bei der Analyse der Vergütungsberichte für das Geschäftsjahr 2004 der 30 DAX-Gesellschaften schafften gerade einmal SAP und RWE ein „gut“. Das Gros der Unternehmen mussten wir mit „ausreichend“ bewerten. Darunter auch Unternehmen wie Commerzbank und Deutsche Börse. Beide veröffentlichten die Gehälter ihrer Vorstände auch zu diesem Zeitpunkt schon individualisiert. Dem Anleger hat das leider nur wenig geholfen.

Diese Beispiele zeigen, dass der Zwang zur Offenlegung nur dann zu sinnvollen Ergebnissen führen wird, wenn den Unternehmen gleichzeitig genau vorgeschrieben wird, wie die Informationen zu veröffentlichen sind. Wird, wie jetzt im VorstOG, hierauf verzichtet, droht die Gefahr, dass trotz Transparenzpflicht Intransparenz vorherrscht. Die komplette Analyse der Vergütungsberichte 2004 finden Sie auf unserer Internetseite www.dsw-info.de unter dem Menüpunkt „Publikationen“.

Deutlichen Nachholbedarf gibt es auch was die Transparenz von Aktienoptionsplänen oder ähnlichen Belohnungssystemen der Unternehmen angeht. Eigentlich unverständlich, schaden die Gesellschaften sich doch selbst, wenn sie nicht offen legen, welche Summen aus solchen Programmen tatsächlich an die Vorstände geflossen sind. In Ermangelung der realen Zahlen wird in der öffentlichen Diskussion rund ums Thema „Vorstandsvergütung“ mit virtuellen Werten operiert. Diese werden dem Vorstandsgehalt dann zugeschlagen. Völlig vergessen wird dabei, dass solche Programme erst dann wirklich werthaltig werden, wenn den Vorständen hieraus tatsächlich fungible Aktien oder Geldsummen zugeflossen sind.

An diesem Mangel wird leider auch das neue Gesetz nichts ändern. Bei Aktienoptionen verlangt das VorstOG lediglich, dass die „aktienbasierte Vergütung mit dem Zeitwert zum Zeitpunkt der Gewährung“ offen zu legen ist. Kein Wort davon, dass die Unternehmen sagen müssen, was den Vorständen tatsächlich an Geld zugeflossen ist.

Bei Angaben zu den Pensionsanwartschaften der Vorstände bleibt das Gesetz ebenfalls wachsweich. Hier heißt es: „Dies (gemeint ist die individualisierte Offenlegungspflicht) gilt auch für Leistungen, die den Vorstandsmitgliedern für den Fall der Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind, wenn sie von den den Arbeitnehmern erteilten Zusagen nicht unerheblich abweichen.“ Hier reichen also Angaben zu den Basisdaten aus, um dem Gesetz zu entsprechen. Wir hätten uns härtere Anforderungen gewünscht.

Nun aber zu den Ergebnissen der DSW-Vorstandsvergütungsstudie, die Ihnen Frau Hölz jetzt vorstellen wird.

Bevor ich zu den Ergebnissen komme, kurz etwas zur Systematik der Untersuchung:

Analysiert wurde, was die im DAX30 notierten Aktiengesellschaften ihren Vorständen für die Geschäftsjahre 2005 und 2004 überwiesen haben. Um die Werte vergleichbar zu machen, blieben Vergütungsbestandteile wie etwa Aktienoptionen außen vor.

Neben der absoluten Höhe der Gehälter stand insbesondere der Zusammenhang zwischen gezahlter Vergütung und wirtschaftlicher Entwicklung des jeweiligen Unternehmens im Mittelpunkt der Analyse. Als Vergleichskennzahl haben wir das Ergebnis je Aktie genutzt. In der Ihnen vorliegenden Tabelle finden Sie zudem die jeweiligen Kursentwicklungen der Unternehmen im Jahr 2005.

Wie schon im letzten Jahr hatten wir es auch dieses Jahr wieder mit unterschiedlich ausgeprägter Offenheit zu tun. Mit Blick auf das Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz hat sich das Verhältnis allerdings weiter zu Gunsten der Transparenz verändert.

Auf der einen Seite stehen die Gesellschaften, die der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex folgen und die Gehälter ihrer Vorstände individualisiert veröffentlichen. Für das Geschäftsjahr 2005 waren das 21 Gesellschaften. Mit DaimlerChrysler, BMW, BASF, Henkel, der Münchner Rück, Linde und Fresenius Medical Care verweigerten sieben Unternehmen die individualisierte Offenlegung der Vorstandsgehälter. Für das Geschäftsjahr 2004 hatten noch neun Gesellschaften auf die Transparenz verzichtet. Während Adidas die Vorstandsvergütung seit 2005 komplett individualisiert veröffentlicht, konnte Infineon sich lediglich dazu durchringen, die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden individualisiert zu nennen. Auch MAN belässt es für das Geschäftsjahr 2005, wie schon im Jahr davor, bei der Veröffentlichung der Vergütung des Vorstandschefs.

Für alle Gesellschaften, die nicht individuell veröffentlichen, wurden auf Basis der Geschäftsberichte Schätzwerte ermittelt. Hierbei ist zu beachten, dass in der angegebenen Gesamtsumme Abfindungszahlungen an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder oder so genannte „golden hellos“, also Antrittsgelder für neue Mitglieder, enthalten sein können. Im Anschluss wurden diese Unternehmen mit den Werten konfrontiert und um Aufschlüsselung und Bestätigung gebeten. Alle angeschrieben Gesellschaften haben geantwortet.

Nun aber zu den eigentlichen Ergebnissen unserer Untersuchung:

In den Vorstandsetagen der 30 DAX-Unternehmen wurde für das Geschäftsjahr 2005 durchschnittlich 1,7 Millionen Euro verdient. 2004 lag der Betrag bei 1,54 Millionen Euro. Damit haben die Vorstände im Schnitt 11 Prozent mehr Geld bekommen. Die Leistung der Vorstandsvorsitzenden wurde im Durchschnitt mit 3 Millionen Euro vergütet. Damit lag auch hier, verglichen mit dem Vorjahr, das Plus bei 11 Prozent.

Im europäischen Vergleich liegen die deutschen Vorstände damit sicher im oberen Bereich. So verdienen etwa die Vorstandschefs der im niederländischen Börsensegment AEX notierten Unternehmen durchschnittlich 1,7 Millionen Euro und damit deutlich weniger als ihre deutschen Kollegen. Den Spitzenplatz belegt hier mit einer Barvergütung von rund 3,8 Millionen Euro der Chef des Versicherungskonzern Aegon, Don Shepard.

In Großbritannien liegt Xstrata-Chef Michael Davis mit einem jährlichen Gehalt von etwa 7,25 Millionen Euro an der Spitze, gefolgt von Stanley Fink. Der CEO der MAN Group kann sich über 5,6 Millionen Euro p.a. freuen.

Ein einfaches Vorstandsmitglied eines im FTSE100 gelisteten Unternehmens bekommt im Schnitt 1,4 Millionen Euro.

In den USA liegt die durchschnittliche Entlohnung für Vorstandsmitglieder der im S&P 500 gelisteten Unternehmen bei 2,5 Millionen Euro. Aufgrund der Größe des Index verwundert es nicht, dass die Spanne gewaltig ist. Sie reicht bei der Barvergütung von rund 240.000 Euro für einen Vorstandsvorsitzenden bis zu 18,8 Millionen Euro. Inklusive Aktienoptionen kann das Gehalt bis auf die astronomische Summe von rund 125 Millionen Euro anwachsen. (Zu finden sind die US-Daten im Internet unter www.thecorporatelibrary.com.)

Nun aber wieder zurück nach Deutschland. Hier belegt unter den 30 im DAX notierten Gesellschaften, wie schon im Vorjahr, die Deutsche Bank den ersten Platz. Durchschnittlich hat ein einfaches Vorstandsmitglied des größten deutschen Kreditinstituts im Geschäftsjahr 2005 etwa 3,83 Millionen Euro verdient. Das entspricht, verglichen mit dem Vorjahreswert, einem Gehaltssprung von immerhin 26 Prozent. Im gleichen Zeitraum konnte die Bank das Ergebnis je Aktie um rund 52 Prozent steigern. Die Deutsche-Bank-Aktie legte im Jahr 2005 um etwa 25 Prozent zu.

Auf Rang zwei folgt mit rund 3,18 Millionen Euro pro Vorstand die Führungscrew des Softwarekonzerns SAP. Immerhin noch knapp 3 Millionen Euro erhält durchschnittlich ein einfaches Vorstandsmitglied der DaimlerChrysler AG.

Den größten Gehaltssprung verzeichnete die Chefetage der Commerzbank mit einem Plus von sage und schreibe 175 Prozent. Das Ergebnis je Aktie des Kreditinstituts stieg dabei allerdings um gut 216 Prozent. Der Aktienkurs legte im Jahr 2005 um 71 Prozent zu.

Mit einem Plus von rund 58 Prozent liegt der Softwarekonzern SAP an zweiter Stelle der Zuwachsliste. Diesem Gehaltsplus stand ein eher bescheidener Anstieg des Ergebnisses je Aktie von 14,45 Prozent gegenüber. Auch das Kursplus fiel mit 16,6 Prozent deutlich geringer aus als der Gehaltszuwachs auf Vorstandsebene.

Das größte Minus mussten die Vorstände der Metro AG hinnehmen. Fast 23 Prozent weniger zahlte der Einzelhändler an seine Führungscrew. Das Ergebnis je Aktie sank im vergangenen Geschäftsjahr allerdings noch stärker: Um 35,6 Prozent ging es im Vergleich zum Geschäftsjahr 2004 zurück. Der Kurs war mit einem Plus von 0,37 Prozent im Jahr 2005 ebenfalls nicht gerade dazu angetan, Euphorie bei den Anlegern hervorzurufen.

Mit 22,3 Prozent mussten die Infineon-Vorstände prozentual fast den gleichen Rückgang hinnehmen wie ihre Metro-Kollegen. Das scheint noch verschmerzbar, sieht man auf das Ergebnis je Aktie des High-Tech-Unternehmens. Infineon gehört zu den gerade einmal vier DAX-Gesellschaften, deren Ergebnis 2005 schlechter ausfiel als 2004. Damit nicht genug, Infineon ist außerdem das einzige Unternehmen aus diesem Kreis, das für das Geschäftsjahr 2005 einen Verlust ausweisen musste. Der Kurs gehört mit einer Perfomance von Minus 3,50 Prozent ebenfalls zu den schlechtesten im DAX30. Vor diesem Hintergrund ist der Gehaltsrückgang eher noch zu gering ausgefallen.

Die Spannbreite der im DAX gezahlten Vorstandsgehälter war in diesem Jahr noch ausgeprägter als im Vorjahr. Lagen im Geschäftsjahr 2004 rund 2,2 Millionen Euro zwischen Nummer 1 und Nummer 30, sind es diesmal knapp 3 Millionen Euro. So groß ist der Gehaltsunterschied zwischen dem Durchschnittsverdienst eines einfachen Vorstands der Deutschen Bank und einem Manager der Postbank. Bei den Aktienkursen hatte dagegen die Postbank deutlich die Nase vorn. Während die Papiere der Deutschen Bank um 25 Prozent zulegte, stiegen die Postbankaktien um gut 50 Prozent.

Insgesamt sieben Gesellschaften reduzierten die Zahlungen an ihre Vorstände. RWE, Adidas, Allianz und die Deutsche Börse zahlten weniger, obwohl das Ergebnis je Aktie jeweils gestiegen war.

Siemens, Metro und Infineon reduzierten die Managergehälter bei rückläufigen Ergebnissen je Aktie.

Über steigende Gehälter trotz eines schlechteren Ergebnisses im Geschäftsjahr 2005 konnten die Vorstände der TUI AG sich freuen. Der Touristikkonzern überwies seiner Führungsmannschaft immerhin 26,4 Prozent mehr. Dabei rauschte das Ergebnis je Aktie im Geschäftsjahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr um fast 23 Prozent nach unten.

Tabelle_DSW-Pressekonferenz.pdf