DSW-Aufsichtsratsstudie 2016

Im Fokus der diesjährigen Studie standen neben den Machtverhältnissen und den Vergütungen der Aufsichtsräte auch wieder Corporate-Governance-Themen wie Zeitaufwand, Altersstruktur und Zugehörigkeitsdauer zum jeweiligen Gremium.

Teilnehmer seitens der DSW:

Jella Benner-Heinacher, Hauptgeschäftsführerin (stv.)

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW

Jürgen Kurz, Pressesprecher

 

Es gilt das gesprochene Wort

Jella Benner-Heinacher, Hauptgeschäftsführerin (stv.) der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)

Meine Damen und Herren,

zunächst darf auch ich Sie herzlich zu unserer Pressekonferenz zur Vorstellung der DSW-Aufsichtsratsstudie 2016 begrüßen. Im Fokus der diesjährigen Studie standen neben den Machtverhältnissen und den Vergütungen der Aufsichtsräte auch wieder Corporate-Governance-Themen wie Zeitaufwand, Altersstruktur und Zugehörigkeitsdauer zum jeweiligen Gremium. Wir haben zwar den gesamten HDAX analysiert, werden uns bei der Vorstellung der Studie aber auf die im DAX30 notierten Gesellschaften konzentrieren. Die Daten zu den weiteren Indizes finden Sie in den Ihnen vorliegenden Unterlagen.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex verlangt vor allem von den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Ausschussmitgliedern mittlerweile deutlich mehr Mitarbeit an strategischen Entscheidungen der Unternehmen als dies früher üblich war. Um diese Aufgaben wirklich erfüllen zu können, ist daher ein hohes Maß an Kompetenz, Erfahrung und – gerade in Krisenfällen – Belastbarkeit und ausreichend Zeit erforderlich.

Mindestanforderungen an die Fähigkeiten und Kenntnisse des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds sieht der Corporate Governance Kodex übrigens nicht vor. Ziffer 5.4.1 konkretisiert die persönlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder insoweit, als das Gesamtgremium so zusammenzusetzen ist, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Seine Zielzusammensetzung soll der Aufsichtsrat erarbeiten und dann veröffentlichen.

Damit übergebe ich das Wort aber auch schon an meine Kollegin Frau Hölz, die Ihnen nun den Teil der Studie vorstellt, der sich mit der Vergütung respektive der Frage nach dem einflussreichsten Aufsichtsrat beschäftigt.

 

Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW der DSW

Meine Damen und Herren,

auch in der diesjährigen DSW-Aufsichtsratsstudie haben wir uns wieder mit der Frage nach dem Einfluss der Aufsichtsräte beschäftigt. Maßstab ist dabei, wer in welchem Kontrollgremium welche Position einnimmt.

In 2016 wurden auf der Anteilseignerseite der DAX30-Unternehmen 34 der 261 Mandate neu besetzt. Obwohl der Anteil der neu zu besetzenden Positionen deutlich geringer war als noch in den beiden vorangegangenen Jahren, hat sich in der Liste der einflussreichsten Kontrolleure einiges verändert. So ist etwa Werner Wenning, der von 2013 bis 2015 den ersten Platz einnahm, auf Rang sechs zurückgefallen, da er nicht mehr im Aufsichtsrat des Energieversorgers E.ON vertreten ist.

Neuer Spitzenreiter der Liste der einflussreichsten Aufsichtsräte ist damit der Vorjahreszweite Ulrich Lehner. Und das obwohl er bei der Deutschen Telekom, wo er nach wie vor den Aufsichtsratsvorsitz innehat, nicht mehr im Prüfungsausschuss vertreten ist.

Ein echter Aufsteiger ist der ehemalige SAP-Finanzvorstand Werner Brandt, der im vergangenen Jahr noch nicht unter den TOP 10 zu finden war. Sein Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrats bei RWE und der Aufstieg von ProSiebenSat.1 in den DAX, wo er seit 2014 ebenfalls dem Kontrollgremium vorsitzt, haben ihn auf Platz zwei der Liste katapultiert.

Karl-Ludwig Kley, der im Ranking des Vorjahres mit seinem elften Platz noch der am höchsten platzierte aktive Vorstand war, liegt jetzt punktgleich mit Herrn Brandt auf Rang zwei. Nachdem er seine Karriere als Vorstandschef bei der Merck KGaA beendete, folgte er Werner Wenning als Vorsitzender des E.ON-Aufsichtsrates nach.

Auf dem ebenfalls geteilten Rang 4 folgen Paul Achleitner (2015: Rang 5) und Wolfgang Mayrhuber (2015: Rang 3).

Eine Frau findet sich unter den Führenden des Rankings weiterhin nicht. Mit Ann-Kristin Achleitner taucht der erste weibliche Aufsichtsrat auf Rang 16 auf. Die Professorin für Betriebswirtschaftslehre sitzt bei der Deutschen Börse, Linde und der Münchener Rück im Kontrollgremium. Insgesamt finden sich unter den TOP 50 Aufsichtsräten des Rankings lediglich fünf Frauen.

Die TOP 10 der DSW-Untersuchung halten insgesamt 29 Mandate bei 19 der 30 DAX-Unternehmen. Diese Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr praktisch unverändert (31 Mandate bei 20 DAX-Unternehmen). Langfristig betrachtet bleibt der Trend der Mandatsreduzierung unter den TOP-Aufsichtsräten aber bestehen: Im Jahr 2007 hielten die TOP 11 Aufsichtsräte noch 41 Aufsichtsratsmandate bei 24 der 30 DAX-Unternehmen.

Blickt man auf die Gesamtheit der DAX30-Mandate, so zeigt sich ein fast unverändertes Verhältnis von Personen zu Mandaten. Wurden in 2015 die 248 Aufsichtsratsmandate auf Anteilseignerseite noch durch 201 Mandatsträger besetzt, so sind es in 2016 214 Personen, die in den 261 DAX30-Aufsichtsratsmandaten auf Anteilseignerseite vertreten sind.

Neben der Frage nach dem Einfluss wurden im Rahmen der Studie natürlich auch wieder die Vergütung und die zugrunde liegenden Vergütungssysteme analysiert. Und hier wirkt sich die Abgasaffäre bei Volkswagen kräftig aus.

Die seit September 2015 in dem Wolfsburger Autokonzern alles beherrschende Dieselproblematik beschäftigt das Unternehmen auf allen Ebenen, natürlich auch und ganz besonders die Arbeit des Aufsichtsrates. Das zeigt sich zum einen an dessen Sitzungsfrequenz: Trafen sich die Kontrolleure des Konzerns 2014 an 18 Terminen zu Plenums- und Ausschusssitzungen, so stieg die Sitzungszahl in 2015 auf fast das Doppelte: 35 Sitzungen hielten der Aufsichtsrat und seine Ausschüsse im vergangenen Jahr ab.

Die Vergütung des Gremiums jedoch fiel im gleichen Zeitraum um gut 94 Prozent von 12,1 Millionen Euro auf 0,7 Millionen Euro. Grund hierfür ist der hohe Anteil der variablen Vergütung der VW-Aufsichtsräte: Das Grundgehalt eines einfachen Mitglieds beträgt lediglich 6.000 Euro, insgesamt erhielten die Gremiumsmitglieder nur rund 138.000 Euro aus dieser Vergütungskomponente. Hinzu kamen in 2015 noch knapp 0,2 Millionen Euro an Ausschussvergütung und Sitzungsgeld sowie 0,4 Millionen Euro sonstige Vergütungen für die Wahrnehmung von Mandaten bei Tochtergesellschaften. Dem standen in 2014 allein knapp 9 Millionen Euro variable Vergütung gegenüber, die, da an die Dividende geknüpft, in 2015 komplett ausfiel.

Der starke Rückgang der Vergütung bei Volkswagen, 2014 noch der größte Zahler im DAX30, führt dazu, dass die Gesamtvergütung der Aufsichtsräte im größten deutschen Index seit fünf Jahren erstmals wieder gesunken ist. 8,6 Prozent weniger als in 2014 erhielten die DAX-Kontrolleure in 2015.

Ohne diesen Sondereffekt zeigt sich, dass die Aufsichtsratsvergütung – ebenso wie die Vorstandsvergütung im DAX30 – weiter im Aufwärtstrend ist: Die Aufsichtsräte der restlichen 29 DAX-Unternehmen konnten im Vergleich zu 2014 ein Plus von knapp 6 Prozent auf ihrem Konto verbuchen.

Den größten Zuwachs erhielten die zwölf Aufsichtsräte von HeidelbergCement. Ihre Vergütung betrug 2015 rund 1,5 Millionen Euro und damit knapp 59 Prozent mehr als noch in 2014. Aber auch bei den beiden Neulingen im DAX30, ProSiebenSat.1 und Vonovia, stieg die Vergütung der Aufsichtsräte mit knapp 47 Prozent bzw. 41 Prozent auf 1,4 Millionen Euro bzw. 1,6 Millionen Euro deutlich an.

Während bei ProSiebenSat.1 die Hauptversammlung 2014 eine Erhöhung der Vergütung ab Mitte 2014 beschlossen hatte, lag es bei Vonovia vor allem an der Erweiterung des Aufsichtsrates von neun auf zwölf Mitglieder zur Jahresmitte 2015 sowie an einem teilweisen Vergütungsverzicht für 2014.

Die absolut höchsten Gehälter erhielten die Aufsichtsräte von Siemens, BMW und Deutsche Bank. Sowohl Siemens als auch BMW zahlten ihren jeweils 20 Aufsichtsräten insgesamt mehr als 5 Millionen Euro für das abgelaufene Geschäftsjahr.

Die höchste Vergütung aus einem Aufsichtsratsmandat zahlte in 2015 die Deutsche Bank. Der Vorsitz im Aufsichtsrat des größten deutschen Geldhauses wurde mit 0,8 Millionen Euro vergütet. Immerhin noch 0,6 Millionen Euro erhielt der Aufsichtsratsvorsitzende der Siemens AG, der allerdings im Vergleich zum Vorjahr aufgrund einer geringeren Sitzungsfrequenz einen leichten Rückgang um 1,2 Prozent in der Vergütung hinnehmen musste.

Im Durchschnitt stiegen die Aufsichtsratsbezüge eines ordentlichen Mitglieds im DAX30 (ohne Volkswagen) im Vergleich zu 2014 um 6,3 Prozent auf etwa 111.000 Euro. Die Vergütung der Aufsichtsratsvorsitzenden stieg im gleichen Zeitraum um 5,5 Prozent auf 355.000 Euro. Damit verdienen die Aufsichtsratsvorsitzenden der DAX30-Unternehmen durchschnittlich mehr als das Dreifache ihrer ordentlichen Aufsichtsratskollegen.

Obwohl nur knapp die Hälfte der DAX30-Unternehmen in ihren Satzungen eine Verdreifachung der Vergütung für den Vorsitz im Aufsichtsrat niedergelegt hat, erklärt sich dieser Wert aus der für den Vorsitzenden erhöhten Vergütung für Ausschusstätigkeiten sowie einem erhöhten Sitzungsgeld durch die Teilnahme an einer Vielzahl von (Ausschuss-) Sitzungen.

Der Vorsitz im Prüfungsausschuss der DAX30-Unternehmen wurde 2015 im Durchschnitt mit rund 209.000 Euro fast annähernd so hoch vergütet wie der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitz (rund 230.000 Euro). Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung bei der Vergütung der Prüfungsausschussvorsitzenden von 4,8 Prozent (alle Zahlen ohne Volkswagen).

Die Struktur der Vergütung im DAX30 zeigt eine starke Gewichtung der festen Vergütungsbestandteile, die sich gegenüber dem Vorjahr, nicht zuletzt auch durch den Effekt Volkswagen, noch verstärkt hat. Allein die Grundvergütung machte in 2015 58 Prozent der Gesamtvergütung aus. 2006 betrug diese Komponente noch 32 Prozent der Gesamtvergütung. Insgesamt hat sich die Vergütungsstruktur damit im Mehrjahresvergleich deutlich zugunsten der festen Vergütungsbestandteile verschoben.

Dies wird von uns grundsätzlich positiv gesehen. Insbesondere der Fall Volkswagen zeigt deutlich die Nachteile eines (hohen) variablen Vergütungsanteils auf, vor allem, wenn dieser ausschließlich kurzfristig ausgestaltet ist. Denn Aufsichtsräte sind insbesondere in Krisenfällen im Unternehmen gefordert, ihr Arbeitsaufwand steigt in diesen Zeiten enorm an. Ein signifikanter variabler Anteil der Vergütung führt aber zwangsläufig dazu, dass die Vergütung falsche Anreize setzt und die durch eine angemessene Vergütung zu gewährleistende Unabhängigkeit des Aufsichtsrates gefährdet wird. Daher befürwortet die DSW eine reine Festvergütung für den Aufsichtsrat.

Sofern eine variable Vergütung für den Aufsichtsrat vom Unternehmen für sinnvoll erachtet wird, sollte diese aus Sicht der DSW weder ausschließlich an kurzfristige Kennziffern gekoppelt werden, noch sollten dieselben Kennziffern wie für die Vergütung des Vorstands zugrunde gelegt werden. Insbesondere die Dividende als Motivationsanreiz für den Aufsichtsrat ist – gerade in Krisenzeiten – sicherlich der falsche Indikator für die Vergütung des Kontrollgremiums. Auch im Deutschen Corporate Governance Kodex erscheint die variable Vergütung seit 2012 nur noch als eine Möglichkeit, die, wenn sie genutzt wird, langfristig orientiert sein soll.

Im DAX vergüten inzwischen 22 Unternehmen ihre Aufsichtsräte mit einer reinen Festvergütung. Nur noch drei Unternehmen gewähren eine dividendenbasierte variable Vergütung. Einen Sonderfall stellt die Deutsche Bank dar. Hier werden 25 Prozent der gewährten (Fest-)Vergütung in Aktien umgerechnet. Der entsprechende Kurswert der Aktien wird mit Ausscheiden bzw. mit Ablauf der Amtsperiode des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds vergütet.

Eine andere Form der Verknüpfung der Aufsichtsratsvergütung mit der Entwicklung des Aktienkurses wählten im DAX30 insgesamt vier Unternehmen. Hier haben Aufsichtsratsmitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat im Rahmen einer „Selbstverpflichtung“ erklärt, für jeweils einen bestimmten Prozentsatz der gewährten Grundvergütung (einschließlich ggf. der Ausschussvergütung) Aktien des Unternehmens zu kaufen und während der Dauer ihrer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu halten.

Die Diskussion um eine angemessen strukturierte Vergütung für Aufsichtsräte könnte durch den Fall Volkswagen noch einmal Fahrt aufnehmen, zeigt er doch, dass die Dividende sicherlich der falsche Indikator für die Vergütung dieses Gremiums ist. Die von der DSW favorisierte Einführung einer reinen Festvergütung kombiniert mit einem (adäquat) erhöhten Faktor für die Arbeit in herausgehobenen Positionen, wie z.B. dem Aufsichtsratsvorsitz oder dem Ausschussvorsitz, sichert dagegen die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder unter Berücksichtigung der Mehrarbeit und erhöhten Verantwortung sowie Haftungsrisiken der Mitglieder des Aufsichtsrates, insbesondere in herausgehobenen Positionen. Daneben ist eine derartige Vergütungssystematik krisenfest und entspricht den Grundsätzen guter Unternehmensführung, wie sie im Deutschen Corporate Governance Kodex niedergelegt sind. Die DAX30-Unternehmen sind hier bereits auf einem guten Weg. Nachholbedarf ist jedoch insbesondere noch bei Unternehmen unterhalb des deutschen Blue Chip Index gegeben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Jella Benner-Heinacher, Hauptgeschäftsführerin (stv.) der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz)

Meine Damen und Herren,

nachdem wir nun wissen, wer die einflussreichsten und die am besten vergüteten Aufsichtsräte sind, werde ich mich noch kurz der von den Kontrolleuren für ihre Tätigkeit aufgewendeten Zeit, ihrem Durchschnittsalter und ihrer Zugehörigkeitsdauer zum jeweiligen Aufsichtsrat widmen.

Die Häufung von Mandaten in verschiedenen Aufsichtsräten (sog. Overboarding) führt, zumal wenn herausgehobene Positionen gehalten werden, zu einem enormen Zeitaufwand der betreffenden Mandatsträger. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich der Deutsche Corporate Governance Kodex diesem Thema angenommen und formuliert in Ziffer 5.4.1:

„Der Aufsichtsrat soll sich für seine Vorschläge zur Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder an die Hauptversammlung bei dem jeweiligen Kandidaten vergewissern, dass er den zu erwartenden Zeitaufwand aufbringen kann.“

Und weiter in Ziffer 5.4.5:„Jedes Aufsichtsratsmitglied achtet darauf, dass ihm für die Wahrnehmung seiner Mandate genügend Zeit zur Verfügung steht.“

Das ist der Grund, warum wir als DSW auf den Hauptversammlungen vor der Wahl eines Aufsichtsratskandidaten genau nachfragen, ob dieser auch genügend Zeit für dieses Mandat mitbringt.

Obwohl eine reine Zählung der Sitzungsanzahl nicht allein Aufschluss über die Beanspruchung geben kann, ist sie doch ein Indikator für die zeitliche Belastung und wie der Fall Volkswagen anschaulich zeigt, ist der zeitliche Aufwand für ein Unternehmen in Krisensituationen immer höher als in wirtschaftlich guten Zeiten.

Die steigenden Anforderungen an die Aufsichtsräte – was demnächst durch die Reform der Abschlussprüfung weiter verschärft wird – führen aber nicht nur in Krisenzeiten zu einer erhöhten Sitzungsfrequenz. Insgesamt ist auch ein Trend zu mehr regulären Sitzungen erkennbar.

In unserer Studie wird daher der Zeitaufwand der fünf Führenden im Mandatsranking anhand der Anzahl der Sitzungstermine 2015 in den DAX30-Gesellschaften exemplarisch untersucht. Bei den Gesellschaften, die die Sitzungsteilnahme im Geschäftsjahr individualisiert offenlegen, wurde die tatsächliche Teilnahme zugrunde gelegt. In den übrigen Fällen haben wir eine 100prozentige Teilnahmequote unterstellt.

 

Ulrich Lehner:

 

Anzahl

Vorsitz geführt in

Unternehmen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

Deutsche Telekom

7

22

7

15

E.ON

6

6

0

0

Thyssen
Krupp

5

20

5

14

Gesamt

18

48

12

29

 Werner Brandt:

 

Anzahl

Vorsitz geführt in

Unternehmen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

Deutsche
Lufthansa

7

9

0

6

ProSiebenSat.1 Media

7

9

7

9

RWE

6

5

0

5

Gesamt

20

23

7

20

 Karl-Ludwig Kley:

 

Anzahl

Vorsitz geführt in

Unternehmen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

BMW

2

17

0

7

Deutsche Lufthansa

7

7

0

0

E.ON

---

---

---

---

Gesamt

9

24

0

7

Da sich die Untersuchung des Zeitaufwands bei Herrn Kley nur auf das Jahr 2015 bezieht, ist die Sitzungsteilnahme bei E.ON noch nicht erfasst.

 Wolfgang Mayrhuber:

 

Anzahl

Vorsitz geführt in

Unternehmen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

Deutsche Lufthansa

7

7

7

4

Infineon

6

10

6

3

M.Rück

7

11

0

0

Gesamt

20

28

13

7

 Paul Achleitner:

 

Anzahl

Vorsitz geführt in

Unternehmen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

AR-Sitzungen

Ausschusssitzungen

Bayer

6

3

0

0

Daimler

7

1

0

0

Dt. Bank

10

63

10

29

Gesamt

23

67

10

29

 Wie stark die Zahl der Sitzungen in Krisenzeiten steigen kann, zeigt ein Blick auf die Zahl der AR-Sitzungen, an denen Herr Achleitner 2015 teilgenommen hat. Insgesamt kommt er auf 90 Aufsichtsrats- bzw. Ausschusssitzungen in DAX30-Unternehmen. Bei 39 Sitzungen führte er den Vorsitz. Der Fall macht deutlich, dass Overboarding grundsätzlich immer dann problematisch werden kann, wenn zu einer Vielzahl von Mandaten auch noch eine hohe Sitzungsfrequenz der Aufsichtsgremien hinzukommt.

 

Die Altersstruktur

Ein weiterer wichtiger Aspekt, gerade auch im Hinblick auf die wachsende Arbeitsbelastung der Aufsichtsräte, ist die Altersstruktur. In früheren Jahren hatten die Kontrollgremien ja durchaus den Ruf, eine Runde älterer Herren zu sein, die sich vor allem mit dem Rauchen teurer Zigarren die Sitzungszeit vertrieben. Davon dürfte heute nicht mehr viel übrig geblieben sein. Trotzdem ist die Annahme eines Aufsichtsratsmandats, insbesondere wenn es um den Gesamtvorsitz oder die Leitung wichtiger Ausschüsse geht, auch heute oft noch der eigentlichen Berufskarriere nachgelagert.

Der Corporate Governance Kodex hat darauf insofern reagiert, als er die Einführung einer Altersgrenze empfiehlt. Eine exakte Zahl wird allerdings nicht genannt. Ziel der Kommission war es, eine bewusste Auseinandersetzung des Aufsichtsrats mit seiner Zusammensetzung unter Erhaltung der notwendigen Flexibilität für den Einzelfall, insbesondere für Unternehmen mit Anker- oder Familienaktionären, anzuregen.

26 der 30 DAX-Unternehmen haben eine solche Regelaltersgrenze für Mitglieder des Aufsichtsrats eingeführt – entweder über die Satzung (so z.B. Deutsche Lufthansa), die Geschäftsordnung (so z.B. RWE) oder im Rahmen der Berichterstattung über die Zielzusammensetzung für den Aufsichtsrat (so z.B. Adidas). Vier Gesellschaften haben eine entsprechende Abweichung zur Kodex-Empfehlung erklärt.

Die Analyse zeigt, dass die DAX30-Unternehmen an unterschiedliche Zeitpunkte anknüpfen. Während einige auf den Zeitpunkt der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat abstellen, sehen andere ein maximales Alter zum Zeitpunkt der Wahl vor. Wieder andere setzen das Erreichen des Regelalters in Bezug zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung.

Bei der Deutschen Börse lässt sich aus den veröffentlichten Informationen nicht klar erkennen, zu welchem Zeitpunkt das Aufsichtsratsmandat in der Regel enden soll. Die vom Unternehmen gewählte Formulierung „Die vom Aufsichtsrat in der Geschäftsordnung niedergelegte flexible Altersgrenze (grundsätzlich 70 Jahre) wird bei den Kandidatenvorschlägen an die Hauptversammlung berücksichtigt“ lässt durchaus viel Spielraum zu.

Die unterschiedliche Handhabung der Regelaltersgrenze führt dazu, dass das tatsächlich mögliche Regelalter eines DAX30-Aufsichtsrats höher ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Es liegt zwischen 70 Jahren (so bei Allianz, BMW und Deutsche Bank) und 79 Jahren (so bei Volkswagen und Vonovia). Am häufigsten wird im DAX30 eine Regelaltersgrenze von 75 Jahren für Aufsichtsräte festgelegt. Zwei Unternehmen, E.ON und die Deutsche Telekom, haben ihre Regelaltersgrenze übrigens in diesem Jahr nach oben gesetzt.

Über alle untersuchten Unternehmen hinweg liegt das durchschnittliche Alter eines Aufsichtsrats im DAX30 bei 58 Jahren. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede sowohl bei den Bänken als auch differenziert nach Geschlecht.

Das durchschnittliche Alter eines Anteilseignervertreters beträgt 60 Jahre. Die jüngste Anteilseignerseite stellt mit durchschnittlich 53 Jahren ProSiebenSat.1 Media, die älteste mit im Schnitt 66 Jahren Fresenius Medical Care.

Auf der Arbeitnehmerseite, die wir erstmals in die Betrachtung der Altersstruktur einbezogen haben, beträgt das Durchschnittsalter 55 Jahre. Die jüngsten Aufsichtsräte stellt mit durchschnittlich 51 Jahren die Arbeitnehmerseite von Infineon Technologies. Die ältesten Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite sind mit im Schnitt 60 Jahren bei der Allianz zu finden.

Das durchschnittliche Alter der weiblichen Mandatsträger liegt mit 55 Jahren deutlich unter dem ihrer männlichen Kollegen (59 Jahre). Dabei ergibt sich dieser Unterschied insbesondere durch das geringere Durchschnittsalter der weiblichen Anteilseignervertreter, welches mit 56 Jahren klar unter dem ihrer männlichen Pendants (62 Jahre) liegt. Auf der Arbeitnehmerseite ist der Unterschied mit 54 gegenüber 55 Jahren sehr viel geringer.

 

Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat

Für die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat empfiehlt der Corporate Governance Kodex ebenfalls die Festlegung einer Regelgrenze. Diese soll in den zu veröffentlichenden Zielen für die Zusammensetzung des Gremiums dargelegt werden. Denn mit jedem Zugehörigkeitsjahr wächst zwar die Expertise und Kenntnis bezüglich des Unternehmens, aber ein zu langes Aufsichtsratsmandat kann auch eine gewisse „Betriebsblindheit“ entstehen lassen.

Regelbegrenzung bedeutet dabei, dass in Ausnahmefällen einzelne Aufsichtsratsmitglieder die festgesetzte Zugehörigkeitsdauer überschreiten dürfen. Hierdurch soll es insbesondere Familienunternehmen und Unternehmen mit einem Großaktionär ermöglicht werden, bestimmte Aufsichtsratsmitglieder über einen längeren Zeitraum zu halten, als es die Regelbegrenzung eigentlich vorsieht.

24 der 30 DAX-Unternehmen haben eine Begrenzung der Zugehörigkeitsdauer für die Mitglieder des Aufsichtsrats eingeführt. Die restlichen sechs Gesellschaften haben eine entsprechende Abweichung zur Kodex-Empfehlung erklärt. Bei HeidelbergCement und RWE sind die Formulierungen hinsichtlich der Regelzugehörigkeit nicht eindeutig.

19 Unternehmen sehen Amtsperioden zwischen zwölf und 19 Jahren für die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat vor. Lediglich Beiersdorf und Volkswagen (max. 20 bzw. 25 Jahre) sowie Henkel (zwei volle Amtsperioden) weichen im DAX30 hiervon ab.

In acht der 22 DAX30-Aufsichtsräte, bei denen eine Regelzugehörigkeit klar ermittelbar war, finden sich 2016 insgesamt 19 Mitglieder, die ihr Amt länger inne haben, als die von den jeweiligen Gremien selbst gesetzte Regelzugehörigkeit vorsieht. Während bei den meisten dieser Unternehmen lediglich ein bzw. zwei Mitglieder länger im Amt verweilen, geht die Amtszeit von jeweils vier Aufsichtsräten sowohl bei BMW als auch bei der Münchener Rück über die definierte Zeitgrenze hinaus. BMW nimmt allerdings bereits in der Erklärung zur Zielzusammensetzung des Aufsichtsrates die Mitglieder aus, die direkt oder indirekt an der Gesellschaft wesentlich beteiligt sind. Zwei der Familienvertreter im Aufsichtsrat sind in diesem bereits seit 1997 vertreten.

Die durchschnittliche Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat eines DAX30-Unternehmens beträgt in 2016 lediglich sechs Jahre. Das ist erstaunlich gering. Dabei zeigt sich in der Zugehörigkeitsdauer auf Seiten der Anteilseigner bzw. Arbeitnehmer kein wesentlicher Unterschied.

Anders als viele vermuten, sitzen die Aufsichtsratsvorsitzenden der DAX-Unternehmen durchschnittlich erst seit fünf Jahren (eine Amtsperiode) in den Gremien. Insgesamt ist in der Zugehörigkeitsdauer ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr festzustellen, was auch auf verschiedene Wechsel in den AR-Vorsitzen der DAX-Gesellschaften zurückzuführen ist.

Während die Aufsichtsräte bei BMW und Fresenius Medical Care im Durchschnitt bereits seit neun Jahren in den Gremien vertreten sind, beträgt die Durchschnittszugehörigkeit der Aufsichtsräte von ProSiebenSat.1 oder Vonovia gerade einmal zwei Jahre.

Die Aufsichtsräte mit der längsten Amtszugehörigkeit sitzen in den Gremien von BMW und SAP. Manfred Schoch (BMW) und Wilhelm Haarmann (SAP) sind jeweils seit 1988 in dem Aufsichtsrat vertreten.

55 Prozent aller DAX30-Aufsichtsräte befinden sich in ihrer ersten Amtsperiode, weitere 27 Prozent absolvieren die zweite Amtsperiode. Lediglich 6 Prozent der Aufsichtsräte gehören dem jeweiligen Gremium seit vier oder mehr Amtsperioden an. Dieses Ergebnis erstaunt, denn es widerspricht dem Bild des älteren, seit Jahrzehnten aktiven Aufsichtsratsvorsitzenden, das bei vielen noch im Kopf herumspukt.

Heute können wir vielmehr feststellen, dass die Neu-/Zuwahlen in den Aufsichtsrat nicht nur für mehr Vielfalt bei den Geschlechtern und der Altersstruktur gesorgt haben, sondern dass die Verweildauer im Aufsichtsrat nicht mehr eine Lebensaufgabe ist – und das ist gut so.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

DSW_Pressekonferenz_Aufsichtsratsstudie_2016_-_Grafiken.pdf